Archive for April, 2009

Zensur bei Amazon?


15 Apr

Wie der britische Telegraph berichtete, soll es beim Buch- und Warenversender Amazon zu einer Art Zensur insbesondere gegenüber homosexuellen Schriftstellern gekommen sein. Tausende von Buchtiteln homosexueller Autoren sollen demnach seit Tagen nicht mehr auf den Amazon-eigenen Bestsellerlisten auftauchen und wären somit auch auch bei der Produksuche benachteiligt. Verantwortliche bei Amazon räumten mittlerweile eine „Panne im System“ ein.

Auf eine andere Spur führt der heise-newsticker. Demnach sei die scheinbare Zensur-Maßnahme in Wahrheit ein Hacker-Angriff auf Amazon gewesen:

Eine Person namens „Weef“gab an, dass er ein Amazon-Feature, dafür vorgesehen, einen „unangemessenen Inhalt“ zu berichten, in einem Script dazu verwendet habe, um Bücher mit homosexuellen Themen in ihrem Pagerank herabzusetzen. Darüber hinaus habe er Besitzer von ungenannten populären Webseiten dazu gebracht, eine Menge Beschwerden loszuschicken.

Eine Amazon-Sprecherin weist dies allerdings weit von sich.

Life of Klinsmann


14 Apr

Ist es wirklich „die schlimmste Entgleisung, die es in den deutschen Medien jemals gegeben hat“, wie der Pressesprecher des FC Bayern München, Markus Hörwick, behauptete? Die links-alternative tageszeitung hatte auf dem Titelblatt ihrer Samstagsausgabe Jürgen Klinsmann ans Kreuz genagelt, begleitet von einem Songvers aus dem Monty Python-Klassiker „Life of Brian“: „Always look on the bright side of life“. Nach den blamablen Niederlagen von Klinsmanns hochbezahlter Fußballmannschaft gegen Wolfsburg und gegen Barcelona mag der Trainer allerdings eher Kopf-, als Kreuzschmerzen gehabt haben. Entgleisungen in den Medien sehen jedoch anders aus:

Es lässt sich wohl kaum als „Ausrutscher“ rechtfertigen, wenn zum Beispiel der Volksmusikmoderator Karl Moik Italiener im laufenden ARD-Programm als „Spaghettifresser“ bezeichnen darf. Wenn der Quizmoderator Frank Elstner zum dunkelhäutigen Schlagersänger Roberto Blanco sagen darf: „Sei jetzt ruhig, sonst kommst Du zurück in den Busch“. Wenn die Boulevard-Moderatorin Birgit Schrowange einen Beitrag über Behinderte mit den Worten ansagt: „Es gibt Menschen, die sind so hässlich, dass sie froh sein können, sich selber nie auf der Straße zu begegnen. Wie ein 50-jähriger, der wohl zu den beeindruckendsten Naturkatastrophen unter den Schönheitsidealen gehört“. (aus: Abschalten. Das Anti-Medien-Buch)

Das sind schon eher veritable Entgleisungen. Dagegen ist ein taz-Titelblatt, das satirisch mit den messianischen Erwartungen spielt, die mit der Ankunft Jürgen Klinsmanns beim FC Bayern verbunden waren, doch eher harmlos. Und passend zum Osterfest sollten die Kontrahenten sich, bittschön, die Hände reichen zum Friedensgruß. Naja, wenn sie nicht vernagelt sind …

Staatsanwalt besucht RTL 2


14 Apr

Nicht jeder Flirt ist ein echter Flirt. Wer z.B. auf die offenbar betrügerische SMS-Werbung des Fernsehsenders hereingefallen ist, der hatte es nicht mit echten Flirtkontakten, sondern mit Operatoren in einem Callcenter zu tun. Allein in den Jahren 2005 und 2006 versendeten gutgläubige Fernsehzuschauer insgesamt 500.000 SMS-Nachrichten zum Preis von je 1,99 Euro. Die Fernsehwerbung hatte ihnen vorgekaulelt, dass sie auf diese Weise mit realen Personen Bekanntschaft schließen könnten. „Einen telefonischen oder persönlichen Kontakt hat es nicht gegeben“, erklärte der verantwortliche Oberstaatsanwalt Anton Winkler. Die Staatsanwaltschaft wirft den Betreibern „gewerbsmäßigen Betrug“ vor. Darauf steht Gefängnis bis zu 10 Jahren.

