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Mit der AfD in den Karneval


25 Feb

Von der Knallcharge zum Büttenredner ist es ja, jedenfalls nach Meinung eingefleischter Karnevalshasser, nur ein kleiner Schritt. Das ZDF hat diesen Schritt nun sehr deutlich nachgezeichnet: In seiner Fernsehsitzung Karnevalissimo, die vergangenen Dienstag ausgestrahlt wurde, ließ der Mainzer Sender den Büttenredner Hans-Peter Faßbender alias „Dä Bundeswehrsoldat“ auftreten. Faßbender ist AfD-Mitglied und verbreitet auf seiner Facebook-Seite übelste Ausländerhetze, wie selbst die Bild-Zeitung kolportieren musste:

Ausschnitt: Bild-Zeitung

Ausschnitt: Bild-Zeitung

Der Mediendienst Meedia fasst den karnevalistisch-politischen Unglücksfall so zusammen:

Noch bedrückender als eine Karnevals-Show ist es allerdings, sich mit der Facebook-Seite von Hans-Peter Faßbender zu beschäftigen. Der Büttenredner selbst äußert sich dort zwar nur höchst selten, doch teilt er manisch die Beiträge anderer. Und die bestehen fast ausschließlich aus übelster Hetze, vor allem gegen Ausländer, und insbesondere gegen Flüchtlinge.

Der Branchendienst fasst die schlimmsten Entgleisungen im Facebook-Auftritt von Faßbender so zusammen:

„Schwarzafrikaner ersticht 22-Jährige auf offener Straße – es war wieder ein Asylbewerber“, „Flüchtling zerschneidet Omi Gesicht, vergewaltigt und beraubt sie – die Medien schweigen“, „Keine Betten für kranke Kinder, Sonderbehandlung für Asylanten: Schockierende Zustände in Berliner Krankenhäusern“. Wer die ekelhafteste Rechtspropaganda lesen will, die Frustrationsprosa der abgehängten Kleinbürger, das blinde Wüten mit Hilfe von Fake News gegen alles Fremde im Land, der ist auf der Facebook-Seite von Hans-Peter Faßbender genau richtig.

Das ZDF äußert lapidar, man habe von den rechten Entgleisungen Faßbenders nichts gewusst.

Auch der SWR wollte da, was das Hofieren der Faschisten Rechtspopulisten von der AfD angeht, nicht hintanstehen. Bei der Live-Übertragung von „Mainz bleibt Mainz“ am gestrigen Freitag im ARD-Programm begrüßte Sitzungspräsident Andreas Schmitt neben Regierungsmitgliedern und der rheinland-pfälzischen Oppositionsführerin Julia Klöckner (CDU) auch den rheinland-pfälzischen AfD-Vorsitzenden Uwe Junge. Der ehemalige Bundeswehrsoldat Junge entging einer Dienstaufsichtsbeschwerde wegen Beleidigung und Diskriminierung einer lesbischen Bundeswehrsoldatin nur deswegen, weil er wegen seines politischen Engagements den Dienst quittierte. Begrüßt werden bei solchen Gelegenheiten Ehrengäste, also Leute, denen man eine besondere Ehre erweisen will. Die ARD sieht es offensichtlich für erforderlich an, einem faschistischen rechtspopulistischen Hetzredner die Ehre zu erweisen. Prost Mahlzeit!

Es war Kabarettlegende Dieter Hildebrandt, der auf die Frage, ob es „rechtes Kabarett“ gebe, geantwortet haben soll: Ja, Büttenreden.

Kölner Stadtanzeiger: Trennung von Bericht und Kommentar nicht so wichtig


23 Jul

Die Trennung von Bericht und Kommentar im Journalismus ist in Deutschland erst jüngeren Datums. Schon lange vor der NS-Zeit war Presse hierzulande Meinungspresse, häufig sogar Parteipresse. Erst nach dem Zweiten Weltkrieg hat man sich in (West-)Deutschland dem anglo-amerikanischen Stil der objektiverenden Berichterstattung mit klarer Trennung von berichtenden Darstellungsformen und solchen eher meinungsbildenden (oder: -formulierenden) Typs angepasst. Jedenfalls auf dem Papier. Oder noch nicht mal da?

Jedenfalls ist diese Trennung im Alltag schwer aufrechtzuerhalten. Was ist eine Wertung? Was ist eine Meinung? Und was ist keine? Hinter jeder Vokabel kann eine Wertung stecken, jedes Adjektiv ist die auch subjektive Beimessung von Eigenschaften, die jemand anders eben, naja, anders sehen könnte.

Auch der Kölner Stadtanzeiger gibt vor, Kommentar und Bericht zu trennen. So gibt es eine eigene Seite im ersten Buch, meistens die Seite 4, die explizit „Meinung“ überschrieben ist. Und auch im Sportteil, etwa in der gestrigen Ausgabe, gab es einen Text, der mit „Kommentar“ gekennzeichnet war: Es war eine Stellungnahme von Sportredakteur Frank Nägele zum Wechsel des Fußballers Mario Götze zu Borussia Dortmund. Auf der gleichen Seite des Sportteils gab es aber auch einen Beitrag über die Bezahlung von TV-Experten bei Fußballübertragungen von Cristiane Mitatselis unter der Überschrift „Neues aus der Welt der überbezahlten Experten“.

