Archive for the ‘Sprache’ Category

Immer diese Flüchtlinge


18 Jul

Ich bin hier auf der Arbeit und nicht auf der Flucht!

Das geflügelte Wort lenkt das Denken (jedenfalls dort, wo noch gedacht wird) auf den gar nicht selbstverständlichen Umstand, dass wer einen Arbeitsplatz hat, nicht flüchten muss, und umgekehrt wer auf der Flucht ist, zumeist nicht arbeiten darf. Arbeit machen dagegen die Flüchtlinge, und zwar einerseits unseren Politikern und andererseits unseren Journalisten, die das Wirken und Würgen der Politik in Worte verwandeln müssen. Welche Worte sie dafür wählen, hat großen Einfluss auf die Wirkung jenes Würgens und Werkens. Es lohnt sich darum, mal etwas genauer hinzusehen.

Der Kölner Stadtanzeiger hat dazu eine Infografik veröffentlicht, die Zahlen des Flüchtlingshilfswerks UNHCR illustrieren soll:

Quelle: KStA (eig. Screenshot)

Auffällig ist die Angabe, dass von den 19,9 Mio. Menschen, die weltweit im vergangenen Jahr auf der Flucht sich befanden, 31% in Europa Aufnahme gefunden haben sollen – und damit genau so viele wie auf dem afrikanischen Kontinent. Nur wenn man sich die Grafik näher ansieht, stellt man überrascht fest, dass diese Zahl 31% nur zustande kommt, wenn man die Türkei mit zu Europa zählt. Andernfalls wären es nämlich gerade mal 14% der Flüchtlinge, die in Europa Schutz finden – eine erbärmliche Zahl, wobei „erbärmlich“ ja vom „Erbarmen“ kommt, und gerade das lässt Europa in der Flüchtlingsfrage vermissen. Darüber hinaus halten sich die Massen an Flüchtlingen, die die Türkei aufnimmt, natürlich nicht auf dem (sehr kleinen) Teil der Türkei auf, der geographisch auf dem europäischen Kontinent liegt, sondern die allermeisten sind in der Osttürkei nahe der syrischen Grenze, wo diese Flüchtlinge nämlich in der Regel auch her kommen. Andererseits zählen zu Afrika nicht diejenigen Flüchtlinge, die in „Nordafrika“ sind, sonst würde man nämlich auf einen Blick sehen, dass die mit Abstand allermeisten Flüchtlinge, die aus Afrika kommen, ihren eigenen Kontinent niemals verlassen.

Mit solchen irreführenden Zahlenjonglagen wird auch in der Politik argumentiert, wenn eine scheinbare Notwendigkeit von „Ankerzentren“, „Transferzonen“ oder „Sammellagern“ aufgezeigt werden soll oder wenn von „Asyltouristen“ die Rede ist. Hier gibt es nicht nur moralische, sondern auch völkerrechtliche Verpflichtungen, denen gerade die wohlhabenden und prosperierenden Länder der Europäischen Union (EU) sich nicht entziehen können. Der ehemalige Bundesarbeitsminister Norbert Blüm (CDU) hat in einem Gastbeitrag in der Süddeutschen Zeitung darauf hingewiesen, dass man das Elend der Flüchtlinge nicht den Ländern des Trikonts überlassen darf:

„Wenn 500 Millionen Europäer keine fünf Millionen oder mehr verzweifelte Flüchtlinge aufnehmen können, dann schließen wir am besten den Laden ‚Europa‘ wegen moralischer Insolvenz“.

