Posts Tagged ‘Spiegel Online’

Zur Sprache von Spiegel Online: Ungeschliffen, aber redegewandt


25 Jul

So ganz scheint bei Spiegel Online nicht immer Klarheit zu herrschen, wie die Sprachbeherrschung oberster Güte nun zu nennen ist. Dem FC-Bayern-Stürmer Thomas Müller werden mal “ungeschliffene” Sätze in den Mund gelegt: Das sind nach allgemeiner Ansicht grobe, rohe, wenig kunstvolle Formulierungen. Doch schon im nächsten Satz wird er dann als “redegewandt” bezeichnet, was ziemlich genau das Gegenteil meint, und das auch noch mit dem schönen Lapsus “redegewandet”:

Thomas Müller ist eigentlich ein dankbarer Gesprächspartner, seine Sätze sind oft ungeschliffen, eine Rarität im Fußballprofi-Zirkus. Doch am Mittwochabend, nach dem 2:0-Testspielsieg seines FC Bayern München gegen den FC Barcelona, gab sich selbst der redegewandete Offensivspieler in der Münchner Arena geschlagen …

Sagt vielleicht auch ein bisschen etwas über die Sprachbeherrschung bei Spiegel Online.

Bayern-Sieg gegen Barcelona: Guardiolas testet Lahm im Mittelfeld – SPIEGEL ONLINE

Wer braucht eigentlich den „Tatort“ getwittert?


16 Dez

Folgendes sah ich gerade bei Spiegel Online:

Wenn ich den ARD-„Tatort“ live verfolgen möchte, dann kann ich ihn doch einfach schauen, oder? Wozu brauche ich jemanden, der eine Fernsehsendung „live twittert“? Das verstehe ich einfach nicht.

 

Himmel und Hölle des Journalismus


05 Okt

“Die Hölle, das sind die anderen”, hat Sartre einst in seinem Theaterstück “Geschlossene Gesellschaft” geschrieben. Die Hölle für (freie) Journalisten, das können Redaktionen sein, die durch unmögliche Arbeitsbedingungen, schlechte Bezahlung oder krasse Verstöße gegen das Urheberrecht auffallen. Die “Freischreiber”, ein Berufsverband freier Journalistinnen und Journalisten, hat nun den “Himmel und Hölle”-Preis ausgelobt. Ausgezeichnet sollen solche Redaktionen werden, die sich an den von den “Freischreibern” selbst konzipierten “Code of Fairness” halten (“Himmel”) oder eben in besonders krasser Form dagegen verstoßen (“Hölle”):

Es gibt Gründe, warum Redaktionen freien Journalisten wie der Himmel vorkommen – und ebenso Gründe, warum andere nicht. Wie sich der Berufsverband Freischreiber eine gute Zusammenarbeit vorstellt, hat er kürzlich im Code of Fairness beschrieben.

Der Himmel für Freie Journalisten ist nach Meinung der “Freischreiber” (die Nominierten werden in einem Online-Voting ermittelt) in den Redaktionen von P.M. Magazin, Brand eins und Enorm verwirklicht. Die Journalistenhölle dagegen sollen die Redaktionen von Für Sie, Neon und Spiegel Online sein. Anders als im “Himmel” gibt es für die “Hölle”-Kandidaten keine Begründung, dafür aber eine metaphorische Geschichte, die den Alltag von Journalisten in betreffenden Redaktionen darstellen soll:

Ich hatte einen Traum. Ich war in der Hölle. Das Neonlicht flackerte. Eine Horde Redakteure kam auf mich zugerannt. „Gib uns deine Themen“, riefen sie. Ihre Gesichter kamen mir bekannt vor. Sie entrissen mir meine Papiere und brachten sie dem Chefredakteur, der mit einem Dreizack an einer langen Tafel thronte. Er liess sich meine Themen vorlesen und schrie seinen Redakteuren zu: Diese Geschichte machst Du. Diese Du. Für mich war keins meiner Themen übriggeblieben.
Ich rannte in den nächsten Raum. Der Raum war fast leer. Nur an den Wänden Regale, auf denen Diät Bücher standen. An den Wänden hingen Bilder der Jahreszeiten. Auf dem Bildschirm sah ich einen Text. Darüber mein Name. Das Thema kam mir bekannt vor. Der Text nicht. War wirklich Claudia Schiffer die neue Königin von Sansibar? »Hier werde ich bis zu meinem Lebensende wohnen«, sagte sie. Ich hatte nie mit ihr gesprochen.
Entsetzt wandte ich mich ab. Im nächsten Raum ging es hektisch zu. Redakteure saßen an ihren Rechnern und spitzten Themen zu. Niemand beachtete mich. Ich rief: »Spieglein, Spieglein an der Wand, wer ist die fieseste im ganzen Land?« An den Wänden hingen die armen Seelen von Online-Kollegen und bettelten um Honorare. Ich wachte auf.

