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Gauland-Kolumne: Hinter der FAZ steckt nicht immer ein kluger Kopf


08 Okt

(Foto: Olaf Kosinsky/Skillshare.eu)

Am Wochenende hat die Frankfurter Allgemeine Zeitung (FAZ) in der Rubrik „Fremde Federn“ einen Gastbeitrag des AfD-Vorsitzenden Alexander Gauland veröffentlicht. Das sorgt vor allem deswegen für Irritation, weil nichts an dem Beitrag stimmt, sowohl was die Rubrik als auch was den Inhalt angeht.

Als Kolumnist darf ein Gauland schreiben, was er will, ohne dass die Redaktion in den Text inhaltlich eingreift. Gauland ist schlau genug, gegenüber dem bürgerlichen Publikum der FAZ Kreide zu essen und sich selbst als Vertreter von Mittelstand und Mittelklasse zu gerieren. Dabei bekennt er sich zu seinem „Populismus“, darum auch die Überschrift des Gastbeitrags: „Warum muss es Populismus sein?“ Allerdings geht er dann auf das spezifisch Populistische seiner Politik und der seiner Partei, der rechtsextremen AfD, gar nicht weiter ein. Er behauptet, der Begriff „Populismus“ sei seit 10 Jahren in der Diskussion, was nachweislich falsch ist und durch simpelste Internetrecherche falsifiziert werden kann. Der Begriff stammt aus der Antike und bezieht sich auf die Partei der Popularen, zu der beispielsweise auch Julius Caesar sich zählte. In der Moderne taucht der Begriff spätestens mit der US-amerikanischen Farmerbewegung seit den 1870er-Jahren wieder auf, die denn auch eine „People’s Party“ gründeten.

Feindbild und Verschwörungstheorie

Dann entfaltet Gauland sein heimliches Feindbild und offenbart zugleich sein unheimliches Weltbild, das einer kruden Verschwörungstheorie entstammt. Laut Gauland hat sich nämlich in den vergangenen Jahren angeblich eine neue Funktionselite gebildet, die vor allem aus Medienarbeiter/innen bestehe:

„Im Zuge der Globalisierung hat sich nach dem Ende des Ost-West-Konflikts eine neue urbane Elite gebildet, man könnte auch von einer neuen Klasse sprechen. Zu ihr gehören Menschen aus der Wirtschaft, der Politik, dem Unterhaltungs- und Kulturbetrieb – und vor allem die neue Spezies der digitalen Informationsarbeiter“.

Diese abgehobene „globalisierte Klasse“ habe die Bindung an die Heimat verloren und lebe in einer „abgehobenen Parallelgesellschaft“. Dem gegenüber stünden zwei Gruppen von Menschen in Deutschland, nämlich die bürgerliche Mittelschicht (zu der Gauland vor allem den wirtschaftlichen Mittelstand zählt) sowie „sogenannte einfache Menschen“, die „ein Leben lang den Buckel krumm gemacht haben und heute von einer schäbigen Rente leben müssen“.

Irgendwelche empirischen Belege für seine demographischen Behauptungen bleiben bei Gauland und in der FAZ aus. Dass die von ihm so geschmähten Medienleute gerade wesentlicher Teil der bürgerlichen Mittelschicht sind und häufig als Einzelunternehmer zum wirtschaftlichen Mittelstand zählen, lässt Gauland natürlich unerwähnt. Erst recht lässt er unerwähnt, dass er und große Teile der Führungsriege seiner rechtsextremistischen Partei AfD zu genau dieser Klasse von Globalisierungsgewinnern und Medienelite gehören: Seine Kollegin im AfD-Fraktionsvorsitz, Alice Weidel, ist im schweizerischen Biel gemeldet, wo sie mit einer aus Sri Lanka stammenden Schweizer Film- und Fernsehproduzentin in einer eingetragenen Partnerschaft lebt, wie man ausgerechnet in der FAZ nachlesen kann. Gauland war nicht nur Parteifunktionär der CDU, sondern auch Medienmensch und Publizist, der beispielsweise Herausgeber der „Märkischen Allgemeinen“ war. Und während Gauland in der FAZ als Vertreter der Leute mit „schäbigen Renten“ auftreten darf, musste er doch unlängst zugeben, selbst gar kein Rentenkonzept zu haben.

Ein kluger Kopf?

Kommen wir zur FAZ: Schon der Rubrikentitel, unter dem Gauland in der FAZ veröffentlichen darf, ist irreführend. Wer sich „mit fremden Federn schmückt“, der macht sich Texte zu eigen, die nicht von ihm selbst stammen, sprich: er macht ein Plagiat. Will sich die FAZ den Text von Gauland zu eigen machen, sich gar mit ihm schmücken, wie man es mit Federschmuck eben gemeinhin tut? Wohl kaum. Will man sich an jene „bürgerliche Mitte“ anbiedern, die auch Gauland adressiert und die offenbar beide für ihr angestammtes Publikum halten? Da wollen wir hoffen, dass der FAZ-Leser und die FAZ-Leserin klüger sind als Gauland und die Verantwortlichen, die ihm die Spalten der FAZ geöffnet haben.

