Posts Tagged ‘Köln’

Trump, westliche Werte und Karnevalismus


11 Nov

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Am heutigen 11. im 11. beginnt in Köln der Karneval und die närrische Zeit. Manche meinen, in diesem Jahr hätte die närrische Zeit zwei Tage früher und nicht in Köln, sondern in den Vereinigten Staaten von Amerika begonnen. “Die Welt steht Kopf”, titelte, passend, die Tageszeitung Die Welt kompakt. Und das Boulevardblatt aus dem gleichen Hause, Bild, sprach vom “Trump-Schock”.

Die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel erklärt mit sorgenvollem Gesichtsausdruck, Deutschland und Amerika seien durch Werte verbunden, “Demokratie, Freiheit, den Respekt vor dem Recht und der Würde des Menschen – unabhängig von Herkunft, Hautfarbe, Religion, Geschlecht, sexueller Orientierung oder politischer Einstellung”. (mehr …)

Kölner Express illegal


26 Apr

Express_illegal_smallLegal, illegal, scheißegal: Der Kölner Express, ein Boulevardblatt, das eigenartigerweise immer für die „bessere“ Bildzeitung gehalten wird, ist eigentlich unverdächtig, zur Spontiszene zu gehören. Aber für eine knackige Schlagzeile, die einen Wirkungstreffer in die Logik der deutschen Sprache erzielt, ist man sich beim Express dennoch nie zu schade.

So auch in diesem Fall: Zwei junge Männer haben sich im nächtlichen Köln in ihren Mercedes- und BMW-Autos ein Kräftemessen geliefert, einer verlor die Kontrolle über das Fahrzeug, erfasste eine 19-jährige Radfahrerin, die an den Folgen verstarb. Die Bewährungsurteile stießen nicht überall auf Verständnis. Das Gericht schätzte das Geschehen aber nicht als verabredetes Autorennen ein.

Den Kölner Express ficht das nicht an. In seiner Spekulation auf die brodelnde Volksseele verursacht das Boulevardblatt gleich noch einen eigenen Unfall und fordert: „Gesetz gegen illegale Rennen“.

Wie nun? Wenn die Rennen „illegal“ sind, dann sind sie schon gegen das Gesetz. Das Wort kommt nämlich vom lateinischen lex = Gesetz. Ein Gesetz gegen „illegale Rennen“ wäre also eines, das diese Rennen wieder erlauben würde. Das ist ziemlich illegal gedacht, es verstößt zwar nicht gegen das Strafrecht, aber doch gegen fundamentale Denkgesetze.

Ein Gesetz gegen niederen Blödsinn, das wäre einmal etwas.

 

Dreimal Null is Null bleev Null


09 Feb

bläckföössKarnevalssitzungen im Fernsehen

Die Kölner Karnevalsband „Bläck Fööss“ ist Legende. Jetzt hat Gründungsmitglied Erry Stoklosa bekannt gegeben, dass die Kapelle künftig in Fernsehsitzungen nicht mehr auftreten möchte. Die „Fööss“ waren nämlich mit der Präsentation ihres Auftritts in der ZDF-Mädchensitzung überhaupt nicht einverstanden.

Normalerweise treten Bands in Kölner Karnevalssitzungen für ca. 20 Minuten auf und können in dieser Zeit fünf bis sechs ihrer Lieder spielen. Da heizt man dann mit den eigenen Evergreens die Stimmung an, um dann das ein oder andere neukomponierte Stück unterzujubeln.

Das ZDF allerdings hatte pro Band nur ein einziges Lied übertragen. Im Falle der „Fööss“ war das eines der neuen Sessionslieder, die zum Zeitpunkt der Fernsehaufzeichnung niemand kannte. Der Fernsehzuschauer musste den Eindruck gewinnen, dass die Kultband „Bläck Fööss“ ein Stimmungsversenker ist.

Bemerkenswert ist die Begründung, die der Vizepräsident des Kölner Festkomitees gegeben hat:

„Es geht um Einschaltquoten. Untersuchen haben ergeben, dass bei Musikbeiträgen rund eine Million Zuschauer wegschalten. Die Sender würden am liebsten nur Redner zeigen“.

Die ZDF-Mädchensitzung hatte eine Einschaltquote von 14,5%. Das macht umgerechnet ca. 4,5 Millionen Zuschauer. Rechnet man das weiter, bedeutet das, dass schon beim Auftritt der fünften Karnevalskapelle die Zuschauerzahlen sich im Minusbereich bewegen. Oder anders ausgedrückt: Weniger Zuschauer als Einschalter. Oder auf kölsch: Dreimal Null ist Null bleev Null.