Neon-Chefredakteur Michael Ebert hat mittlerweile auf die Nominierung reagiert und sie beim Branchendienst Meedia als “unseriös und bald Rufmord” bezeichnet.

 

Der Himmel und Hölle Preis | :Freischreiber

Bekenntnisse: So funktioniert Sensationsjournalismus


29 Jun

Wer Einblicke in die Welt des Sensationsjournalismus gewinnen und einen echten Paparazzo im O-Ton vernehmen möchte, der kann auf der „Eines Tages“-Seite von Spiegel Online die Bekenntnisse des ehemaligen Quick-Fotografen Hanno Krusken studieren. Und die beginnen direkt mit einem freimütigen Geständnis:

Der Job eines Pressefotografen ist dem einer Prostituierten ziemlich ähnlich. Jeder der kommt und bezahlt, wird bedient. Und gerade wenn man als Fotograf versucht, im Journalismus Fuß zu fassen, macht man fast alles. (…) Der Job eines Fotoreporters war noch echtes Handwerk. Und dazu gehörte auch, im Dreck zu wühlen.

Krusken erzählt, dem Erzählgestus seines ehemaligen Auftrag- und Arbeitgebers offensichtlich nach wie vor verbunden, allerhand Räuberpistolen: Wie er die Eltern eines angeblichen „Wolfsjungen“ zu Fotos überredete („…brachte die beiden, wie von der Redaktion geheißen, in ein Hotel, um sie dem Zugriff anderer Journalistenkollegen zu entziehen“); wie er Luftaufnahmen vom Gladbecker Geiseldrama machte und damit die Polizeitaktik verriet; oder wie er, freimütig seine kriminelle Energie gestehend, illegal Kameras in einen Gerichtssaal schleuste:

Bei einer Sicherheitsfirma kaufte ich eine sogenannte Feuerzeugkamera. Die wollte ich durch die Kontrolle schmuggeln. Alternativ hatte ich mehrere Einwegkameras besorgt. Am Tag vor der Verhandlung, als der Gerichtssaal leer fotografiert werden durfte, heftete ich sie mit Doppelklebeband unter verschiedene Sitze, auf denen dann meine Textkollegen Platz nehmen sollten.
Tatsächlich kam ich tags darauf aber problemlos mit einer Zigarettenschachtel und dem falschen Feuerzeug in der Brusttasche durch die Sicherheitsschleuse. Während einer Verhandlungspause, in der die Angeklagten im Gerichtssaal bleiben durften, schnippte ich mehrmals im Vorbeigehen, so als könnte ich es nicht erwarten, mir eine Zigarette anzuzünden.

 Auch die Kommentarseiten zu dem Artikel sind aufschlussreich. So schreibt ein Holger Kreymeier:

Als ehemaliger Redakteur beim Boulevard-Fernsehen kann ich das Geschriebene nur bestätigen – menschliche Schicksale werden wir eine Beute betrachtet, die man früher als andere einfangen muss. Und wenn die Story nicht so aufregend ist, dann erfindet man einfach was dazu. So hat man damals gearbeitet – und so arbeitet man heute. Die Protagonisten und deren Probleme sind nur so lange interessant bis man seine Story im Kasten hat.

Und eine Claudia Freistein kommentiert lakonisch:

Einfach nur ekelhaft – wie kann man sich nur zu so einem Job hingeben? Sein Tun mit der Arbeit von Prostituierten zu vergleichen ist eine Beleidigung von Prostituierten.

