Posts Tagged ‘Tagesschau’

Wie pressemäßig ist die Tagesschau-App?


05 Mai

In der vergangenen Woche hat der Bundesgerichtshof (BGH) ein einschneidendes Urteil gesprochen. Geklagt hatten die deutschen Zeitungsverleger schon durch drei Instanzen gegen sie Smartphone-App der ARD-Tagesschau. Das Angebot der Öffentlich-Rechtlichen und damit Gebührenfinanzierten sei zu „pressemäßig“ und würde damit die Wettbewerbschancen der privaten Zeitungsanbieter im schwierigen Onlinemarkt mindern, die nicht nur ihre eigenen Onlineangebote privat, z.B. über Werbung, finanzieren müssten, sondern auch darauf angewiesen seien, damit Geld zu verdienen.

Wie die „pressemäßige“ Ausschlachtung eines Themas durch die Redaktion ARD-Aktuell funktioniert, dafür ist der gegenwärtige Streik der Lokomotivführer ein gutes Beispiel. Neben der umfangreichen Berichterstattung in der 20 Uhr-Ausgabe der Tagesschau verweist Jens Riewa auf das umfangreiche Zusatzmaterial, das die Onlineredaktion tagesschau.de bereithält und das auch über die Smartphone-App verfügbar ist.

tagesschau_de_bahnstreik

Aber wer, der mit dieser kräftigen Portion Eigenwerbung auf die öffentlich-rechtliche Website geht oder die Tagesschau-App benutzt, wird noch die ebenso umfangreichen Hintergrundinformationen auf sueddeutsche.de nutzen oder sich den Bahnstreik-Ticker auf welt.de zu Gemüte führen? Im Falle Google sind hochgradig strafbewehrte Verfahren bei der EU-Kommission anhängig, wie auch Tagesschau.de zu berichten weiß, weil der amerikanische Suchmaschinenbetreiber unter Umständen seine Marktmacht ausnutzt, um eigene Internetangebote durchzusetzen. Aber was macht die Tagesschau-Redaktion mit diesem offensichtlichen Stück Crosspromotion anderes, als die eigene Marktmacht im Fernsehen auszunutzen, um das hauseigene Internetangebot zu promoten? Da kann kein privater Zeitungs- und Onlineanbieter mithalten.

Tagesschau im Wetterloch


03 Jun
Screenshot: Tagesschau 01.07.2014

Screenshot: Tagesschau 01.07.2014

Nun hat also auch die ARD Tagesschau ihr Wettergate: Am Sonntag in der Hauptausgabe um 20:00 Uhr hat die ARD-Nachrichtensendung den Wetterbericht vergessen und stattdessen ein schwarzes Loch gezeigt. Während das die ARD-Zuschauer wie die Medienjournalisten offenbar hochgradig irritiert, ist doch zu sagen, dass eine solche Fehlschaltung beim Fernsehen nicht Ungewöhnliches ist und früher viel häufiger vorkam. Es reichte schließlich eine übermüdete studentische Hilfskraft am Bildmischer oder ein AV-Techniker, der die Beta-Kassetten vertauscht hatte.

Was an der Tagesschau-Panne vom vergangenen Sonntag viel auffälliger war, das war die Reaktion des Tagesschau-Sprechers Jan Hofer. Völlig ungerührt nämlich setzte er die Sendung fort, als wäre alles mit rechten Dingen zugegangen. Hier fragt sich doch, ob die Tagesschau wirklich live auf Sendung geht, oder ob die einzelnen Elemente inklusive der Sprecheraufnahmen vorkonfektioniert sind und nur noch zur, hoffentlich, richtigen Zeit abgespult werden. So jedenfalls wären sowohl die Panne als auch die ungerührte Fortsetzung der Sendung zu erklären. Echtzeitjournalismus ist etwas Anderes.

Die besten aller Nachrichten


26 Jul
ZDF-Anchorman Claus Kleber (Foto: Wikimedia)

ZDF-Anchorman Claus Kleber (Foto: Wikimedia)

Was sind denn nun die besten aller Nachrichten? Vor kurzem noch trumpfte der Chef des ZDF-Heute Journals, Claus Kleber, mächtig auf. In einem Interview mit dem Wochenblatt Die Zeit ließ er kein gutes Haar am Konkurrenzprodukt der ARD, nämlich der „Tagesschau“:

Ich glaube, dass sich dieses Konzept gerade überlebt. Weil das, was diese Art von Nachrichten bietet, am ehesten ersetzt wird durch den schnellen Blick ins Internet …

Besonders die manchmal etwas spröde Form der Präsentation störte den ZDF-Anchorman bei den Mitbewerbern von der ARD. Er verstieg sich sogar dazu, die „Tagesschau“ mit dem nordkoreanischen Staatsfernsehen zu vergleichen:

Das trockene Nachrichtenablesen gibt es heutzutage nur noch um 20 Uhr und im koreanischen Fernsehen …

Die Retourkutsche erhielt Claus Kleber prompt, und zwar nicht von der angesprochenen „Tagesschau“-Redaktion, die sich höflich zurückhielt, sondern von Willi Winkler von der Süddeutschen Zeitung:

Offensichtlich hört Kleber nie Radionachrichten, und auch die „Heute“-Sendung seiner ZDF-Kollegen um 19 Uhr scheint er regelmäßig zu verpassen. (…) Claus Kleber moderiert selber zu später Stunde – und auch deshalb mit erheblich geringerem Zuschauerinteresse als bei der „Tagesschau „- das „Heute-Journalim ZDF. Die Berufsbezeichnung für diese Tätigkeit lautet gut amerikanisch Anchorman, also Ankermann, und verlangt vor allem einen Gesichtsausdruck, der beweist, dass der Vortragende die ganze Last der Welt auf seinen Schultern trägt. (…)

Besonders intrikat ist der Hinweis auf ZDF-Nachrichtensendung „Heute“. Denn die schmiert nach neuesten Forschungsergebnissen nicht nur gegenüber der „Tagesschau“ regelrecht ab. Zwar ist die „Heute“-Sendung nach einer Erhebung der Zeitschrift MediaPerspektiven hinter dem ARD-Flagschiff und „RTL aktuell“ immer noch die Nummer Drei in der Zuschauergunst.

Doch bei den jüngeren Zuschauern sieht es für Petra Gerster und Co. ganz duster aus: Im Schnitt gerade mal 470.000 Unentwegte im Alter von 14 bis 49 Jahren schalteten 2012 um 19 Uhr „heute“ ein – weit weniger als die „Tagesschau“ und „RTL aktuell“ und sogar weniger als die Nachrichtensendungen von Sat.1, Pro Sieben oder die qualitativ fragwürdigen „RTL 2 News“, die 620.000 Zuseher verbuchen konnten.

Selbst die „RTL2-News“, bei denen man Probleme hat, überhaupt noch von einem journalistischen Nachrichtenformat zu reden, haben also größeren Zuschauerzuspruch in der Altersklasse der 14- bis 49-jährigen als die ZDF-Sendung. Mit einem hat Claus Kleber da vermutlich recht: Die Zustimmungsquoten in realsozialistischen Staaten wie Nordkorea sind in der Regel höher.

Aber was sind nun die besten aller Nachrichten? Die trockene Seriosität der „Tagesschau“, die immerhin täglich mehr als 8 Mio. Zuschauer sehen? Das Infotainment auf RTL? Oder gar die ständig menschelnden und mit „Promi-News“ durchzogenen RTL2-News? Die Medienforschung sagt uns seit Jahren, dass die Informationsfunktion von Nachrichten weit hinter die Unterhaltungsfunktion und die soziale Funktion zurücktritt: Man guckt Nachrichtensendungen nicht, um als politisch bewusster Staatsbürger über die Angelegenheiten des Gemeinwesens auf dem Laufenden zu sein. Man guckt sie vielmehr, um sich beim Abendessen nicht zu sehr zu langweilen und um am nächsten Tag in der Frühstückspause mitreden zu können. Der Schweizer Schrifsteller Rolf Dobelli meint ja, gar keine Nachrichten seien die besten Nachrichten und fordert eine „Nachrichten-Diät“. Die etwas jüngeren Zuschauer (der Altersschnitt beim ZDF liegt über 60) halten sich bereits daran,  sie schalten die „heute“-Nachrichten nicht mehr an.

Knack und Back Tagesschau


24 Mai
Hat die Tagesschau sich überlebt?

Hat die Tagesschau sich überlebt?

In der Wochenzeitung Die Zeit unterhalten sich Ex-Tagesthemen-Moderator Wickert und der aktuelle Heute Journal-Chef Kleber über die „Tagesschau“. Die hat sich nach Ansicht von Kleber überlebt. Schon der Ausdruck „Tagesschau-Sprecher“ sei ein Archaismus:

 “Wir sind keine Sprecher. Wir kommen aus dem Journalismus. (…) In der Tagesschau wird lediglich (sic!) ein Text vorgetragen, den die Redaktion verfasst hat.”