Bei normalen Karnevalssitzungen, die nicht im Fernsehen ausgestrahlt werden, ist es übrigens gerade umgekehrt: Da haben es die Redner sehr schwer, während das Publikum bei den Musikgigs richtig „abgeht“. Köln stellt halt alles auf den Kopp …

 

Kölner Silvesternacht: Polizei und Medien sind auf den Hund gekommen


09 Jan
Kölner Polizei ist auf den Hunde gekommen? (Foto: Haarkötter)

Ist die Kölner Polizei auf den Hund gekommen? (Foto: Haarkötter)

Irgendwie kann ich mich des Eindrucks nicht erwehren, dass die Übergriffe und Geschehnisse einer Silvesternacht rund um den Kölner Hauptbahnhof gerade zur rechten Zeit passierten. Diejenigen, die ohnehin schon immer der Meinung waren, dass die arabischen Flüchtlinge, die vermehrt seit letztem Jahr nach Deutschland gekommen sind, frauenfeindliche und gesetzesbrecherische Subjekte seien, dürfen jetzt ihre Urteile und vor allem ihre Vorurteile bestätigt fühlen. Andere bilden diese Vorurteile jetzt vielleicht allmählich aus.

Was mich aber verwundert, ist das gewaltige Medienecho, dass die Ereignisse mit extremer Zeitverzögerung hervorrufen. Es scheint doch fast, nicht nur die Kölner Polizei und ihr mittlerweile beurlaubter Polizeipräsident Albers, sondern auch größere Teile der Medien seien auf den Hund gekommen. Schließlich ist die Informationslage nach wie vor spärlich: Offenbar waren in der Kölner Silvesternacht nicht nur keine (oder kaum) Polizisten in der Millionenstadt am Rhein unterwegs, sondern auch keine Journalisten — obwohl gefühlt doch jeder Zweite in dieser Stadt „irgendwas mit Medien“ macht.

Das Zweite Deutsche Fernsehen (ZDF) meinte sogar, sich entschuldigen zu müssen, weil sie „zu spät“ über das Geschehene berichtet haben:
ZDF_Entschuldigung_FB2016Eigentümlich auch die Berichterstattung des Kölner Stadtanzeigers. Immerhin hat er (anders als das ZDF) schon in seiner Montagsausgabe berichtet, und dabei sogar bereits das Verhalten der Polizisten thematisiert. Doch der Aufmacher der folgenden Freitagsausgabe ließ mich doch die Stirn kratzen. „Herkunft von Verdächtigen in Köln vertuscht“ behauptet die Schlagzeile. In der Zeile darunter heißt es dann aber: „Interne Polizeimeldung wurde bewusst entschärft“. Aber ist denn „vertuschen“ dasselbe wie „entschärfen“?

 

KStA Silvestersmall

Immerhin kann es ja gute Gründe geben, Meldungen zu entschärfen. Etwa um rechten Scharfmachern nicht noch mehr Zunder zu geben. Oder um bestimmte gesellschaftliche Konflikte nicht weiter eskalieren zu lassen. Oder womöglich schlicht, weil etwa die Herkunft von Straftätern schlicht irrelevant für die Straftat ist.

Bei sexuellen Belästigungen könnte es sich immerhin so verhalten. Bemüht man die Statistik (bspw. die des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend), so haben über 58% aller Frauen in Deutschland bereits Situationen sexueller Belästigung erlebt. In den seltensten Fällen waren die Belästiger ausländischer Herkunft. Soll man denn nun Männer deutscher Herkunft, die Frauen sexuell belästigen, auch in sichere oder unsichere Drittstaaten abschieben? Das könnte zu einer erheblichen Dezimierung der männlichen Bevölkerung Deutschlands führen — und ich mutmaße, in den Reihen von Pegida, AFD & Art- sowie Parteigenossen, naja, auch.

