Archive for Oktober, 2008

Autorenlandverschickung


30 Okt

Dann war da noch jener Artikel im Kölner Stadtanzeiger, der an die Erstausstrahlung des Hörspiels „Krieg der Welten“ von Orson Welles vor 70 Jahren erinnerte (Ausgabe vom 28. Oktober 2008). Darin heißt es unter anderem:

„Welles, dem anschließend als Wunderkind der Sprung nach New York gelang, …“

Einige Zeilen später dann:

„Welles und Howard Koch, der das Drehbuch verfasst hatte, nutzten den Wirbel jedenfalls für den Sprung nach Hollywood“.

Mal abgesehen davon, dass Hörspiele in der Regel kein „Drehbuch“ haben, liegen zwischen New York und Hollywood ca. 5.000 Kilometer. Dass dieser Beitrag „in Kooperation mit dem Historischen Seminar der Universität zu Köln“ entstanden sein soll, reicht vermutlich auch nicht zu einem Eintrag ins Ruhmesblatt dieser Hochschule.

Wieviel ist mehr?


29 Okt

Wenn es an Steigerungsformen geht, bekommen die Leser des Kölner Stadtanzeigers ja regelmäßig jene Schweißperlen auf die Stirne, die deren Redakteure sich gespart haben. Selbst das gute alte „Viel – mehr – am meisten“ versagt vor den Sprachdefiziten des durchschnittlichen Stadtanzeiger-Mitarbeiters. In der heutigen Ausgabe wird gemeldet, dass das Land NRW 1,4 Millionen Euro durch Gebühren einnimmt, die bei Kirchenaustritten erhoben werden. Das Bundesverfassungsgericht hält das für gerechtfertigt, denn, so der Kölner Stadtanzeiger,

„vergleichbare Gebühren gibt es bereits in mehr als zehn Bundesländern“.

Mehr als zehn Bundesländer? Um mal ein bisschen auf die Sprünge zu helfen: Insgesamt gibt es 16 deutsche Bundesländer. Da sollte sich doch wohl herausbekommen lassen, ob nun von 11 oder von 15 Ländern die Rede ist. Oder sind mit dem „mehr“ vielleicht 10,3 oder 11,4 Bundesländer gemeint? Der Kölner Stadtanzeiger stellt einen immer wieder vor Rätsel.

Schach dem Kölner Stadtanzeiger!


22 Okt

Schach ist zugegebenermaßen ein schwieriges Spiel. Aber dass es einen Zeitungsredakteur wie Stephan Klemm vom Kölner Stadtanzeiger so durcheinanderbringt, dass er die komplette Berichterstattung über die Schach-WM im benachbarten Bonn vergeigt, lässt für die Denksportfähigkeiten seiner selbst und seiner Redaktion nichts Gutes hoffen. In der heutigen Ausgabe des Blattes (22. Oktober 2008) geht es um die Sekundanten bei dem königlichen Spiel. Und über die heisst es:

„Kramnik lässt drei von ihnen für sich überlegen, Anand hat gleich vier engagiert“.

Das Rechnen mit einfachen einstelligen Zahlen sollte nicht allzu große mathematische Fähigkeiten vom Zeitungsredakteur erwarten. Und doch sieht er sich ungeahnten Problemen gegenüber und schreibt weiter:

„Es scheint, als hätten Anands Helfer – der Usbeke Rustam Kasimdzhanow, der Däne Peter Heine Nielsen sowie Surya Shekhar Ganguly aus Indien und Radoslaw Wojtaszek aus Polen – einen heftigen Findungsvorsprung. Anand jedenfalls, der mit Peter Leko (Ungarn), Sergej Rublewsky aus Russland und dem Franzosen Laurent Fressinet zusammenarbeitet, hat Kramnik mit einer neuen Idee gleich zweimal mächtig überrascht.“

Kurze Gegenrechung (man kann auch die Finger zur Hilfe nehmen): Anand hat einmal vier und dann noch mal drei Helfer, macht zusammen sieben. Für den armen russischen Herausforderer bleibt demnach kein einziger „Sekundant“ übrig. Kein Wunder, dass er beim Titelkampf heillos zurückliegt. Oder ist der Sportredaktion des Kölner Stadtanzeigers zum einen oder anderen Sekundanten zu raten? Oder zu einem Bauernopfer? Darüber sollte man mal nachdenken.