Allerdings darf an dieser Stelle darauf hingewiesen werden, dass besagter Norbert Blüm Regierungsmitglied jener Bundesrepublik Deutschland war, die im Jahr 1992 mit einer abgefeimten Grundgesetzänderung das Recht auf Asyl praktisch abgeschafft und dafür jene „Drittstaaten-Regelung“ eingeführt hat, auf der noch heute die vielzitierte Dublin II-Verordnung der EU basiert. Ein Binnenland wie Deutschland hat sich damit unfein aus der Affäre gezogen, denn es konnte und kann damit quasi nicht mehr in die Lage geraten, dass Asylsuchende oder andere Flüchtlinge an die Tore des Landes klopfen, weil sie ja stets schon einen „Drittstaat“ betreten haben müssen, um an die deutsche Grenze  zu gelangen. Schon damals in den 1990er-Jahren war diese Neuregelung niederträchtig und falsch, zumal der Asylartikel ja aufgrund der eigenen Flüchtlings-, Vertreibungs- und Exilgeschichte im Grundgesetz gelandet ist. Heute läuft diese Regelung darauf hinaus, dass eigentlich nur noch drei Länder „legal“ Flüchtlinge aufnehmen müssen, nämlich Italien, Griechenland und Spanien, während die anderen EU-Länder sich auf degoutante Art einen schönen Lenz machen können und sich larmoyant über die „illegalen Migranten“ echauffieren dürfen. Die genannten südeuropäischen Länder werden von der europäischen „Gemeinschaft“ im Stich gelassen, Solidarität ist anders. Wie das ganz praktisch funktionieren soll, hat im übrigen noch kein deutscher oder bayerischer Politiker erklärt: Warum auch, wenn man das Problem so einfach weg-delegieren kann. Dass in Italien aufgrund dieses internationalen Politikversagens postfaschistische und rechtsextremistische Parteien gewählt werden, darf einen nicht allzu sehr verwundern. In Deutschland muss man sie dagegen nicht wählen, wenn man die CSU hat – scheint jedenfalls die schändliche bayerische Logik zu sein.

Was hier insbesondere von bayerischen Regionalpolitikern vorgetragen wird, wenn sie von „Rücknahmeverpflichtungen“ und anderem bürokratischen Neusprech salbadern, entbehrt dabei auch noch der sachlichen Grundlage. Denn die genannten Länder würden ja sogar Flüchtlinge und Asylbewerber von der Bundesrepublik Deutschland „zurück“-nehmen (man kommt ja bei diesem Thema gar nicht darum herum, ständig „Anführungszeichen“ für die Vokabeln aus dem Wörterbuch des Unmenschen zu setzen …), allein Deutschland schickt sie gar nicht. Der Kölner Stadtanzeiger berichtet unter Verweis auf die Tageszeitung Die Welt:

„Die EU-Partner würden schon jetzt viel mehr solcher ‚Dublin-Fälle‘ zurücknehmen, als Deutschland ihnen überstelle, berichtet die Welt am Sonntag unter Berufung auf die Antwort der Bundesregierung auf eine Linken-Anfrage. So stellte Deutschland 2018 bis Ende Mai in 9233 Fällen solche Übernahmeersuchen an Italien. Das Land stimmte auch 8421 Mal einer Rücknahme zu – überstellt wurden aber nur 1384. Sicherheitsbehörden gäben als Hauptgrund an, dass die Migranten am Rückführungstermin nicht angetroffen würden. Ähnlich sei das Verhältnis bei Spanien: Bei 1849 Übernahmeersuchen stimmte das Land 1255 Mal zu – überstellt wurden 172 Migranten“.

Viel Lärm um nichts? Das kann man nicht sagen, denn es geht nicht um „nichts“. Es geht vielmehr um beinahe „alles“, jedenfalls wenn man Moralität und Gerechtigkeit noch einen Totalitätsanspruch zubilligt.

Sternstunden des Onlinejournalismus: Gewichtszunahme bei Schwangerschaft


21 Mrz

by-sassi/pixelio.de

Journalismus kann gewichtig sein, und das nicht nur im übertragenen Sinne, wenn es um pfundschwere Politik, starke Themen und fette Probleme geht. Nein, auch im ganz eigentlichen Sinne, wenn es um das Auf und Ab der Kilos geht, macht der Journalismus sich einen Namen, und sei’s durch Namensgebung bei Abnahmetipps wie der berüchtigten „Brigitte-Diät“.

Ein wunderbares Beispiel für die gewichtsreduzierende Power des Journalismus ist der durchaus leichtgewichtige Beitrag auf Spiegel Online zur Gewichtszunahme eines US-Models namens Chrissy Teigen.