Dass FAS-Politik-Redakteur Thomas Gutschker auf den frei einsehbaren Onlineseiten der FAZ einen kritischen Kommentar zu der FAZ-Gauland-Kolumne hinterherschiebt (während der Gauland-Text nur im Bezahlbereich konsumierbar ist), macht die Sache nicht besser. Denn warum bietet eine Redaktion dem Vorsitzenden einer rechtsextremistischen Partei erst ihre Seiten und schmückt sich mit diesen „fremden Federn“, um dann eine Erwiderung hinterherzuschicken, um auf diese Weise den Gaulandtext wieder einzufangen und zu relativieren? Dies ist auch kein Beispiel für eine gepflegte Debattenkultur, denn diese Debatte ist ja selbst inszeniert und wäre gar nicht nötig, wenn die FAZ nicht sich mit den schmutzigen Federn eines auch noch selbsterklärten Rechtspopulisten schmücken würde.

Als Vater Daedalus seinem Sohn Ikarus falsche Federn angeklebt hat, hat dieser sich die Flügel verbrannt. Das war nicht sehr klug. Die FAZ kann mit ihrem Werbeslogan „Dahinter steckt immer ein kluger Kopf“ künftig nicht mehr antreten. Denn sie war auch nicht klug.

Nachtrag 10.10.2018: Im Tagesspiegel weist der Historiker Wolfgang Benz darauf hin, dass der Gauland-Text recht deutlich die Inhalte einer Hitler-Rede aus dem November 1933 widerspiegelt.

Afd-Frontfrau Alice Weidel will keine „Nazi-Schlampe“ sein


03 Mai
Extra3AfD

Christian Ehring, Moderator von Extra3 (NDR)

Die Partei „Alternative für Deutschland“ (AfD) will das NDR-Satire-Magazin Extra3 verklagen. Die beim AfD-Bundesparteitag in Köln zur neuen „Front“-Frau gewählte Alice Weidel erklärte ebendort:  „Die politische Korrektheit gehört auf den Müllhaufen der Geschichte.“ Extra2-Moderator Christian Ehring konterte darauf: „Jawohl, lasst uns alle unkorrekt sein. Da hat die Nazi-Schlampe doch recht“.

Die Frankfurter Rundschau kommentiert dies, in übrigens äußerst korrektem Deutsch:

„Selten ist bisher eine Forderung der AfD in einer Sendung des öffentlich-rechtlichen Programms so mustergültig umgesetzt worden. Ehring zeigte sehr präzise, was geschieht, wenn der Sprache das als „political correctness“ verhöhnte zivilisatorische Minimum  genommen und die Diffamierung des politischen Gegners zum umgangssprachlichen Standard erklärt wird. Das entsprach einerseits  – wenn auch nur im Wortsinn – der Forderung der AfD-Politikerin, andererseits war es allerberste Aufklärung: Nichts anderes ist die Aufgabe der Satire“.

Der entsprechende Ausschnitt der Sendung lässt sich (noch) bei YouTube ansehen:

Macht WDR Wahlwerbung für Rechtsextremisten?


28 Apr

Im Prinzip klingt es erst einmal ganz gut, was der WDR da zur Landtagswahl 2017 in Nordrhein-Westfalen veranstaltet hat:

Wir wollen (…) möglichst vollständig darüber informieren, wer sich in NRW eigentlich zur Wahl stellt. Jeder Bürger soll alle Kandidaten/innen aus seinem Wahlkreis in kurzen Videos vergleichen können.

Darum hat der WDR die 1329 KandidatInnen für einen Sitz im Düsseldorfer Landtag interviewt, und zwar standardisiert: Immer vier Minuten, immer dieselben Fragen.  Und all diese kleinen Wahlwerbespots hat der WDR auf seiner Internetseite Kandidatencheck ins Internet gestellt.

Quelle: wdr.de

Aber ist die Idee wirklich so gut? (mehr …)

Mit der AfD in den Karneval


25 Feb

Von der Knallcharge zum Büttenredner ist es ja, jedenfalls nach Meinung eingefleischter Karnevalshasser, nur ein kleiner Schritt. Das ZDF hat diesen Schritt nun sehr deutlich nachgezeichnet: In seiner Fernsehsitzung Karnevalissimo, die vergangenen Dienstag ausgestrahlt wurde, ließ der Mainzer Sender den Büttenredner Hans-Peter Faßbender alias „Dä Bundeswehrsoldat“ auftreten. Faßbender ist AfD-Mitglied und verbreitet auf seiner Facebook-Seite übelste Ausländerhetze, wie selbst die Bild-Zeitung kolportieren musste:

Ausschnitt: Bild-Zeitung

Ausschnitt: Bild-Zeitung

Der Mediendienst Meedia fasst den karnevalistisch-politischen Unglücksfall so zusammen:

Noch bedrückender als eine Karnevals-Show ist es allerdings, sich mit der Facebook-Seite von Hans-Peter Faßbender zu beschäftigen. Der Büttenredner selbst äußert sich dort zwar nur höchst selten, doch teilt er manisch die Beiträge anderer. Und die bestehen fast ausschließlich aus übelster Hetze, vor allem gegen Ausländer, und insbesondere gegen Flüchtlinge.