Dass die „Tagesschau“ deswegen am Ende sei, kann Klaus Kleber nur recht sein, ist sie doch die direkte und womöglich einzige Konkurrenz seiner eigenen Nachrichtensendung. Andererseits würde Herr Kleber es sich vermutlich verbitten, wenn ARD-aktuell-Chef Kai Gniffke sich solcherart despektierlich über sein eigenes Produkt, das Heute Journal, äußern würde. Dennoch konnte Gniffke es sich nicht verkneifen, im Tagesschau-Blog das Thema aufzugreifen:

„… so lange ich Verantwortung in diesem Laden trage, bleibt die Tagesschau eine Sprecher-Sendung, weil ich sicher bin, dass die Menschen die knackige Viertelstunde um 20 Uhr schätzen, ohne Emotionalisierung und lange Interviews. Knack und Back sagen, was aus unserer Sicht heute für dieses Land von Bedeutung war. Das ist Tagesschau.“

Was, du gute Güte, meint Herr Gniffke bloß mit „Knack und Back“? Dass die „Tagesschau“ aufgewärmt werden muss? Dass sie eigentlich ein zäher Teigklumpen ist, der nur durch schnelles Erhitzen halbwegs genießbar wird? Dass die Frühstücksgebäck-Industrie die Sendung sponsort? Nicht jede Anbiederung an eine vermeintlich lockere Jugendsprache oder Szenejargon trägt wirklich zur Klärung von Sachverhalten bei. Zumal: Ich kenne weder eine Jugendszene, noch sonst eine Subkultur, in der Knack-und-Back-Brötchen als besonders trendig gelten. Knack-und-Back, das ist doch eher irgendwie von gestern. Also hat die Tagesschau sich doch überlebt?

Chauvinismus nach Maßgabe deutscher Sportjournalisten


08 Aug

Dass der Sport einer der letzten Bereiche ist, in denen nationale Gefühle überhaupt noch eine nennenswerte Rolle spielen, ist ausgemacht. Aber selbst in diesem sportlich-nationalen Überschwang schafft es der deutsche Sportjournalismus und namentlich die für die Fernsehberichterstattung zuständige ARD, ihre eigenen Ansprüche an Objektivität nationalistisch zu untergraben und sich den Vorwurf chauvinistischer Einseitigkeit einzuheimsen. In der gestrigen 20:00 Uhr-Ausgabe der Tagesschau schaffte es Sprecherin Judith Rakers,  in ihrem kompletten Text ausschließlich deutsche Sportler zu erwähnen, ohne auch nur einen anderen Olympioniken zu nennen — selbst wenn es sich um die eigentlichen Goldmedaillen-Gewinner handelte. Und auf der ARD-Olympia-Website ist kein einziges Miniaturbild, dass nicht einen Sportler mit dem Bundesadler auf dem Trikot zeigt.

Der deutsche Gewichtheber, der unter der eigenen Hantel zusammenbricht, könnte dabei Symbol für die traurige Figur sein, die die deutsche Fernsehberichterstattung bei Olympia 2012 macht. Ein kritischer Beitrag der Tageszeitung Die Welt moniert, dass ARD und ZDF regelmäßig wichtige sportliche Entscheidungen verschlafen oder Berichte als live etikettieren und kommentieren, deren Entscheidungen in Wahrheit längst gefallen sind.

Dass es Lesern und Fernsehzuschauern in anderen Ländern auch nicht besser geht, beleuchtet ein Artikel der Frankfurter Rundschau. Da wird beispielsweise über die Olympia-Berichterstattung in den USA bemerkt:

Wie in den besten Zeiten des Kalten Krieges hat man als Zuschauer den Eindruck, dass in London nicht nur Athleten, sondern Systeme gegeneinander antreten.

Aber dass es woanders nicht besser ist, muss ja nicht heißen, dass es hierzulande noch schlimmer sein muss.

Tagesschau.de: Korruptionsvorwürfe gegen die deutsche Sprache


13 Sep

Es gibt diese unausrottbaren Sprachschnitzer, wie nicht nur, aber hauptsächlich Journalisten sie begehen. Einer davon betrifft das Wort “programmieren”. Wörtlich übersetzt heißt es “vor-schreiben”. Eine Vorschrift ist ja z.B. auch ein Computer-Programm, denn es sagt dem Computer, was er zu tun hat.

Nun schreibt die Nachrichtenredaktion von Tagesschau.de über einen millionenschweren Bestechungsskandal in Frankreich. Die traurige und nackte Wahrheit klingt so:

Robert Bourgi, ehemaliger Afrika-Berater von Jacques Chirac, hat ausgepackt: Im Auftrag von Chirac und Ex-Premier De Villepin habe er jahrelang Millionensummen nach Paris geschafft. Die Beschuldigten weisen die Vorwürfe zurück. Doch ein Polit-Skandal ist vorprogrammiert.

“Vor-programmieren”, das ist so viel wie “vor-vor-schreiben”, und damit mindestens ein “vor” zu viel. Pleonasmus nennen das die Sprachwissenschaftler. Ob hier das Wort “programmieren” (auch ohne das lästige “vor’” zu viel) die richtige Wortwahl war, steht noch auf einem ganz anderen Blatt. Aber so schreiben nun mal Journalisten.

Korruptionsvorwürfe gegen Chirac: Geldkoffer aus Afrika? | tagesschau.de

Anti-Medien-Blog

Die journalistische Notfallpraxis im Web von Hektor Haarkötter