„US-Model Chrissy Teigen erwartet ihr zweites Kind – und hat dementsprechend an Gewicht zugelegt. Nur offenbar nicht an den richtigen Stellen, wie die 32-Jährige nun kundtat“.

Die Polkappen schmelzen, der Nato-Partner Türkei erobert kurdische Städte in Syrien, in einer europäischen Hauptstadt werden zwei Passanten mit einem Nervengift attackiert, eine Regierung wird gewählt, andere Regierungen werden abgewählt, in Mittelamerika bebt die Erde, und Spiegel Online teilt uns mit:

„Das US-Model hat eigener Aussage zufolge in den vergangenen Wochen deutlich zugenommen – nur nicht an den Körperstellen, an denen sie es sich gewünscht hätte“.

Man stelle sich das vor: Nicht an den Körperstellen, an denen sie es sich gewünscht hätte! Nicht an den Körperstellen, an denen sie es sich gewünscht hätte!! Hier möchte auch der nur minimal an gesellschaftlichen Zusammenhängen Interessierte doch mehr wissen, womöglich sogar O-Ton jener Mrs. Teigen hören. Und siehe da! SpOn scheut Mühen und Zuckerersatzstoffe nicht, uns auch die tieferen Einsichten zu vermitteln:

„’40 Pfund mehr und nicht eine Unze davon hat an meinem Hintern angesetzt‘, schrieb die 32-Jährige. Scherzhaft bat sie ihre Follower dann, sich nicht über Frauen mit kleinem Po lustig zu machen“.

Kommt einem das lustig vor? Natürlich, und SpOn weiß auch den Grund dafür. Mrs. Teigen ist nämlich eine Lustige, und das sollte die Welt schließlich auch in einem qualitätsjournalistischen Medium erfahren:

„Teigen ist bekannt dafür, entspannt und humorvoll mit ihrem Körper umzugehen. Im vergangenen Jahr etwa postete sie ein Foto von Dehnungsstreifen auf ihrem Oberschenkel. Teigen ist mit dem Sänger John Legend liiert, die beiden haben bereits eine gemeinsame Tochter, Luna“.

Carl Jensen, der Gründer des US-amerikanischen Project Censored, hat solcherlei Leichtgewicht-Journalismus als „Junk Food News“ bezeichnet, „sensationalized, personalized, and homogenized inconsequential trivia“. Das wirkt zwar harmlos, im schlimmsten Fall, wie dem hier zitierten von den richtigen Kilos an den falschen Stellen eines amerikanischen Fotomodells, idiotisch, aber es hat doch eine tiefere Bedeutung: Die News-Kanäle werden nämlich geflutet mit solch trivialen, bedeutungs-, hirn- und geschmacklosen Pseudo-Nachrichten. Der Kanal ist dann voll und verstopft für die wesentlichen und relevanten Meldungen, die womöglich tatsächlich Einfluss auf das Leben der Leserinnen und Leser haben könnten. Die Kilos nehmen zu, aber es purzeln nicht die Pfunde, sondern die Nachrichten, die das Leben verändern oder die Welt verbessern könnten.

Es sollte noch dazu gesagt werden, dass die fassungslos dämliche Geschichte von den Kilos dieses unsäglichen Modells nicht auf dem fetten Misthaufen von Spiegel Online gewachsen ist. Nein, die Deutsche Presse-Agentur hat sie verbreitet. So viel zur Relevanz von Nachrichten, die von Presse-Agenturen herausgegeben werden.

Afd-Frontfrau Alice Weidel will keine „Nazi-Schlampe“ sein


03 Mai
Extra3AfD

Christian Ehring, Moderator von Extra3 (NDR)

Die Partei „Alternative für Deutschland“ (AfD) will das NDR-Satire-Magazin Extra3 verklagen. Die beim AfD-Bundesparteitag in Köln zur neuen „Front“-Frau gewählte Alice Weidel erklärte ebendort:  „Die politische Korrektheit gehört auf den Müllhaufen der Geschichte.“ Extra2-Moderator Christian Ehring konterte darauf: „Jawohl, lasst uns alle unkorrekt sein. Da hat die Nazi-Schlampe doch recht“.

