Immer diese Plasbergs: Jetzt auch noch Sexismus?

25 Aug

hartaberfairWer im Fernsehen gerne beweisen will, dass er einen Harten hat, der könnte beispielsweise eine Sendung namens „Hart aber fair“ erfinden. Er könnte dann behaupten, sich in dieser Sendung mit der Gleichberechtigung zu beschäftigen. Er könnte diese Sendung unheimlich provokativ „Nieder mit den Ampelmännchen – Deutschland im Gleichheitswahn?“ nennen. Und er könnte eine unerklärliche, aber für ARD-Talkshows typische Zusammenstellung von Gesprächsgästen einladen, von denen die wenigsten im Thema irgendwie ausgewiesen sind, aber dafür gut aussehen (wie approximativ die Schauspielerin Sophia Tomalla) oder nicht einmal das (FDP-Politiker Wolfgang Kubicki).

Ach, das hat wirklich jemand getan? Ja, es war wieder einmal TV-Moderator Frank Plasberg, der sich die Fettnäpfchen einfach nicht verbieten lassen will. Er hat sogar zu allem gleichstellerischen Überfluss noch die Buchautorin Birgit Kelle herangezogen, die dankenswerterweise ein Buch mit dem bezeichnenden Titel «Gender gaga» verfasst hat. Neben der Feministin Anne Wizorek fand dann noch der Grüne Spitzenpolitiker Anton Hofreiter Platz in der illustren Runde (O-Ton Kubicki zu dem langhaarigen Politiker: „Sie sehen ja schon gendermäßig aus“): Fertig gebacken ist die Talksendung nach dem ARD-Rezeptbuch „Viel Krawall um nichts in werbefreiem Programmumfeld“.

Zu den zahlreichen Kritikern und Kritikerinnen der Sendung zählte unter anderem der Deutsche Frauenrat, der nicht nur die Auswahl der Gäste monierte (aufgrund der „eine faire Diskussion über Geschlechterforschung“ nicht möglich gewesen sei), sondern auch den Moderationsstil von Frank Plasberg selbst, der es sich nicht nehmen ließ, mit einigen Zoten zur Versachlichung der Debatte nicht beizutragen. Der Frauenrat weiter:

„Bereits in der Anmoderation verließ Herr Plasberg den Standpunkt des neutralen Moderators, indem er 190 Genderprofessuren als ‚Alltagswahnsinn‘ bezeichnete … Ampelmännchen, Unisextoiletten und brünftige Hirsche werden herausgestellt, um das gesamte Themenspektrum um Geschlechterforschung und Gleichstellungspolitik gezielt lächerlich zu machen.“

Der Blog Genderfail nennt diese „Hart aber fair“-Folge einen „journalistischen Totalausfall“:

Frank Plasbergs montägige Ausgabe seiner Sendung Hart aber fair zum Thema Gender Mainstreaming war eine Machtdemonstration par excellence und ein Tiefpunkt des Journalismus im öffentlich-rechtlichen Fernsehen. Der 57jährige Moderator zeigte dort, dass ihm jeglicher Sinn für den journalistischen Kodex abhanden gekommen ist.

Der Blog geht insbesondere auf die Behauptung Plasbergs in seiner Anmoderation ein, dass es in Deutschland 190 Genderprofessuren gebe. „Hart aber fair“ brüstet sich ja gerne, Faktencheck zu betreiben. Dieser Check sieht aber bei der Plasberg’schen Moderationskunst eher trübe aus:

Nein, es sind nicht 190 Professoren und Professorinnen, die Genderforschung in Deutschland betreiben, wie Herr Plasberg gezielt übertrieb, sondern 15 explizite Gender-Lehrstühle (die anderen 165 Personen befassen sich mit Fragen der Geschlechter innerhalb ihrer jeweiligen anderen Disziplinen).

Merke: Ein Gynäkologe beschäftigt sich zwar auch mit dem Geschlechterunterschied, hat deswegen aber keine „Genderprofessur“. Der Programmausschuss des WDR-Rundfunkrats wies die eingegangene Programmbeschwerde zwar zurück. Gleichzeitig wird aber auf seine Empfehlung hin die inkriminierte Sendung aus dem Verkehr der ARD-Mediathek gezogen — was nun hinwiederum Bild-Online-Chef Julian Reichelt für „Irsinn“ hält.

Immerhin, so selbstbezüglich sind Plasberg und seine „Hart aber fair“-Redaktion dann doch, dass sie das Thema und damit sich selbst in der nächsten Sendung Anfang September wieder auf die Tagesordnung heben wollen. Auf die Gäste sind wir jetzt schon gespannt.