Petra Sorge vom Magazin Cicero weist darauf hin, dass die schlechte Informationslage zu gewagten, vor allem aber zu Falschinterpretationen der Medien geführt hat:

Gegen 21 Uhr fielen nach Polizeiangaben etwa 400 Männer auf dem Bahnhofsvorplatz auf, weil sie stark alkoholisiert waren und mit Feuerwerkskörpern auf Passanten schossen. Die Gruppe wuchs bis 23 Uhr auf 1000 Personen an. In keiner der drei bislang veröffentlichten Pressemitteilungen ging die Polizei auf diese große Zahl ein; die Aussage fiel lediglich mündlich auf der Pressekonferenz.Dass diese Zahlen bislang nicht bestätigt sind, darauf wiesen nur wenige Medien hin. Vielerorts wurde die Aussage indes verkürzt. Bei Stern.de heißt es in einer Meldung: „Etwa 1000 Männer versammelten sich in der Silvesternacht am Kölner Hauptbahnhof. In Gruppen haben sie Frauen umzingelt, sexuell belästigt und ausgeraubt.“

Nein, es waren nicht alle Männer an allen Straftaten beteiligt, wie das diese Nachricht suggeriert, oder wie es die Deutschen Wirtschafts-Nachrichten direkt behaupteten: „Etwa 1.000 Männer haben Frauen belästigt.“ Es sind gefährliche Falschmeldungen, die sich ins öffentliche Gedächtnis fräsen.

Aber gerade das enorme internationale Medienecho ist, so steht zu vermuten, auch durch diese scheinbar großen Zahlen aufgekommen. Etwas mediale Zurückhaltung hätte hier gut getan. Man kommt ja heutzutage so schnell auf den Hund.

Kölner Polizei beim G8-Gipfel (Foto: Haarkötter)

Kölner Polizei beim G8-Gipfel (Foto: Haarkötter)

Kölner Stadtanzeiger: Es geht auch anders


22 Jan

Ich ärgere mich ja öfter mal über den Kölner Stadtanzeiger, aber wer tut das nicht bezüglich seiner Regional- und Heimatzeitung. Aber es gibt natürlich in jeder Redaktion auch Kolleg/innen, die schlichtweg einen guten Job machen. Und so gibt es auch beim Stadtanzeiger eine Reihe von Autor/innen, die einfach nur gut schreiben können. Steter Quell‘ sprachlicher Freude ist mir da Kulturredakteur Markus Schwering. Allein seine Kritik des David Garrett-Konzerts in der KölnArena trieb mir Tränen in die Augen. Neues Bravourstück ist eine kleine Musikkritik zu einem Auftritt der Academy of St. Martin in the Fields  in der Kölner Philharmonie. Wo drückt man sich in deutschen Zeitungen schon noch so aus, wie Markus Schwering es tut, wenn er sich über den Konzertmeister Joshua Bell mokiert:

„Auch Bells Soloauftritt in der Mozart-Concertanten konnte nicht rundum überzeugen: In den schnellen Sätzen verdross immer wieder eine flüchtige, eilende, leicht hudelnde Tongebung – was zumal deshalb auffiel, weil sich der Bratschenpartner Lawrence Power einer sehr sorgfältigen, sonoren Formulierung seines Parts befleißigte. In besagtem c-Moll-Andante wichen dann aber alle Schatten: Der klagend-innige Zwiegesang der beiden erwies diesem mirakulösen Satz alle Ehre.“

Encore …

Kölner Stadtanzeiger: Sag‘ mir, wo die Brücken blüh’n


02 Jul

Dass die Stadt Köln eine Dauerbaustelle ist, das ist seit Dombau-Zeiten ein Allgemeinplatz. Da kann man natürlich schon mal durcheinander kommen. So ist es heute auch dem Kölner Stadtanzeiger gegangen. Eine Baustelle an einem Tunnel zur Kölner Zoobrücke, einer Hauptverkehrsader der Stadt, wurde laut Stadtanzeiger zweimal gebaut: Einmal 1969 und einmal 1970.

Ausschnitt: Kölner Stadtanzeiger Online

Ausschnitt: Kölner Stadtanzeiger Online

Dass ein Tunnel, der erst 1970 gebaut wurde, schon 1969 eröffnet worden ist: dat jiddet nur in Kölle …

Rechenschwäche: Kölner Express vergleicht Äpfel- mit Birnbäumen


09 Aug

Man soll ja nicht Äpfel mit Birnen vergleichen. Aber der Kölner Express tut es doch, oder jedenfalls Apfel- mit Birnbäumen:

„Fast 90 Prozent der knapp fünf Millionen Obstbäume für den kommerziellen Anbau in NRW sind Apfelbäume“.