Die Frankfurter Rundschau kommentiert dies, in übrigens äußerst korrektem Deutsch:

„Selten ist bisher eine Forderung der AfD in einer Sendung des öffentlich-rechtlichen Programms so mustergültig umgesetzt worden. Ehring zeigte sehr präzise, was geschieht, wenn der Sprache das als „political correctness“ verhöhnte zivilisatorische Minimum  genommen und die Diffamierung des politischen Gegners zum umgangssprachlichen Standard erklärt wird. Das entsprach einerseits  – wenn auch nur im Wortsinn – der Forderung der AfD-Politikerin, andererseits war es allerberste Aufklärung: Nichts anderes ist die Aufgabe der Satire“.

Der entsprechende Ausschnitt der Sendung lässt sich (noch) bei YouTube ansehen:

Exklusive Probefahrt im neuen BMW?


19 Sep
bmw_5er_test

Foto: BMW

Da hat AutoBILD aber mal wieder so richtig die Nase vorn gehabt. Erst Anfang des neuen Jahres soll der neue 5er-BMW vorgestellt werden, aber die AutoBILD-Reporter haben ihn jetzt schon. In der Einsamkeit walisischer Hügel und Schafherden dürfen sie ihre exklusive Fahrt ins Blaue machen:

„Der neue BMW 5er wird Mitte Oktober vorgestellt. AUTO BILD ist exklusiv mit einem 530d-Prototyp unterwegs gewesen“.

Für so viel Exklusivität bedankt sich Autor Stefan Voswinkel natürlich artig, und neben der Motorjournalismus-typischen Hubraum-Metaphorik und Kardanwellen-Poesie wird ein kleines Fazit spendiert, dass die PR- und Markting-Abteilung des bayerischen Autobauers jubeln lassen wird:

„Am Ende dieser ersten Testfahrt hat der 5er technisch deutlich mehr überrascht als gedacht. So konservativ er gezeichnet ist, so erfrischend lässt er sich durch jede Menge Feinarbeit im Detail bewegen, macht Spaß wie nie zuvor“.

Exklusivität heißt übrigens so viel wie „Ausschließlichkeit“. Journalistisch drückt man damit im allgemeinen aus, dass man eine Geschichte präsentiert, die sonst niemand hat. Ist das denn wirklich so bei der Spritztour von AutoBILD mit dem neuen 5er BMW?

Welt.de: Der neue 5er macht mehr Spaß als die E-Klasse!

Auto Motor und Sport: Erste Testfahrt im BMW 5er

RP Online: BMW 5er – erste Probefahrt noch mit Tarnkleid

MotorTalk: Neuer BMW 5er (G30): Fahrt im Prototypen

Stern.de: Der König der Business-Klasse katapultiert den Fahrspaß in eine neue Dimension

Mit der letztgenannten Schlagzeile von Stern.de wird AutoBILD nicht nur die Exklusivität, sondern auch noch die Auszeichnung für die ranschmeisserischste Werbephrase in einem Pressebericht genommen. Nein, exklusiv war bei der Testfahrt mit dem neuen BMW-Auto gar nichts. Übrigens war auch ein dpa-Kollege dabei, sodass dessen Fahrbericht sich gleich im Aberdutzend im Internet findet. Es handelte sich hier um eine, vermutlich vom Autobauer finanzierte, Pressereise, bei der ein offenbar großer Tross von Autojournalisten in Britanniens Westen geschafft wurde (inkl. Unterbringung im Luxushotel), um im verklebten und abgedeckten Wagen in Begleitung eines BMW-Ingenieurs eine Runde drehen zu dürfen. Der Testwagen war übrigens auch immer derselbe, wie die verschiedenen Fotos der Motormagazine mit einem Wagen mit immer demselben Nummernschild (M-YM 5431) verraten.