Als Kommentar ist dieser Beitrag nicht gekennzeichnet. Es soll sich also wohl um einen sachlichen, „objektiven“ Bericht handeln. Schon diese Überschrift macht jedoch stutzig, weil das Adjektiv „überbezahlt“ natürlich eine ziemlich starke Wertung enthält. Und dann findet man im vorletzten Absatz eine ganze Reihe Fragen:

Fußball ist der Sport, den alle sehen wollen. Aber müssen auch die Kosten rundherum so hoch sein? Müssen die Sender Stars um jeden Preis einkaufen? Müssen sie den Gehalts-Irrsinn, der den Profi-Fußball beherrscht, in den TV-Bereich übertragen? Sollten sie nicht vielmehr nachvollziehbare Honorar-Sätze festlegen – und im Zweifelfall auf teure Stars verzichten?

Der Fragesatz ist in journalistischen Texten besonders intrikat: Wer etwas zu berichten hat, der spricht in Aussagesätzen, nicht in Fragesätzen. Was also machen Fragen, außerhalb von Interviews, überhaupt in journalistischen Texten? Haben sie dort etwas zu suchen? Sollte jemand fragen stellen, der nur Tatsachen konstatieren möchte?

Nein. Wer Fragen stellt der wertet, er stellt nämlich etwas in Frage. Die journalistische Frage ist darum ein versteckter Kommentar. Nicht nur implizit, sondern explizit macht die Autorin dann so meinungsschwanger weiter:

Für ARD und ZDF müsste Transparenz verpflichtend sein. Sie sollten erläutern, welche Personalpolitik sie verfolgen. Das beleidigte Schweigen der Sender kann nicht die Antwort sein. So wird es neue Enthüllungen geben, neue schockierende Honorar-Zahlen. Und immer mehr zu recht empörte Zuschauer.

„Müssen“, „sollen“, „schockierend“, „empört“: Die Sachebene neutraler Berichterstattung ist hier längst verlassen. Hier werden nicht Tatsachen dargestellt, sondern Handlungsmaximen formuliert, Empfehlungen gegeben, Normen aufgestellt. Das ist prinzipiell nicht ungehörig, sollte dann aber eben doch als Meinungsbeitrag kenntlich gemacht werden: Das wäre fair dem Leser und der Leserin gegenüber. Geschmäckle bekommt ein solch tendenziöser Beitrag dadurch, dass Zeitungsverlage gegenüber Fernsehsendern ja keine neutralen Beobachter sind, sondern sich häufig als Konkurrenten oder gar Gegner verstehen — Stichwort Tagesschau-App, Verleger-Fernsehen, Lokalberichterstattung etc.

Zeitungen dürfen und sollen Fernsehsender kritisieren, öffentlich-rechtliche zumal. Aber sie sollten ihre Kritik dann auch als solche kenntlich machen. Sonst geht der (Tor-)Schuss nach hinten los.

Postscript: Das an dieser Stelle verwendete Foto von Günter Netzer und Gerhard Delling vor einer ARD-Wand habe ich zwischenzeitlich entfernt. Die „dpa-Picture Alliance“ fand es angemessen, Rechte an diesem Bild zu reklamieren und mich deswegen abzumahnen. Schade, dass die Deutsche Presse-Agentur (dpa) auf diese Weise mit Bloggern umgehen muss, die nicht-kommerzielle Seiten führen, um dem Journalismus qualitativ ein bisschen auf die Sprünge zu helfen.

Immer diese Plasbergs: Jetzt auch noch Sexismus?


25 Aug

hartaberfairWer im Fernsehen gerne beweisen will, dass er einen Harten hat, der könnte beispielsweise eine Sendung namens „Hart aber fair“ erfinden. Er könnte dann behaupten, sich in dieser Sendung mit der Gleichberechtigung zu beschäftigen. Er könnte diese Sendung unheimlich provokativ „Nieder mit den Ampelmännchen – Deutschland im Gleichheitswahn?“ nennen. Und er könnte eine unerklärliche, aber für ARD-Talkshows typische Zusammenstellung von Gesprächsgästen einladen, von denen die wenigsten im Thema irgendwie ausgewiesen sind, aber dafür gut aussehen (wie approximativ die Schauspielerin Sophia Tomalla) oder nicht einmal das (FDP-Politiker Wolfgang Kubicki).

Ach, das hat wirklich jemand getan? Ja, es war wieder einmal TV-Moderator Frank Plasberg, der sich die Fettnäpfchen einfach nicht verbieten lassen will. Er hat sogar zu allem gleichstellerischen Überfluss noch die Buchautorin Birgit Kelle herangezogen, die dankenswerterweise ein Buch mit dem bezeichnenden Titel «Gender gaga» verfasst hat. Neben der Feministin Anne Wizorek fand dann noch der Grüne Spitzenpolitiker Anton Hofreiter Platz in der illustren Runde (O-Ton Kubicki zu dem langhaarigen Politiker: „Sie sehen ja schon gendermäßig aus“): Fertig gebacken ist die Talksendung nach dem ARD-Rezeptbuch „Viel Krawall um nichts in werbefreiem Programmumfeld“.