Der Branchendienst fasst die schlimmsten Entgleisungen im Facebook-Auftritt von Faßbender so zusammen:

„Schwarzafrikaner ersticht 22-Jährige auf offener Straße – es war wieder ein Asylbewerber“, „Flüchtling zerschneidet Omi Gesicht, vergewaltigt und beraubt sie – die Medien schweigen“, „Keine Betten für kranke Kinder, Sonderbehandlung für Asylanten: Schockierende Zustände in Berliner Krankenhäusern“. Wer die ekelhafteste Rechtspropaganda lesen will, die Frustrationsprosa der abgehängten Kleinbürger, das blinde Wüten mit Hilfe von Fake News gegen alles Fremde im Land, der ist auf der Facebook-Seite von Hans-Peter Faßbender genau richtig.

Das ZDF äußert lapidar, man habe von den rechten Entgleisungen Faßbenders nichts gewusst.

Auch der SWR wollte da, was das Hofieren der Faschisten Rechtspopulisten von der AfD angeht, nicht hintanstehen. Bei der Live-Übertragung von „Mainz bleibt Mainz“ am gestrigen Freitag im ARD-Programm begrüßte Sitzungspräsident Andreas Schmitt neben Regierungsmitgliedern und der rheinland-pfälzischen Oppositionsführerin Julia Klöckner (CDU) auch den rheinland-pfälzischen AfD-Vorsitzenden Uwe Junge. Der ehemalige Bundeswehrsoldat Junge entging einer Dienstaufsichtsbeschwerde wegen Beleidigung und Diskriminierung einer lesbischen Bundeswehrsoldatin nur deswegen, weil er wegen seines politischen Engagements den Dienst quittierte. Begrüßt werden bei solchen Gelegenheiten Ehrengäste, also Leute, denen man eine besondere Ehre erweisen will. Die ARD sieht es offensichtlich für erforderlich an, einem faschistischen rechtspopulistischen Hetzredner die Ehre zu erweisen. Prost Mahlzeit!

Es war Kabarettlegende Dieter Hildebrandt, der auf die Frage, ob es „rechtes Kabarett“ gebe, geantwortet haben soll: Ja, Büttenreden.

Das Lügenpressen-Märchen


19 Apr
luegenpresse

Screenshot: www.lügenpresse.de

Insbesondere aus Pegida- und AFD-Kreisen müssen sich Journalist/innen in der letzten Zeit den Vorwurf der Lügenpresse gefallen lassen. Gegen den pauschalen Vorwurf der Falschberichterstattung wehrt sich jetzt eine Gruppe von Journalisten und hat mit lügenpresse.de einen Anti-Lügenpressen-Blog gegründet.

„Über Monate haben wir Journalisten geschwiegen. Wir ließen uns beschimpfen und wehrten uns kaum. Wir ertrugen den Un-Sinn aller Montagsredner und waren fortan die ‚Lügenpresse‘. Überall! Im Fußball-Stadion, im Stadtgespräch, sogar im Familienkreis. Und viele dachten, das geht von allein wieder weg. Tut es aber nicht! Deshalb wird es Zeit, dass die ‚Lügenpresse‘ das Wort ergreift und wir unsere Version erzählen. Hier spricht also die ‚Lügenpresse‘!“

Hinter dem Blog steckt die DDV-Mediengruppe, die unter anderem die Sächsische Zeitung und die Dresdner Morgenpost herausgibt. Mit Sitz in Dresden kann man also sagen, dass die Macher im Herzen der Bestie stecken und vermutlich ganz persönlich getroffen sind von den unsachlichen Angriffen.

Auch der Deutsche Journalisten Verband (DJV) nimmt sich im Web des Themas an. Der Blog Augenzeugen.info sammelt Berichte von Journalist/innen, die in Ausübung ihrer Tätigkeit angegriffen worden sind.

luegenpresse_transcript_buchWer historische und wissenschaftliche Hintergründe zum Lügenpressen-Vorwurf nachlesen will, dem sei die Studie von John Seidler „Die Verschwörung der Massenmedien“ empfohlen. Seidler, der auch Dozent an der Kölner Sporthochschule ist, skizziert eine Kulturgeschichte angeblicher Medienverschwörungen vom Buchhändler-Komplott bis zum Lügenpresse-Vorwurf. Das Buch ist jüngst im Bielefelder Transcript-Verlag erschienen.

Anti-Medien-Blog

Die journalistische Notfallpraxis im Web von Hektor Haarkötter