Lustig darum auch die Formulierung der „Autozeitung“:

„Zum Kennenlernen an einem geheimen Ort im Westen Großbritanniens stehen noch größtenteils getarnte Vertreter der neuen 5er-Generation in Reih‘ und Glied. Kein Mensch darf hier mit einem Smartphone herumschlichen. Es gilt höchste Foto-Warnstufe. Für uns gibt es eine Ausnahme“.

Eine Ausnahme gab es offenbar nicht nur für die investigativen Reporter der „Autozeitung“, sondern für jeden BWM-Interessierten, der nicht bei 5 auf den Bäumen war, um dem 5er noch aus dem Weg zu gehen.

Umfahren wird neben walisischen Schafherden auch, dass es eigentlich wenig Neues zu schreiben und nahezu nichts zu sehen ist bei dieser „exklusiven“, „geheimen“ Gelegenheit. Denn nicht nur das äußere Chassis, sondern auch das Innenleben ist bei der Probefahrt noch zugedeckt. AutoBILD löst auch dieses Problem prosaisch:

„Viel interessanter sind eh die inneren Werte. Zwar ist noch alles abgedeckt – was aber zu erkennen ist: Das Layout, die weichen Kunststoffe, der riesige Touchscreen und die optionale Gestensteuerung erinnern an den größeren 7er.“

Das wäre doch mal einen Sprachpreis für die gelungenste paradoxe Formulierung wert: „Viel interessanter sind eh die inneren Werte. Zwar ist noch alles abgedeckt …“. Benjamin Bessinger von RP Online hat regelrecht Feuer gefangen für das Gefährt — oder für die schicke Pressereise, zu der er auch beim nächsten Mal wieder eingeladen werden möchte:

„Der neue Fünfer fühlt sich auf den engen Straßen tatsächlich engagierter an als seine Konkurrenten und schürt ein Feuer im Fahrer, als wäre er ein verkappter Sportwagen, den man nur widerwillig in das Gewand einer Limousine gesteckt hat“.

Auch Thomas Geiger von der Tageszeitung Die Welt möchte gerne beim nächsten Mal wieder eingeladen werden und übernimmt entsprechend hörig die PR-Formulierungen aus dem Marketing-Booklet für Journalismus-Autisten:

„Auf den rauen, welligen Pisten in regnerischen Hügellandschaften perfektionieren sie [die BMW-Ingenieure] zwischen Schafsweiden und Moorwiesen eine Tugend, die in Zeiten der Digitalisierung fast ein bisschen in Vergessenheit geraten ist, obwohl BMW sie wie einen Nachnamen sogar im Firmenschriftzug führt: die Freude am Fahren“.

Was die meisten dieser ach so exklusiven Geschichten nicht sagen, ist, dass es über das neue Auto von BMW gar nicht so viel zu sagen gibt, weil es sich vom Vorgänger der gleichen Baureihe kaum unterscheidet. Auto Motor und Sport spricht es im Nebensatz aus, wenn das Blatt feststellt, dass der neue 5er nur „behutsam verändert“ worden ist. Das Resümee von Stefan Miete von der „Autozeitung“ (H.20/2016) wird schon etwas deutlicher, wenn er notiert, dass eine „Designrevolution“ ausgeblieben sei. Immerhin liefert er auch eine Begründung, warum es eigentlich nichts Neues zu erzählen gibt:

„Kunden der Oberklasse schätzen Kontinuität“.

Shakespeare würde an dieser Stelle sagen: Viel Lärm um Nichts.

 

Welt.de: Sternstunden des Online-Journalismus


18 Sep
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Foto: Pixabay (PD)

„Forscher diskutieren: Wird der Buchstabe V etwa abgeschafft?“ So ist es auf welt.de zu lesen. Das ist natürlich ein dicker Hund, da liest man natürlich sofort weiter. Nach dem 13. Schuljahr, der Sendung „Wetten, dass“ sowie der steuervergünstigten Lebensversicherung will man uns jetzt auch noch den Buchstaben „V“ wegnehmen?