Zu den zahlreichen Kritikern und Kritikerinnen der Sendung zählte unter anderem der Deutsche Frauenrat, der nicht nur die Auswahl der Gäste monierte (aufgrund der „eine faire Diskussion über Geschlechterforschung“ nicht möglich gewesen sei), sondern auch den Moderationsstil von Frank Plasberg selbst, der es sich nicht nehmen ließ, mit einigen Zoten zur Versachlichung der Debatte nicht beizutragen. Der Frauenrat weiter:

„Bereits in der Anmoderation verließ Herr Plasberg den Standpunkt des neutralen Moderators, indem er 190 Genderprofessuren als ‚Alltagswahnsinn‘ bezeichnete … Ampelmännchen, Unisextoiletten und brünftige Hirsche werden herausgestellt, um das gesamte Themenspektrum um Geschlechterforschung und Gleichstellungspolitik gezielt lächerlich zu machen.“

Der Blog Genderfail nennt diese „Hart aber fair“-Folge einen „journalistischen Totalausfall“:

Frank Plasbergs montägige Ausgabe seiner Sendung Hart aber fair zum Thema Gender Mainstreaming war eine Machtdemonstration par excellence und ein Tiefpunkt des Journalismus im öffentlich-rechtlichen Fernsehen. Der 57jährige Moderator zeigte dort, dass ihm jeglicher Sinn für den journalistischen Kodex abhanden gekommen ist.

Der Blog geht insbesondere auf die Behauptung Plasbergs in seiner Anmoderation ein, dass es in Deutschland 190 Genderprofessuren gebe. „Hart aber fair“ brüstet sich ja gerne, Faktencheck zu betreiben. Dieser Check sieht aber bei der Plasberg’schen Moderationskunst eher trübe aus:

Nein, es sind nicht 190 Professoren und Professorinnen, die Genderforschung in Deutschland betreiben, wie Herr Plasberg gezielt übertrieb, sondern 15 explizite Gender-Lehrstühle (die anderen 165 Personen befassen sich mit Fragen der Geschlechter innerhalb ihrer jeweiligen anderen Disziplinen).

Merke: Ein Gynäkologe beschäftigt sich zwar auch mit dem Geschlechterunterschied, hat deswegen aber keine „Genderprofessur“. Der Programmausschuss des WDR-Rundfunkrats wies die eingegangene Programmbeschwerde zwar zurück. Gleichzeitig wird aber auf seine Empfehlung hin die inkriminierte Sendung aus dem Verkehr der ARD-Mediathek gezogen — was nun hinwiederum Bild-Online-Chef Julian Reichelt für „Irsinn“ hält.

Immerhin, so selbstbezüglich sind Plasberg und seine „Hart aber fair“-Redaktion dann doch, dass sie das Thema und damit sich selbst in der nächsten Sendung Anfang September wieder auf die Tagesordnung heben wollen. Auf die Gäste sind wir jetzt schon gespannt.

Darf man zu „Hart aber fair“ hart, aber fair sein?


28 Jul

Das Onlinemagazin Vocer ist ausweislich seiner Selbstdarstellung ein „Think Tank zur (sic!) Medienkritik“, zu deutsch also ein Denk-Panzer. Wie ein Panzer rollt Vocer allerdings über diejenigen hinweg, die tatsächlich einmal substanziell Medienkritik betreiben. Was die aktuelle Auseinandersetzung um die Produktionsfirma „Ansager & Schnipselmann“ von Frank Plasberg angeht, die die Produktion der ARD-Talksendung „Hart aber fair“ mit Lobbyarbeit  für die Versicherungswirtschaft vermischt, geht Vocer nicht den medienkritischen Weg, sondern versucht im Gegenteil, den Kritiker (in diesem Fall mich) persönlich zu diskreditieren. Ich könnte über diese Aberration des Kritikbegriffs einfach hinweggehen getreu dem alten Strauß-Dictum: „Was stört es die deutsche Eiche, wenn sich das Wildschwein an ihr kratzt“. Ich nehme hier dennoch Stellung, weil das Lehrstück, das aufgeführt wird, eindrucksvoll bezeugt, wie Lobby- und PR-Arbeit heute in Deutschland funktioniert. Und wie selbst ein Denk-Panzer wie Vocer sich in ihren Dienst stellen lässt.

Der Autor der Medienkritik-kritischen Zeilen ist ein Kölner Anwalt namens Prof. Dr. Ralf Höcker. Eine durchaus illustre Persönlichkeit, die beispielsweise Jörg Kachelmann gegen die Bild-Zeitung und den Springer-Verlag vertritt: Im Namen des Wetterjournalisten will Höcker von Springer die Rekordsumme von 3,25 Mio. € erstreiten. Dass Anwalt Höcker auf Vocer zu einer Story Stellung nehmen darf, die vom Springerblatt „Bild am Sonntag“ aufgedeckt wurde, sollte nicht unerwähnt bleiben. Auch in einer anderen Geschichte, in der die Springer-Tageszeitung „Die Welt“ und Anwalt Höcker aneinander gerieten, bemerkte der Branchendienst Meedia: „Der Anwalt Ralf Höcker und die Axel Springer AG werden vermutlich keine Freunde mehr“.

Aber Ralf Höcker vertritt nicht nur Jörg Kachelmann. Er hat sich, laut Selbstdarstellung seiner Kölner Anwaltskanzlei, unter anderem auf die juristische Vertretung von Unternehmen aus der Finanzdienstleistungsbranche spezialisiert. Ein Kenner der Szene drückt es etwas salopper aus: Höcker vertrete „nebenbei noch die halbe Versicherungsbranche“.