Das Wunder der Handynutzung


14 Apr

Wenn die Presse aus etwas Sensation machen kann, dann, garantiert, tut sie es auch. Sensationelles aus dem Bereich des menschlichen Telefonie-Verhaltens etwa weiß das Handelsblatt zu berichten:

Zwischen 1999 und 2008 hat sich die Nutzung von Mobiltelefonen damit beinahe verfünffacht und seit 2005 fast verdoppelt.

Wieder einmal ein Beleg für die Mathematikschwäche des durchschnittlichen Zeitungsredakteurs. Denn im Lichte betrachtet ist an diesen Zahlen ja nicht viel dran. Wenn man sich überlegt, dass die Mobilfunktechnik in den 90er Jahren überhaupt erst etabliert wurde, ist es kein sonderliches Kunststück, die Nutzungszahlen innerhalb von 10 Jahren zu verfünffachen. Ähnlicher Schmu wäre es, wenn man schreiben würde: „Von 1981 bis 1991 hat sich die Zahl der PC-Benutzer verzehnfacht“. Denn 1981 wurde überhaupt erst der PC auf den Markt gebracht, es gab also vorher schlichtweg keine Nutzer. Ebenso können wir davon ausgehen, dass die Benutzung des Faustkeils sich in den ersten hunderttausend Jahren nach seiner Erfindung verzigfacht haben wird. Vielleicht sollte darüber das Handelsblatt einmal schreiben.

 

Strafe für BBC


08 Apr

Die britische Sendeanstalt BBC, einmal als „Mutter aller öffentlich-rechtlichen Sender“ bezeichnet, muss 150.000 Pfund Strafe bezahlen. Epd Medien stellt den Hergang dar.

Auslöser war eine Sendung, die am 18. Oktober auf dem BBC-Sender Radio 2 ausgestrahlt wurde (epd 87/08). Im Verlauf der Show riefen die Moderatoren Jonathan Ross und Russell Brand bei dem 78-jährigen Schauspieler Andrew Sachs an, bekannt vor allem durch seine Rolle als Kellner in der populären Comedy-TV-Serie „Fawlty Towers“ aus den 80er-Jahren. Brand hinterließ mehrere Nachrichten auf dem Anrufbeantworter von Sachs, in denen er erzählte, er habe mit der 23-jährigen Enkelin des Schauspielers geschlafen. Es folgte eine Flut von anzüglichen Witzen.

Verwunderlich die Reaktion der BBC: Das Management teilte mit, der Scherz hätte „nie über den Sender gehen dürfen“. Was für ein Scherz eigentlich?

Die Letzten werden die Vorletzten sein


06 Apr

Mathematik ist definitiv eine der Stärken des Kölner Stadtanzeigers. Zum Beispiel im viel gelobten Sportteil dieser Zeitung:

Dass Magath seinen angeblich unterbezahlten Ersatztorwart André Lenz in der letzten Minute zwecks Erlangung einer Einsatzprämie noch in der vorletzten Minute einwechselte …

Was heißt da, die Ersten werden die Letzten sein?

Erdkunde-Unterricht im Stadtanzeiger


06 Apr

Da sage noch einer, man lerne nichts, wenn man die Zeitung lese! Zum Beispiel den Kölner Stadtanzeiger am vergangenen Wochenende:

Die Welt ist aus amerikanischer Sicht deutlich größer als „Old Europe“.

Wer hätte das gedacht …

Abschalten: Das Experiment


03 Apr

Abschalten. Das Anti-MedienbuchIn meinem Buch Abschalten. Das Anti-Medienbuch hatte ich bei habituellem Medienkonsum, d.h. bei verschärfter Abhängigkeit von Glotze, Computer und Co., dazu geraten, eine „Mediendiät“ oder gar eine „Medienabstinenz“ einzulegen. Für die Zeitschrift PM Perspektiven (Ausgabe 04/2008, S.36-41) hat nun eine Familie das Experiment gewagt und eine Woche auf Medienkonsum verzichtet. Die Grundanlage dieses Experiments ist allerdings eigenwillig:

… eine Woche lang keine Medien für uns alle. Nur Bücher, CDs, DVDs und berufliche E-Mails sind erlaubt.