Dass der Spiegel vom dargestellten Sensationsjournalismus nicht immer ganz meilenweit entfernt ist, zeigt nicht nur der sensationalistische Ton des Beitrags selbst („Geiselnehmer, Wolfsjungen, Mordopfer – Fotograf Hanno Krusken besorgte für „Quick“ die Bilder, die andere nicht hatten“). Auch, was Spiegel Online unter „verwandte Themen“ aufführt, macht deutlich, womit hier die Klickzahlen des eigenen Internetangebots in die Höhe getrieben werden sollen:

Screenshot: Spiegel Online

Huren und Helden, Blut und Sex, Busen und Pos: Das scheint auch für den Spiegel nicht nur zum Grenzbereich des Journalismus zu gehören. Triebhaftigkeit als Treibmittel für Klickzahlen — da spiegelt der Spiegel exakt das Thema, das Fotograf Krusken zuvor präludiert hat. „The medium is the message“, würde Marshall McLuhan da sagen.

Ein Desaster namens PR-Desaster


28 Mai

Castle_Romeo/WikimediaUngern gibt man Journalisten vorbehaltlos recht, aber in diesem Fall ist das Desaster, das Tom Hillenbrand auf Spiegel Online beschreibt, ein echtes: Das Desaster namens “PR-Desaster”:

Wenn im Golf von Mexiko eine BP-Ölplattform absäuft, ist das nicht nur eine Umweltsauerei, schlampige Ingenieursarbeit oder Managementversagen. Es ist vor allem, da sind sich „Süddeutsche“, „Welt“ und SPIEGEL ONLINE einig, ein „PR-Desaster“. Auch der Playstation-Datenklau bei Sony „entwickelt sich“, schreibt etwa „Zeit Online“ zu einem, na klar, „PR-Desaster“. Selbst bei epochalen Katastrophen wie Fukushima wird ausführlichst diskutiert, ob die Presseabteilung des Energiekonzerns Tepco nach der multiplen Kernschmelze und dem wochenlangen Verschwinden von Konzernchef Masataka Shimizu eigentlich einen ordentlichen Job gemacht hat. Als ob das irgendjemanden interessieren würde.

Jedoch, ein PR-Desaster im eigentlichen Sinne des Wortes wäre es ja nur dann, wenn die Pressestellen versagt oder die PR-Beauftragten Mist gebaut hätten. Das ist in den zitierten wie den vielen anderen Fällen aber zumeist nicht der Fall:

Das PR-Desaster ist neuerdings überall, obwohl die meisten Katastrophen weder durch Öffentlichkeitsarbeit ausgelöst noch gelöst werden. Der amerikanische Krisenberater Eric Dezenhall bringt es am Beispiel BP auf den Punkt: „Alle taten so, als ob das eine PR-Krise wäre. Aber die war nie der Kern.“ Kern des Problems war vielmehr ein sprudelndes Leck, 1500 Meter unter dem Meer.

Noch eine andere irrige Annahme steht hinter der Redeweise vom “PR-Desaster”: Nämlich, dass eine “gute” PR alles heilen könne. Deswegen gibt es heute eine erkleckliche Anzahl von PR-Agenturen, die sich auf “Krisen-PR” spezialisiert haben: Wenn die Krise erst mal da ist, wird ein Kommunikationprofi gerufen, der das Schlimmste verhüten soll – dabei ist das Schlimmste längst eingetreten. Die überwiegende Anzahl von Desastern, die sich ereignen, bedürfen keiner PR, sondern der Abhilfe. Oder gar der Prävention, damit es zum Desaster gar nicht mehr kommt.

Nur wenn PR-Agenturen den Dienst versagen;  wenn sie Botschaften noch schlimmer machen, als sie eh schon sind; wenn sie zur schlechten Tat noch den schlechten Sound beifügen; dann darf mit Fug’ und Recht von einem PR-Desaster gesprochen werden. Spiegel Online führt hier die völlig mißlungene PR-Aktion von Facebook gegen Konkurrenten Google an:

Die von dem Social Network beauftragte PR-Agentur Burson-Marsteller brachte das Kunststück fertig, ihren Kunden ausnehmend schlecht zu beraten und ihm eine verdeckte Schmutzkampagne gegen den Konkurrenten Google aufzuschwatzen. Als die Sache dann aufgrund stümperhafter Durchführung aufflog und alle Beteiligten ihr Gesicht verloren, patzte Burson auch noch beim Krisenmanagement und zensierte seine eigene Facebook-Seite. Das ist endlich mal ein PR-Desaster, das den Namen auch verdient.