Was heißt eigentlich „nebenbei“? Das soll wohl heißen, Ralf Höcker hat noch andere Beschäftigungen. Zum Beispiel tritt er gerne in Fernsehsendungen auf. Eine dieser Sendungen, in denen Anwalt Höcker mit einer schönen Regelmäßigkeit auftritt, ist gerade die ARD-Talksendung „Hart aber fair“ von Frank Plasberg. Dort war er etwa am 20.04.2015, 30.03.2015, 27.02.2012 oder am 01.07.2011 zu erleben. Ein Anwalt wie Höcker tritt vermutlich in solchen reichweitenstarken ARD-Sendungen auf, um seine ganze juristische Expertise gemeinwohlorientiert unter die Leute zu bringen. Man darf aber an dieser Stelle durchaus auch erwähnen und ein kleines bisschen mutmaßen, dass Fernsehauftritte von Anwälten, die laut Bundesrechtsanwaltsordnung einem Werbeverbot unterliegen, durchaus auch geschäftliche Vorteile mit sich bringen. Dies wäre übrigens ein Zusammenhang, den zu beleuchten dem „Think Tank zur (!) Medienkritik“ Vocer sehr gut zu Gesicht gestanden hätte. Indes, man hat lieber Versicherungs-Rechtsanwalt und „Hart aber fair“-Talkgast Ralf Höcker das Feld überlassen in einer Geschichte, in der es um Lobby-Arbeit für die Versicherungswirtschaft auf dem Briefpapier der „Hart aber fair“-Redaktion geht. Der metaphorische Ausdruck „Denk-Panzer“ bekommt hier eine ganz wörtliche Bedeutung!

Warum Talkshows outgesourct werden

Wie sieht nun der „Hart aber fair“-Fall nach der auf Vocer veröffentlichten Meinung aus? Ungefähr so:

Die Signatur war falsch, weil der Mann den Brief nicht in seiner Funktion als ´Hart aber fair´-Redakteur schrieb, sondern als Mitarbeiter von Frank Plasbergs Firma Ansager & Schnipselmann. Die produziert die bekannte ARD-Talkshow 34 mal im Jahr. Während der Monate, in denen ´Hart aber fair´ nicht läuft, meldet Ansager & Schnipselmann bei der Agentur für Arbeit nicht etwa Kurzarbeit für die saisonarbeitslosen Redakteure an, sondern lässt sie zum Beispiel Gäste für Diskussionsveranstaltungen des GDV (Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft) einladen.

Das ist natürlich rührend formuliert, geht aber an der Medienrealität vorbei. Die schöne Geschichte nach Höcker und Vocer geht so weiter:

Ob der Redakteur die Signatur am PC selbst eingefügt hat oder dies ein Versehen einer Schreibkraft war, die aus Gewohnheit die falsche Vorlage verwendet hat, kann dahinstehen. Er hat das Missgeschick jedenfalls nicht bemerkt. Das und nur das war sein Fehler. Vorsatz wird man ihm dabei nicht unterstellen können, denn es ist unrealistisch, dass ein erfahrener Politikredakteur sich bewusst angreifbar macht, indem er ohne Not zur offenkundig falschen Signatur greift.

Ist das wirklich Vocers heiliger Ernst? Ein kleines Missgeschick, ein Versehen, alles reiner Zufall? Ein Bundeswirtschaftsminister namens Möllemann musste mal vom Amt zurücktreten, weil er auf dem Briefpapier seines Ministeriums für Einkaufswagen-Chips warb, die sein Vetter herstellte. Der „erfahrene Politikredakteur“ erinnert sich bestimmt auch daran. Die vorgebliche Naivität des „Hart aber fair“-Talkgasts und Versicherungs-Rechtsbeistands Ralf Höcker ist als rhetorisches Manöver ja noch nachvollziehbar. Aber was treibt das medienkritische Debattenforum Vocer um? Eine medienkritische Fragestellung wäre: Warum werden die Produktionen der ARD-Talkshows eigentlich in Privatfirmen outgesourct? Wenn groß Spielfilmproduktionen oder die Tatort-Krimis von privaten Produzenten oder Tochterfirmen hergestellt werden, kann das sinnvoll sein. Denn solche Großereignisse würden unter Umständen zu viele hauseigene Ressourcen binden und die tagesaktuelle journalistische Fernsehproduktion beeinträchtigen. Aber Talkshows, für die man drei Kameras und vier Mikrophone braucht? Produktionstechnische Gründe scheinen hierfür nicht ausschlaggebend. Naheliegender ist, dass mit diesem Outsourcing zweierlei erreicht werden kann: Die Honorare für die Mitarbeiter/innen dieser Firmen sind nicht gebunden an die Tarifverträge und Honorarrahmenvereinbarungen, die in den öffentlich-rechtlichen Anstalten gelten, also können die Kosten zu Lasten der Mitarbeiter/innen gedrückt werden. Und die sich selbst produzierenden Moderator/innen solcher Sendungen bekommen neben ihrem Moderationshonorar noch den Produzentenanteil an den Produktionskosten, der bei solchen Formaten regelmäßig bei ca. 7 Prozent liegt: In Zeiten von Niedrigstzinsen ist das ein recht stattlicher Gewinnanteil.