Nun würde ich als habitueller Medienkritiker allerdings auch Bücher, CDs und DVDs unter die Medien zählen, von deren Konsum ich all denen abraten würde, die danach so süchtig sind wie die Heroinsüchtigen nach der Spritze. Und das scheint bei der Familie von Isabel, Michael und Tochter Clara der Fall zu sein. Heimlich blättern sie dann doch in Möbelprospekten, wollen heimlich den Computer anschalten und möchten das Hochglanzcover der neuen Gala „entjungfern“. Zu allem Überfluss wird abends zwar nicht geglotzt („Erstaunlicherweise fehlt uns das Fernsehen gar nicht“), dafür aber DVD geguckt, was wohl höchstens eine Phasenverschiebung darstellt. Vielleicht war diese DVD keine Offenbarung. Aber das Suchtverhalten scheint sich gerade hier zu offenbaren, denn getreu meiner These von der Polymedialität der Gesellschaft reicht die DVD noch nicht einmal:

Leider darf ich mir dazu nicht die Filmkritik aus dem internet herunterladen. Das schmerzt.

Als nach einer Woche das Experiment beendet ist, was macht da die Familienmutter als erstes? Sie liest im Internet die Rezension zur DVD, die sie am ersten „fernsehfreien“ Abend konsumiert hat. Und siehe da:

Doch schon nach den ersten Zeilen erstarre ich: Ich kenne den Artikel. Er war es, der mich vor Monaten neugierig auf den Film machte … Ich habe mich im Kreis informiert.

Kein Drama


02 Apr

Wenn ein Wirtschaftsthema es auf die Titelseite der Bildzeitung schaffte, dann muss es schon sehr dramatisch zugehen. Heute berichten die fetten Balken am Zeitungskiosk vom Einbruch im Maschinenbausektor.

„Ausgerechnet Deutschlands Vorzeigebranche Maschinenbau (970000 Jobs) schockte mit katastrophalen Zahlen: Im Februar brach den Firmen jeder 2. Auftrag weg – stärkster Einbruch seit über 50 Jahren!“

In der entsprechenden dpa-Meldung liest sich das freilich etwas anders. Zwar verzeichnet die Branche im Februar einen Auftragsrückgang von 49%, jedoch:

„Nach einer historisch einmaligen Halbierung der Auftragseingänge im Februar erwarten die deutschen Maschinenbauer für das Gesamtjahr inzwischen einen Produktionseinbruch von 10 bis 20 Prozent.“

Auch die Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt sind weit weniger dramatisch, als die Schwarzmaler der Bildzeitung Glauben machen wollen:

„Trotz der jüngsten Absatzeinbrüche halten die Maschinenbauer an ihren Mitarbeitern fest. „Es gibt keine nennenswerten Einschnitte bei den Stammbelegschaften“, sagte VDMA-Hauptgeschäftsführer Hannes Hesse der Finanz-Nachrichtenagentur dpa-AFX.“

So lässt sich eben auch durch Weglassen Stimmung und Politik machen.

Selbsterkenntnis als Weg zur Besserung


02 Apr

In der gestrigen Ausgabe des Kölner Stadtanzeigers war unter der Rubrik „Rücktritt als Wortwitz“ anlässlich des Scheidens von Bahnchef Mehdorn folgendes zu lesen:

Die Niederlage des Bahnchefs war zugleich der Triumph des Phrasenschweins. Weshalb wir folgende Überschriften in Zukunft bitte nicht mehr lesen möchten: „Die Weichen müssen neu gestellt werden“; „Bahn-Chef entgleist“; „Der Zug ist abgefahren“; „Endstation Rücktritt“; „Notbremse gezogen“; „Bahn frei“; „Auf dem Abstellgleis gelandet“; „Ende einer Dienstfahrt“; „Dieser Zug endet hier“; „Streckenweise dreist“; „Bitte aussteigen“; „Der Zugfürher geht“; „Aus der Bahn geworfen“ (huch, das waren wir ja selbst).

Wenn das Wünschen helfen würde, dann wären freilich ans Phrasenschwein einige Wunschzettel zu adressieren, auf denen der Name des Kölner Stadtanzeigers vermutlich nicht selten vorkäme. Was übrigens stand als Unterüberschrift oben über gerade zitiertem Artikel: „Jetzt fehlt am Bahnsteig das Feindbild“ …

Anti-Medien-Blog

Die journalistische Notfallpraxis im Web von Hektor Haarkötter