Fukushima dagegen (oder Brent Spar, oder der Niedergang der FDP, oder das Ozonloch, oder oder oder) sind keine PR-Desaster, sondern wirkliche. Sie brauchen keine PR, und klammheimlich träumen wir von einer Welt ohne all diese PR-Lümmel, die meinen, jede Katastrophe durch ein bisschen Lug’ und Trug, durch Manipulation und im Zweifel ein bisschen Bestechung heilen zu können. Die PR ist das Desaster, helfen kann sie dabei nicht.

Unwort „PR-Desaster“: Eine Katastrophe, diese Kommunikation – SPIEGEL ONLINE – Nachrichten – Wirtschaft

Spiegel Online: Wenn aus Edelfedern Zauselkrausel werden


23 Mai

Früher war ja, wer im Feuilleton schreiben durfte, schon von Amts wegen eine edle Feder: Schließlich musste man das Wort Feuilleton richtig aussprechen und korrekt schreiben können, das schuf die nötigen Zugangshürden. Wer heute etwa Romane oder Erzählbände rezensiert, der muss so wenig noch von der Schönheit der Sprache verstehen wie diejenigen, die ebenjene Werke heute schreiben. Zum Beispiel ein Peter Henning bei Spiegel Online, der den Erzählband „Trieb“ des Kölner Journalisten (!) Jochen Rausch besprechen darf:

Rausch, der 2008 mit dem Debütroman „Restlicht“ debütierte …

Wir vermuten, dies war das Rezensionsdebüt des debütierenden Rezensenten. Murksig geht’s weiter im Blätterwald leidender Rezensionsrezensenten:

Nach vollbrachter Lektüre seiner Storys, die sich lesen lassen wie ein lustvolles Blättern im Katalog menschlicher Fehlbarkeit …

Wie liest man denn wohl ein „lustvolles Blättern“? Und ist der „Katalog menschlicher Fehlbarkeit“ etwa so dick wie der Otto-Katalog (der übrigens nicht witzig ist, obwohl er Otto heißt!), auf dass man in ihm überhaupt blättern könne? Und wieviele schmückende Adjektive darf eigentlich ein kritisierender Kritiker benutzen, der beim fatalen Objekt seiner rezensierenden Zuneigung ansonsten trockene „Schnörkellosigkeit“ zum allesüberbietenden Qualitätsmerkmal macht? Vielleicht so viele wie in dem geschätzt 10 Zeilen lang Satz, in dem zwei Protagonisten einer Kurzgeschichte

geradezu schicksalhaft und mit am Ende tödlicher Zwangsläufigkeit aufeinander zustreben, dann hat Rauschs subtiler Trieb-Reigen seinen finster-faszinierenden Höhepunkt erreicht.

Es fehlt dann natürlich, wie bei allen Rezensionsanfängern, das unvermeidbare Name-Dropping nicht, um die eigene Kritikerbelesenheit auch ja zur Schau zu stellen, und auch die furiose Conclusio am Ende darf nicht fehlen. Sie lautet:

Endlich zeigt ein Hiesiger, wie variabel und mitreißend die erzählerische Kurzstrecke sein kann. Er tut es schnörkellos und ohne ein Gramm Fett. Dabei in der Machart fast amerikanisch, und doch mit Blick auf deutsche Verhältnisse. Lesen Sie Jochen Rausch. Es wird Sie umhauen. Versprochen!

Ja, das ist wirklich geschehen! Es hat mich umgehauen! Aber nicht das Buch von Jochen Rausch. Das ist vielleicht sogar ganz gut. Wer weiß?

Anti-Medien-Blog

Die journalistische Notfallpraxis im Web von Hektor Haarkötter