Begleitet wird diese statistische Angabe von folgender Tabelle:

Quelle: Express vom 09.08.2012

Zusammengerechnet ergibt sich eine Gesamtfläche von 2225 Hektar Obstbäumen. Würden Apfelbäume flächenmäßig wirklich, wie der Express ja behauptet, 90 Prozent davon einnehmen, wären das aber 2002 Hektar. Davon sind die nordrheinwestfälischen Apfelbäume aber offenbar weit entfernt. Man könnte noch überlegen, ob in der Meldung die „Zahl“ der Bäume und nicht die Fläche gemeint sind — und es könnte ja sein, dass auf einen Hektar Gartenland mehr Apfelbäume passen als andere Obstbäume. Glaubt man allerdings den gartenbaulichen Angaben auf dieser Seite, ist das gerade nicht der Fall: Demnach benötigen Apfelbäume sogar besonders viel Platz im Garten (12 x 12 m pro Baum) im Vergleich zu Kirsche (4 x 4 m), Pflaume (6 x 6) oder auch der Birne (8 x 8). Wie man den Apfel dreht und wendet, der Express hat hier wohl in den sauren Apfel gebissen und großen Unsinn verzapft.

Wenn eine, Journalisten ohnehin nachgesagte, Rechenschwäche auf übertriebenes Selbstbewusstsein trifft, wie es beim Kölner Express der Fall ist, rückt man eine solche Meldung nebst Tabelle auch noch auf die Titelseite.

Art Cologne: Von wegen Postmedienzeitalter


23 Apr

Gestern ging in Köln die Art Cologne zu Ende, die „größte deutsche Kunstmesse“, wie Journalisten das dann gerne nennen. Und hier im weitläufigen Kölner Messegelände, in dem die kreative Avantguarde sich präsentiert, müsste doch jene These vom Postmedienzeitalter sich beweisen, die insbesondere in der Kunstwissenschaft ihren Ausgang genommen hat. Doch weit gefehlt: Es flimmerte, rauschte, fiepte und klapperte, was der mediale Zeitgeist nur hergab.

Der österreichische Künstler Albert Mayr installiert alles, was nur irgendwie nach Medien aussieht: Bildschirme, Mikrophone, Stative, Lautsprecher, alle werden ihrer eigentlichen medialen Funktion beraubt und auf ihre dekorative Funktion reduziert. Die TV-Installation von Edward und Nancy Kienholz zeigen die Vergangenheit einer Zukunft, den Monitor von gestern, mit dem man sich einst die Zukunft vorstellte:

Kein Wunder, dass die Kölner Kunsthochschule für Medien ihre eigene Abteilung auf der Art Cologne hatte. Es wird wohl noch eine Zeit dauern, bis aus der Einreichung eine Kunsthochschule für Postmedien werden wird.

 

 

Medien: Ein- und Ausgänge


28 Okt

Wer Zugang zu Medien sucht, kann im Kölner Stadtwald fündig werden:

Aber wie kommt man aus den Medien wieder raus? Wo ist der „Ausgang Medien“?

 

 

Besser schlecht autofahren als schlecht rechnen


20 Sep

Ausschnitt: KStA vom 13.09.2011

Für den Leser des Kölner Stadtanzeigers ist der Fall klar: Autokennzeichen „BM“ (= Bergheim) steht für „bereifte Mörder“. „SU“ (=Siegburg) heißt „suche Unfall“. Und „EU“ (=Euskirchen) bedeutet „Esel unterwegs“. Doch die Statistik der deutschen Autoversicherer spricht eine andere Sprache, und da tut der Kölner Stadtanzeiger fraglos einen guten Dienst in Sachen Aufklärung: Alle ungeliebten Nachbarn liegen in bei den Autoversicherern besser als die Kölner Autofahrer. Doch kennt der Kölner sich offenbar im Autofahren ebenso wenig gut aus wie in Statistik. Denn die Begründung der Journalisten vom Kölner Stadtanzeiger lautet so:

Köln ist eine Millionenstadt mit sehr dichtem Verkehr. Da fahren eben viel mehr Autos als auf dem platten Land des Rhein-Erft-Kreises, also passiert auch mehr.

Das kann man statistisch so natürlich nicht stehenlassen: Der dichte Verkehr taugt nur als Begründung für ein Mehr an Unfällen in ganzen Zahlen, nicht aber prozentual. Bei einer Unfallwahrscheinlichkeit von, sagen wir: 10 % gäbe es dann beispielsweise am Tag auf dem Land 5 Unfälle und in der Stadt vielleicht 50. Das würde aber nichts an der Tatsache ändern, dass hier wie da 10 % der Autofahrer in einen Verkehrsunfall verwickelt wären. Da wären noch Zusatzannahmen nötig wie: Die Wahrscheinlichkeit von Auffahrunfällen ist bei dichtem Verkehr höher o.ä.

Quintessenz: Im Autofahren sind die Kölner genau so gut wie in Statistik. Armes Schutzblech!

Anti-Medien-Blog

Die journalistische Notfallpraxis im Web von Hektor Haarkötter