Dass eine private Produktionsfirma wie „Ansager & Schnipselmann“ neben den ARD-Aufträgen (für die sie, nebenbei bemerkt, gegründet wurde) noch andere privatwirtschaftliche Aufträge annimmt, ist ihr gutes Recht. Das habe ich übrigens auch im Interview mit der „Bild am Sonntag“ klar gestellt, es wurde allerdings im Artikel nicht zitiert. Die berufsständisch interessante Frage ist aber, ob eine Firma, die auf der eigenen Website ausschließlich mit im weiteren Sinne journalistischen Produktionen aufwartet (z.B. „Frag doch mal die Maus“ oder „Schlau wie die Tagesschau“), parallel Lobby- und PR-Dienste anbietet. Berufscodices wie der des Netzwerk Recherche untersagen so etwas kategorisch. Das heißt im Umkehrschluss nicht, dass PR-ARbeit „böse“ sei. Im Gegenteil, gute PR-Arbeit ist wichtig und erfüllt eine gesellschaftlich relevante Aufgabe. Problematisch ist die Vermengung beider, wie es nun bei „Hart aber fair“ geschehen ist. Der aktuelle Fall erinnert ein bisschen an die Affäre um die Vortragshonorare für den damaligen ARD-Tagesthemen-Moderator Tom Buhrow: Für Auftritte etwa bei einer Sektkellerei soll Buhrow mehr als 10.000,- Euro verdient haben, was heftig kritisiert wurde. Die Unabhängigkeit des Journalismus ist eben häufig in Gefahr, wenn wirtschaftliche Interessen ins Spiel kommen. Das zu bemerken ist sicherlich kein Ausweis von „Sozialneid“, wie Autor Ralf Höcker mir auf dem Vocer-Denkpanzer als „freiem TV-Journalisten und Professor für Kulturjournalismus“ vorwirft. Dass ich schon lange kein freier TV-Journalist und auch nicht Professor für Kulturjournalismus bin, sei dahingestellt und mag den nicht ausgereiften Google-Kenntnissen von Ralf Höcker geschuldet sein (aber wenn er seine Kenntnisse vertiefen will: Ich habe als freier Autor darüber ein Buch geschrieben …).

Darum sieht auch das WDR-Gesetz die strikte Trennung von Programm und Werbung vor. Und es ist sehr erlaubt und vielleicht sogar geboten, darüber zu diskutieren, ob eine Vermengung von Journalismus und PR-Tätigkeit nicht auch ein Verstoß gegen dieses Trennungsgebot darstellt. Darum habe ich das im Interview auch gegenüber der „Bild am Sonntag“ angesprochen. Ralf Höcker findet das offenbar degoutant:

Nun muss noch einmal „Medien-Professor“ Haarkötter herhalten. Der studierte Theologe, Philosoph, Soziologe, Philologe und Historiker kann offenbar auch Jura, daher ernennt ihn der Stern auch gleich zum ´Medienanwalt´.

Ja, ich habe eine Menge Fächer studiert und sogar, anders als Frank Plasberg, in den meisten davon (mit Ausnahme der Theologie) einen Abschluss vorzuweisen. Taugt das für Höcker zum Vorwurf, dann scheint das „unabhängige Debattenforum Vocer“ wohl einem eher mürben Anti-Intellektualismus anheim gefallen zu sein. Und ich selbst war auf meiner Facebook-Seite der erste, der festgestellt hat, dass die Online-Redaktion des „Stern“ zu doof zum Abschreiben ist und ich keineswegs „Medienanwalt“ bin. Aber dass nur Leute, die mit Rechtsberatung Geld verdienen, über unsere allgemein gültigen Gesetze diskutieren dürfen, ist ein reichlich vordemokratischer Standpunkt, der einem „unabhängigen Debattenforum“ nicht recht würdig ist.

Vielleicht verlässt Vocer irgendwann zum Nachdenken seinen Panzer, dann wird es womöglich auch etwas mit der Medienkritik.

Frank Plasberg: Schnipselmann sagt Lobby an


27 Jul
Moderator Frank Plasberg , Foto: A.Savin

Moderator Frank Plasberg ,Foto: A.Savin

Schnipselmann & Ansager heißt die Produktionfirma von Frank Plasberg, die die eigene Talkshow des Moderators in der ARD „Hart aber fair“ produziert. Sie tut aber nicht nur das: Nach Informationen der Bild am Sonntag (BamS) veranstaltet sie auch Lobbyveranstaltungen, beispielsweise für den Gesamtverband der deutschen Versicherungswirtschaft. Und lädt dazu offenbar im Namen der ARD-Redaktion „Hart aber fair“ ein. Und wirbt mit der ARD-Moderatorin Anne Gesthuysen. Eine Vermengung von redaktioneller und PR-Tätigkeit, die es so nach diversen Pressekodices, dem WDR-Gesetz (der WDR ist der verantwortliche Sender für Plasbergs ARD-Format) und allgemein berufsständigen Anstandsregeln nicht geben dürfte.

Plasbergs Ruf als kritischer Nachfrager und unbestechlicher Journalist schien mir immer schon fragwürdig: Gästen ins Wort zu fallen, ist noch lange nicht „hart“, und tendenziöse Einspielfilme vorzuführen, die nur die eigenen Hypothesen bestätigen, ist auch nicht „fair“. In Kollegenkreisen gilt Plasberg dem Vernehmen nach als arrogant, im WDR-Flurfunk ist, wie man so hört, extra für ihn das Wort „plasiert“ als Mischung „Plasberg“ und „blasiert“ erfunden worden. In dieses Bild passt, dass er sich selbst im „Spiegel“-Interview als „endgültig Deutschlands zweitwichtigster Talker“ bezeichnet hat. Seine angebliche Distanz zu den Mächtigen im Lande drückte er mit den Worten aus: „Fraternisieren kommt nicht in Frage“. Diese Äußerung hat er mit der Lobby-Tätigkeit seiner eigenen Firma nun deutlich konterkariert.