Am Denksport scheitern


21 Okt

Der Sportteil des Kölner Stadtanzeigers wird allgemein gelobt. Nun ja, man kennt das ja von einem bestimmten anderen Revolverblatt. Mag sein, dass die Redakteure des Kölner Stadtanzeigers in einigen Sportarten wirklich gut auskennen. Schach gehört jedenfalls nicht dazu. Das Schachweltmeisterschafts-Turnier, das gerade in der Nachbarstadt Bonn zwischen dem titelverteidigenden Inder Anand und dem herausfordernden Russen Kramnik ausgetragen wrid, löst in der Redaktion des Stadtanzeigers – und damit mittelbar auch bei seinen Lesern – heilloses Durcheinander aus. Am gestrigen Montag, 20. Oktober 2008, schrieb Autor Stephan Klemm:

„Das erste Drittel des WM-Duells ist gespielt, die vierte Partie endete am Samstag im Forum der Bonner Bundeskunsthalle so wie bereits drei andere zuvor: remis“.

Für schlechte Kopfrechner: Wenn die vierte von vier Partien genauso mit „remis“, d.h. unentschieden, endete wie die drei Partien zuvor, dann bedeutet das, dass alle bisher gespielten Partien unentschieden ausgegangen sind. Umso verwunderlicher, wenn es dann weiter heißt:

„Das aber bedeutet auch, dass ein Spieler einen Sieg geschafft hat“.

Der Laie staunt, der Fachmann wundert sich. Dann wird auch noch behauptet, es stünde nun

„2,5 : 1,5 für Anand gegen seinen russischen Herausforderer Wladimir Kramnik“.

Mit der heutigen Ausgabe (21. Oktober 2008) wird die Lage am Schachbrett nicht klarer. Nun hat der indische Titelverteidiger schon zwei Partien gewonnen, und es steht geschrieben:

„… dann wich der mit Weiß spielende Titelverteidiger ab und zog den Turm auf g8“.

Die Finte, die der Schachweltmeister sich hier erlaubte, war sogar noch doller, denn in Wahrheit spielte er gar nicht Weiß, sondern Schwarz, wie man dem Spielbericht unter dem Artikel entnehmen kann. Warum eigentlich hat der Kölner Stadtanzeiger so große Probleme mit dem Schach? Es muss daran liegen, dass es sich um einen Denksport handelt. Schach matt.

Einsam im Chor


21 Okt

Wie soll eigentlich das gehen?

“ … nur eine Chorsängerin ist zu hören“.

So etwas gibt es nur im Kölner Stadtanzeiger (20. Oktober 2008).

Die Antwort ist: Der Kölner Stadtanzeiger


21 Okt

Um welche Zeitung könnte es sich handeln, wenn auf Seite 1 des Lokalteils alle Artikel ausnahmslos so überschrieben sind:

„Kind im Kofferraum löst Alarm aus“
„Schmerzen, Schreie, Panik-Attacken“
„Frau kommt bei Unfall ums Leben“
„Polizistin hat guten Riecher“
„Jogger findet Verletzten“
„Überfall auf Tankstelle“
„Bei Sturz schwer verletzt“

Noch ein Tipp: Es handelt sich um ein Revolverblatt.

Welt trifft Buch


20 Okt

Wenn in Frankfurt am Main zum Weltfest des gedruckten Worts, der Buchmesse, geblasen wird, dann bleibt es nicht aus, dass auch die Kollegen der Feuilletons anreisen und mit all ihrem Sprachvermögen ins literarische Horn tröten. Das Sprachvermögen ist allerdings häufig nicht sehr ausgeprägt und klingt, zum Beispiel im Fall der Welt am Sonntag vom 12. Oktober 2008, so:

„Bei Suhrkamp, wo Julia Zanges Roman herauskommt, erscheint so ein weiteres Mal als ein Verlagshaus, das sich auf geradezu liebenswert traditionelle Weise den Avantgardebegriffen der besten Tage des verstorbenen Siegfried Unseld verpflichtet fühlt“.

Nichts verstanden? Macht nichts, ich auch nicht. Wo Verstorbene beste Tage haben und wo man sich des Genitivs so verpflichtet fühlt und wo man die Sprache so in die Zange nimmt und wo das Wörtchen „wo“ als Relativpronomen noch ernst genommen wird, da sieht selbst die Sprachavantgarde irgendwie retro aus. Aber das macht vermutlich auch nichts.

Nicht zutreffende Treffer


18 Okt

Einem Revolverblatt wie dem Kölner Stadtanzeiger möchte man wenigstens eine gewisse Treffsicherhet zugestehen. Allein, die Verhältnisse, sie sind nicht so. Unter der Überschrift „Die Mutlosigkeit der TV-Macher“ steht in der Freitagsausgabe vom 17. Oktober 2008:

„Marcel Reich-Ranickis Kritik triff zwar die Richtigen, ist aber dennoch nicht ganz zutreffend“.