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4 Responses

  1. Interssierte und gänzlich uninformierte Kreise, darunter Julia Klöckner, CDU-Landesvorsitzende in Rheinland-Pfalz, haben gleich gelärmt, dass die ARD „reflexartig“ die Sendung aus der Mediathek gelöscht habe, nachdem sich Frauenverbände beschwert hätten.

    Das ist falsch, tendenziös und gezielte Meinungsmache – denn verschiedene Organisationen haben eine förmliche Programmbeschwerde eingereicht, der Rundfunkrat hat geprüft und diskutiert, entschieden und die Löschung empfohlen. Ein halbes Jahr nach der Ausstrahlung. Daraufhin wurde die Sendung aus der Mediathek genommen. Das heißt: Es war der korrekte Dienstweg, abgesichert durch das Rundfunkrecht, und weder ein Reflex noch das Einknicken vor Lobbygruppen, schon gar nicht Zensur, wie die interessierten Kreise populistisch behaupteten.

    Zensur ist, wenn man von vornherein die Ausstrahlung verhindert – nicht, wenn im Nachhinein eine Sendung beurteilt und auf Weiterverbreitung verzichtet wird. Und zwar nach Prüfung durch ein bewusst paritätisch besetztes, politisch legitimiertes Gremium. Die dümmstmöglichen Empörungsfloskeln wurden dazu in einem Artikel der BILD zusammengetragen.
    http://www.bild.de/politik/inland/ard/aufstand-gegen-ard-42301214.bild.html

    Und wer da alles dabei ist und von Zensur schreit! Konstantin von Notz, der Grüne ebenso wie der innenpolitische Sprecher der SPD Burkhard Lischka. Erstaunlich. Wenn die Empfehlung eines Gremiums wie es der Rundfunkrat ist, ignoriert wird, wenn der Rundfunkrat einknicken muss, weil Populisten zetern, wo kommen wir denn da hin? Was wäre das außer „Druck der Straße“?

    Total lahm war in den Zusammenhang aber auch die Antwort des WDR. Da spricht der Verwaltungsbeamte. Statt sich hinter den Rundfunkrat zu stellen, schwafelt er von Programmverantwortlichen. Wo waren die denn eigentlich, als Plasberg seine Sendung konzipiert und so eigenartige Gäste eingeladen hat? Leider knapp daneben und alles andere als „eine souveräne Entscheidung der Programmverantwortlichen“. Peinlich.

    http://www.bild.de/politik/inland/ard/stellungnahme-wdr-aufstand-gegen-ard-42307636.bild.html

    • hektor sagt:

      Liebe Johanna, danke für den Kommentar. Im übrigen weist der WDR-Fernsehdirektor heute im Kölner Stadtanzeiger darauf hin, dass von „Zensur“ schwerlich die Rede sein könne: Die Sendung wurde mit aller redaktionellen Freiheit produziert und ausgestrahlt, von 3 Mio. Menschen gesehen, war ein halbes Jahr in der Mediathek verfügbar (was ich wegen der 7-TAge-Regel eh nicht verstehe) und steht auch weiterhin intern allen WDR-Mitarbeiter/innen zur Verfügung. Außerdem kann jeder und jede sich diese Sendung weiterhin auf Youtube ansehen …

  2. hektor sagt:

    Weil es Nachfragen zu den etwas eigenwilligen Zahlen von „Genderfail“ gab, hier die Antwort:
    Die Differenz ergibt sich aus den unterschiedlichen Zahlen, die Plasberg bzw. Wizorek heranzogen. Im hart aber fair Faktencheck steht dazu nach der Sendung: “Nach Angaben der Zentraleinrichtung zur Förderung von Frauen- und Geschlechterforschung an der FU Berlin (ZEFG) gibt es an deutschen Universitäten derzeit 140 Professuren, die sich mit dem Thema Gender befassen. Hinzu kommen 49, die an Fachhochschulen angesiedelt sind. Insgesamt also 189, von denen zurzeit allerdings nur 176 besetzt sind. Das bestätigt auch Sigrid Betzelt. “Davon sind nur 15 Professuren – und nur an den Universitäten – explizite Gender-Lehrstühle. Alle anderen befassen sich mit Genderfragen innerhalb der jeweiligen Disziplin”, so Betzelt. Diese reichen von Architektur bis Wirtschaftswissenschaften.”

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