Wenn Frank Plasberg also weder so „hart“, noch so „fair“, noch so unbestechlich ist, wie er sich gerne selbst darstellt, dann muss man fragen, welche Qualitäten ihn denn dann auszeichnen und zu einer herausgehobenen Stellung in WDR und ARD befähigen sollten. Ein Übermaß an Intellekt wird es vermutlich eher nicht sein: Sein Studium (Theaterwissenschaft, Politik und Pädagogik) hat er nach 17 Semestern abgebrochen. Das Buch, das unter seinem Namen veröffentlicht wurde, hat er, jedenfalls in Teilen, von jemand anderem schreiben lassen. „Unter Mitarbeit von …“ schreiben Verlage unter Bücher, wenn sie für die Vermarktung ein Fernsehgesicht benötigen, das eigentlich nicht schreiben kann. Und für niemanden gilt die alte Journalistenregel vermutlich besser als für Frank Plasberg: „Wenn ich schreiben könnte, wäre ich nicht zum Fernsehen gegangen“. Die Zeitschrift „Cicero“ bemerkt über dieses Buch:

Vergebens sucht man nach einer Analyse, nach einer Meinung, einer selbständigen Haltung des Autors den geschilderten Problemen gegenüber. Plasberg geht es allein um den Effekt. Er empfindet es als «wohltuend», wenn seine Beispiele die Politiker in den Fernseh-Runden sprachlos erstaunen lassen. Zielsicher sucht er quotentreibende Pointen, in denen sich das Politische in reine Emotion auflöst.

Im WDR hat Plasberg vor „Hart aber fair“ 15 Jahre die Sendung „Aktuelle Stunde“ moderiert und ihr auch als Redaktionsleiter vorgestanden. Es ist wohl nicht zu viel behauptet, wenn man feststellt, dass in seiner Amtszeit die „AKS“ konsequent boulevardisiert und trivialisiert wurde und ein mal als Nachrichtensendung konzipiertes Format („nach englischen und amerikanischen Vorbildern“) zu einer Infotainment-Postille mit NRW-Bezug mutierte: „Hinterm Mond von Wanne-Eickel“ titelte mal der „Spiegel“ über diese Sendung. Was aber wiederum befähigte Plasberg eigentlich dazu, WDR-Redaktionsleiter zu werden? Auch diese Frage wirft Rätsel auf. Seine vorherigen journalistischen Stationen können es eher nicht gewesen sein: die „Schwäbische Zeitung“ aus Leutkirch im Allgäu oder die Münchner Abendzeitung sind nicht gerade als Kaderschmieden für deutsche Alphajournalisten bekannt. Auch der Umstand, mit den Gladbeck-Entführern in der Kölner Innenstadt während ihrer Geiselnahme ein Interview geführt zu haben, wie Plasberg es tat, ist nicht unbedingt eine Schlüsselqualifikation für herausgehobene Redakteursstellen.

So ist der Aufstieg des Frank Plasberg in WDR und ARD wohl eher ein Lehrstück darüber, wie journalistische Karrieren in öffentlich-rechtlichen Anstalten funktionieren und dass höhere Bildung, journalistische Qualifikation oder publizistische Meriten eher hinderlich dabei sein können, in den Rundfunkanstalten des öffentlichen Rechts nach oben geschwemmt zu werden.

NZZ: Jauch muss entlassen werden


23 Mrz
vaoufakis_stinkefinger

Screenshot: Youtube

„Das Land der Griechen mit der Seele suchend“ — Goethes frommer Wunsch wird im Land der Dichter und Denker auf absehbare Zeit nicht in Erfüllung gehen. Im deutsch-griechischen Verhältnis sind, jedenfalls im Feld des Journalismus, gerade andere Körperteile angesagt. Ein ausgestreckter Mittelfinger spielt dabei eine besondere Rolle: „Muss die Geschichte des Stinkefingers in großen Teilen umgeschrieben werden?“ fragt der Berliner Tagesspiegel.

Das „Stinkefinger“-Video, das den griechischen Finanzminister in der ARD-Talkshow „Günther Jauch“  mit der vulgären Geste zeigte, hat das ein oder andere Nachspiel. Denn selbst wenn das gute Stück Video sich nicht, wie selbst Medienkritiker wie Stefan Niggemeier meinten, als „Fuckfinger-Fake“ des Comedians Jan Böhmermann herausstellte, stellt es doch  auf offenbar boshafte Weise die nonverbale Äußerung des griechischen Politikers in einen Zusammenhang, in den es weder verbal noch nonverbal gehört. „Dass Varoufakis’ Finger echt ist, macht ihn nicht weniger falsch“, bonmotisierte die Frankfurter Allgemeine Zeitung.

Die Neue Züricher Zeitung fordert nun die Entlassung Jauchs. Sein Umgang mit Varoufakis‘ Finger sei „übelster Kampagnenjournalismus“:

Zwar ist es echt (auch wenn eine Satiresendung im ZDF anderes behauptete). Aber Varoufakis’ obszöne Geste reflektiert nicht seine Meinung über Deutschland. Das kann jeder nachvollziehen, der sich im Internet die komplette Aufnahme ansieht. Auch Starjournalist Jauch hätte das tun können und müssen. Sein Beitrag ist darum kein Coup, sondern übelster Kampagnenjournalismus, der das verkorkste Verhältnis zwischen Berlin und Athen zusätzlich belastet. Die ARD sollte darum Jauch vor die Tür setzen, weil er gegen fundamentale journalistische Standards verstossen hat.