Wie nun? Trifft er oder trifft er nicht? Wenn sie nicht zutreffend ist, trifft sie gar keinen, weder den Richtigen noch den Falschen. Wenn sie zutreffend wäre, würde sie irgendwen treffen, ob richtig oder falsch sei dahingestellt. Doch soviel Treffsicherheit ist von den Revolverblatthelden der Kölner Tageszeitung nicht zu erwarten. Was lehrt uns das? Wer schießwütig ist, ist deswegen noch lange nicht zielsicher. Da kann der Kölner Stadtanzeiger von MRR noch einiges lernen.

Die F.A.Z. auf der Buchmesse


16 Okt

Wenn die F.A.Z., Deutschlands Tageszeitung für den konservativen Intellektuellen (Werbeslogan: „Dahinter steckt immer ein kluger Klopf“) auf die Frankfurter Buchmesse trifft, ja dann, so möchte man meinen, treffen zwei Giganten der Medienwelt aufeinander. Und dann, meint man weiter, ja dann hauen die klugen Köpfe in die Tasten ihrer Schreibmaschinen und es wird, wenn schon nicht Literatur, dann doch Prosa zum Fingerschlecken. In einer Zeit, die von Absagen nur so von sich reden macht (Fernsehpreise, Wirtschaftskrise), hat allerdings auch die F.A.Z. eine Absage für uns parat. Was dem intellektuellen Leitblatt nicht in den Kram passt, sind allerdings nicht Druckwerke, nicht überbewertete Neuerscheinungen oder tendenziöse Schriften, nein, es ist das Essen auf der Frankfurter Buchmesse:

„Wir boykottieren die Buchmesse. Nein, nicht die Bücher, sondern die Barbareien, die dort unwidersprochen und ungestraft als Essen verkauft werden. Es ist eine Schande, eine Beleidigung, kulinarischer Sadomasochismus, es ist zu arg: all diese Bratwürste in Altöl, Wiener-Schnitzel-Imitate unter Panadepanzern, brikettharten Brötchen mit dem immerselben Käse-Salami-Schinken-Trübsinn, diese schrecklichen Frittenbuden wie an Fernfahrerparkplätzen, diese Käsebrezeln, die aussehen, als hätten sie die Krätze, diese süßlichen Stände mit Nutella-Crêpes und Nutella-Mandeln, die viel zu früh die Luft mit Weihnachtsmarkt-Odeur verpesten“.

Dass auch die Liebe zum Buche durch den Magen geht, haben wir Literaturfreunde und Bücherwürmer uns allerdings anders vorgestellt. Und überraschend wie diese Absage ist auch ihre Quintessenz:

„Und überall lange Schlangen, freudlose Gesichter, halb aufgegessene Teller, jetzt wissen wir endlich, warum es während der Buchmesse immer regnet“.

Die F.A.Z.: Dahinter steckt immer ein kluger Kopf. Man würde ihr nur wünschen, wenn der ein oder andere auch im Blatt selbst stecken würde.

Der Wirtschaftsweise vom Spiegel


13 Okt

Schon als ich vor ein paar Wochen den Satz im Spiegel las, wurde ich stutzig. Damals zögert ich aber noch, ihn direkt hier im Anti-Medien-Blog anzuführen. Jetzt aber, wo mit der Wirtschafts- und Immobilienblase auch so manche journalistische Blase geplatzt ist, zog ich die alte Ausgabe (Heft 38/2008) noch einmal heraus. Dort eierte Autor Christian Reiermann unter der Überschrift „Oskars wundersame Welt“ über die wirtschaftspolitischen Ansichten des Linke-Chefs Osakr Lafontaine herum.

„Mit einer Mischung aus ökonomischen Halbwahrheiten, Trugschlüssen und Irreführungen treibt Linken-Chef Lafontaine die Konkurrenz vor sich her. Seine Thesen sind höchst angreifbar“.

Nun, die von Christian Reiermann und dem Spiegel sind es nicht minder. Und die Trugschlüsse, die hier dem Politiker vorgeworfen werden, führt der Kritiker unfreiwillig selber vor. Da heißt es:

„In Lafontaines Welt ist Wirtschaft ein Nullsummenspiel. Was einer gewinnt, verliert der andere. So aber funktioniert Wirtschaft nicht“.

So? Wie denn dann? Schon damals schmunzelte ich über den Satz, drückt die hier kritisierte ökonomische Weisheit doch beinahe ein synthetisches Urteil a priori aus, um mal mit Immanuel Kant zu sprechen. Was einer gewinnt, verliert der andere. Schon die Wörter Gewinnen und Verlieren drücken diesen Umstand aus, das ist die apriorische Wahrheit. Die Erfahrung der letzten Tage und Wochen mit dem Niedergang der Börsen und der Werte bestätigt es auch synthetisch. Da hätte Kant seine Freude. Und die Trugschlüsse und Irreführungen, die bleiben doch auf Seiten des Spiegel.

Anti-Medien-Blog

Die journalistische Notfallpraxis im Web von Hektor Haarkötter