Die Forderung beruht auf zwei Missverständnissen: Zum einen, dass Jauch selbst die Entscheidung getroffen habe, den Finger-Video in genau dieser Weise in seiner Sendung zu präsentieren. Das nämlich überbewertet die Rolle, die ein Moderator gerade in einer öffentlich-rechtlichen Talksendung hat. Hinter dem Gesprächsleiter, der im Zweifel nur ein sprechender Kleiderbügel ist (was seit den Zeiten von Sabine Christiansen als Ahnherrin des Genres als ausgemacht gelten darf), steht eine Armada von Redakteuren, Chefredakteuren, Programmgruppenleitern, Wellenchefs, Programmdirektoren und was der Hierarchiestufen mehr sind, die in Zeiten von lean management nur noch öffentlich-rechtliche Sender sich leisten können. Die Forderung nach dem Abtritt Jauchs kommt damit dem Verlangen nach einer Nacht der langen Messer in den Führungsetagen der ARD gleich, was vielleicht nicht das Schlechteste wäre.

Das andere Missverständnis beruht darin, Jauch überhaupt für einen Journalisten zu halten. In Wahrheit ist er Unterhaltungskünstler, der für die ARD einen Journalisten darstellt. Aber das Primat der Unterhaltsamkeit, das er mit seiner Quizshow auf RTL ja seit Jahren offensiv nach außen trägt, hat auch für seine ARD-Talksendung Geltung. Und so ist auch die Vorführung des Finger-Films zu sehen: Es trägt zur Unterhaltsamkeit einer ansonsten staubtrockenen Sendung bei, und nur darum geht es. Dass die ARD mit einem solchen Konzept im politjournalistischen Zusammenhang sich ihr eigenes „Ground Zero“ bereiten könnte, wurde an gleicher Stelle schon vor geraumer Zeit vorausgesagt.

focus_stinkefingerIm übrigen sollten deutsche Journalisten Zurückhaltung üben, wenn sie griechischen Politikern Vorhaltungen machen möchten. In dieser Auseinandersetzung ist richtig, was bei keiner Schulhofstreiterei falsch ist, nämlich zu fragen, wer angefangen hat. Und angefangen hat eindeutig der deutsche Journalist: Es war schließlich das Magazin Focus, das 2010 den Griechen den „Stinkefinger“ gezeigt hat. Der Kampagnenjournalismus nahm da seinen Anfang und fand seinen Höhepunkt in der wochenlangen Schlammschlacht, die die Bildzeitung für ordnungsgemäße Berichterstattung hält.

Wer muss also nun entlassen werden? Alle deutschen Journalisten? Die Mitarbeiter von Hubert Burda, Axel Springer und der ARD? Oder die Zuschauer und Leser, die sich auf solcherart inkriminierenden Journalismus einlassen? Ähnlich wie, frei nach Brecht, die alte DDR-Regierung sich kein neues Volk wählen konnte, können wir uns keinen anderen Journalismus wählen — wir haben nur den einen. Aber der könnte seinen Job besser machen.

WDR: Stumpf in der Flugverbotzone


10 Okt

Liebe LeserInnen, liebe MitdiskutiererInnen, liebe Mitleidende!

Ich habe mich nach langem Nachdenken, vielen Gesprächen und einer für meine Verhältnisse unfassbar großen Zahl an Emails, die ich zu diesem Thema erhalten habe, entschlossen, den Blogeintrag zur Auseinandersetzung um eine ARD-„Story“ von Tim van Beveren und zu seinem Streit mit dem veranstaltenden Sender WDR und einiger seiner festangestellten Redakteure hier herunterzunehmen. Wer die Hintergründe dieser Auseinandersetzung nachlesen will, wird in diesem taz-Artikel und dieser Darstellung des Mediendienstes dwdl.de fündig. Es liegt dazu auch eine Darstellung des WDR vor. Die neueren Entwicklungen lassen sich auch in diesem dwdl-Artikel nachlesen.

Meine Entscheidung hat zwei Hintergründe: Der eine ist eine Abmahnung und die Aufforderung zu einer Unterlassungserklärung durch die Anwaltskanzlei von Dr. Roman Stumpf, einem der in die Geschichte verwickelten WDR-Redakteure. Ich kann dem Folge leisten, weil es mir nicht darum ging, eine einzelne Person womöglich zu „pathologisieren“ (was mir fachlich nicht zusteht, wie ich auch explizit geschrieben habe), sondern darum aufzuzeigen, dass der WDR sich zu einem System entwickelt hat, dass in seiner Grundanlage „krank“ ist. In einem solchen System sind alle, die sich darin befinden, „Opfer“, auch wenn sie womöglich auf der anderen Seite als festangestellte Redakteure „Täter“ sind, die eine Mitverantwortung dafür tragen, wie das System konkret ausgestaltet ist. Das nennt man dann wohl Dialektik. Die „freien“ MitarbeiterInnen des WDR, die mehr als 90 % des Programms herstellen, sind in diesem System immer das schwächste Glied, obwohl sie die größte Last des Programmauftrags tragen müssen. Dass der WDR als öffentliche Anstalt, die mit öffentlichem  Geld finanziert wird (und das sind jährlich Milliardenbeträge), einer besonderen öffentlichen Kontrolle und Kritik unterzogen werden darf und muss, scheint mir auf der Hand zu liegen.

Der andere Grund ist, dass dies hier nicht meine Geschichte ist, sondern die des Kollegen Tim van Beveren. Hier ein neues Fass aufzumachen, scheint mir durchaus unangebracht und auch kontraproduktiv. Zumal die Geschichte jetzt ohnehin die juristische Dimension erreicht hat und keinen Nebenkriegsschauplatz mehr braucht. Tim van Beveren gehört dabei meine volle Solidarität, weil ich nur zu gut nachfühlen kann, was ihm widerfahren ist. Mir ist Ähnliches in mehr als einem Fall im WDR und mit seinen festangestellten RedakteurInnen geschehen. Und ich werde auch in Zukunft allen, die davon nichts hören wollen, weiter erzählen.

Der WDR hat, wie alle öffentlich-rechtlichen Sender, einen gesetzlichen Programmauftrag. Wer mit seinen eigenen Programmmachern so umspringt, entzieht sich selbst die Existenzberechtigung. Das wäre schade: nicht um Stumpf und seinen Sender, aber um all die exzellenten AutorInnen und JournalistInnen, die einfach nur ihre Arbeit machen wollen. Ein öffentliches Programm in der Hand der Programmmacher, das wäre eine ganz große Sache. Der WDR ist davon weit entfernt.

Tagesschau im Wetterloch


03 Jun
Screenshot: Tagesschau 01.07.2014

Screenshot: Tagesschau 01.07.2014

Nun hat also auch die ARD Tagesschau ihr Wettergate: Am Sonntag in der Hauptausgabe um 20:00 Uhr hat die ARD-Nachrichtensendung den Wetterbericht vergessen und stattdessen ein schwarzes Loch gezeigt. Während das die ARD-Zuschauer wie die Medienjournalisten offenbar hochgradig irritiert, ist doch zu sagen, dass eine solche Fehlschaltung beim Fernsehen nicht Ungewöhnliches ist und früher viel häufiger vorkam. Es reichte schließlich eine übermüdete studentische Hilfskraft am Bildmischer oder ein AV-Techniker, der die Beta-Kassetten vertauscht hatte.

Was an der Tagesschau-Panne vom vergangenen Sonntag viel auffälliger war, das war die Reaktion des Tagesschau-Sprechers Jan Hofer. Völlig ungerührt nämlich setzte er die Sendung fort, als wäre alles mit rechten Dingen zugegangen. Hier fragt sich doch, ob die Tagesschau wirklich live auf Sendung geht, oder ob die einzelnen Elemente inklusive der Sprecheraufnahmen vorkonfektioniert sind und nur noch zur, hoffentlich, richtigen Zeit abgespult werden. So jedenfalls wären sowohl die Panne als auch die ungerührte Fortsetzung der Sendung zu erklären. Echtzeitjournalismus ist etwas Anderes.

Wieviel Sport gucken Zuschauer im TV?


24 Okt

ARD_TatortkostenJa, wieviel Menschen gucken Sport im Fernsehen? Und wieviel Sport läuft da eigentlich? Und was kostet der Spaß? Das sind Fragen, auf die es künftig Auskunft geben soll im Rahmen einer neuen Transparenz-Offensive der ARD. Aber das eine sind die Zahlen, die veröffentlicht werden. Das andere ist, was JournalistInnen daraus machen. Zum Beispiel die Medienexperten des Fachdienstes DWDL. Die interessierten sich dafür, wieviel Sport eigentlich in der ARD geguckt wird und welche Sportarten dabei besonders gut abschneiden. Das Ergebnis ihrer Recherche klang dann so:

Knapp 20 Prozent der Zeit, die ein Zuschauer Das Erste sah, entfiel dabei auf den Sport. Dass der Fußball den größten Anteil an der Sportberichterstattung einnimmt, ist wenig überraschend: Von 444 Stunden Live-Sport im Jahr 2012 entfielen immerhin 97 Stunden auf den Fußball. Die Wintersport-Berichterstattung machte 158 Stunden aus, für die sonstigen Sportarten blieben 188 Stunden übrig.

Wenn Fußball 97 Stunden in der ARD lief und Wintersport 158 Stunden, was hat dann den größten Anteil? Jedenfalls nicht der Fußball, wie DWDL behauptet. Zählt man alle Stundenlängen der Übertragungen der hier genannten Sportarten zusammen, kommt man übrigens auch nicht auf die angeführte Gesamtzahl von 444 Stunden. Vielmehr ist eine Stunde abhanden gekommen. Oder sie dreht eine Strafrunde beim Biathlon.

Also: Neue Kosten-Transparenz bei der ARD, dafür weniger Zahlen-Transparenz bei DWDL.

Kress Report im Jugendwahn


02 Jul

Älter werden ist gerade im Medienzeitalter ja nicht so schön. Im High Definition Fernsehen sieht man jede Falte und jedes graue Haar. Da macht man sich doch gerne ein bisschen jünger. Und die jungen Zuschauer, die sind ja sowieso die wichtigsten. Also ran an die Zielgruppe, mit Jugendzentrum-Charme und Kindergeburtstags-Appeal. Erfolgreich ist damit der ARD Markencheck. Diese Verbrauchersendung gucken nämlich tatsächlich ein paar Zuschauer unterhalt jener 61 Jahre, die der gewöhnliche ARD-Zuschauer im Durchschnitt alt ist. Aber was das Medienfachblatt Kress Report daraus macht, geht dann vielleicht doch ein bisschen zu weit:

Ausschnitt: Kress Report

Ausschnitt: Kress Report

Die Zuschauer zwischen 14 und 49 als „Jugend-Quote“ zu bezeichnen, ist selbst unter Zuhilfenahme von sehr viel Nivea-Produkten doch etwas vermessen. Trotz oder wegen des Cremetopfes.

 

 

 

Anti-Medien-Blog

Die journalistische Notfallpraxis im Web von Hektor Haarkötter