Aber schon beim flüchtigen Lesen des Welt-Beitrags kommen einem leise Zweifel. Gibt es wirklich Forscher, die das „V“ abschaffen wollen? Und wer hat eigentlich die Verfügungsgewalt über unser Alphabet?

Ich nehme mal direkt die Pointe vorweg: Niemand will den Buchstaben „V“ abschaffen. Es gibt auch keine „Forscher“, die darüber „diskutieren würden. Das einzige, was es gibt, ist eine kleine Rubrik auf der Webseite der Gesellschaft für Deutsche Sprache e.V., in der Fragen zu sprachlichen Zweifelsfällen gestellt werden können. Und im jüngsten Posting dieser Rubrik wird die Frage gestellt:

Ein koreanischer Freund wollte wissen, was der Unterschied zwischen ‹V› und ‹F› sei. Nun frage ich mich, ob der Buchstabe ‹V› überhaupt eine Berechtigung in der deutschen Sprache hat. Oder gibt es Fälle, in denen er weder durch ein ‹W› noch durch ein ‹F› ersetzt werden kann?

Hierauf gibt tatsächlich ein Mitarbeiter der Gesellschaft für Deutsche Sprache die durchaus richtige Antwort, dass in allen Fällen im Deutschen lautlich der Buchstabe „V“ entweder durch „W“ oder „F“ ersetzt werden könnte. Aber weder lässt sich daraus eine „Diskussion“ ableiten, noch fordert irgendjemand ernsthaft, einen Buchstaben „abzuschaffen“.

Der Autor der Welt-Zeilen schreibt denn auch einfach fleißig dieses Posting der Gesellschaft für Deutsche Sprache e.V. ab. Dort wo er, vermutlich aufgrund nachlässigen Googlens, doch noch etwas selbst hinzufügt, ist es prompt falsch. Zum Beispiel diese Behauptung hier:

Das klassische Latein unterscheidet die Laute U und V nicht.

Das ist schon rechter Schmarrn, denn natürlich unterscheidet der Lateiner von Alters her den „ursus“ (lat. der Bär) von der „victoria“ (lat. der Sieg). Dass in Stein gemeißelt das „U“ bei den Römern häufig wie ein „V“ aussah, hat tatsächlich keine lautlichen Gründe, sondern Meißel-Gründe.

Übrig bleibt, dass Clickbate-Geschichten nicht einmal vor der deutschen Sprache und der dazugehörigen Gesellschaft halt machen. Obwohl hier eigentlich noch nicht mal von einer Geschichte gesprochen werden kann. Es ereignete sich auf der Welt-Webseite, um mal sehr frei mit Robert Gernhard, bewegtes Nichts, und dann kehrte wieder Ruhe ein.

 

Kölner Stadtanzeiger: Trennung von Bericht und Kommentar nicht so wichtig


23 Jul

Die Trennung von Bericht und Kommentar im Journalismus ist in Deutschland erst jüngeren Datums. Schon lange vor der NS-Zeit war Presse hierzulande Meinungspresse, häufig sogar Parteipresse. Erst nach dem Zweiten Weltkrieg hat man sich in (West-)Deutschland dem anglo-amerikanischen Stil der objektiverenden Berichterstattung mit klarer Trennung von berichtenden Darstellungsformen und solchen eher meinungsbildenden (oder: -formulierenden) Typs angepasst. Jedenfalls auf dem Papier. Oder noch nicht mal da?

Jedenfalls ist diese Trennung im Alltag schwer aufrechtzuerhalten. Was ist eine Wertung? Was ist eine Meinung? Und was ist keine? Hinter jeder Vokabel kann eine Wertung stecken, jedes Adjektiv ist die auch subjektive Beimessung von Eigenschaften, die jemand anders eben, naja, anders sehen könnte.

Auch der Kölner Stadtanzeiger gibt vor, Kommentar und Bericht zu trennen. So gibt es eine eigene Seite im ersten Buch, meistens die Seite 4, die explizit „Meinung“ überschrieben ist. Und auch im Sportteil, etwa in der gestrigen Ausgabe, gab es einen Text, der mit „Kommentar“ gekennzeichnet war: Es war eine Stellungnahme von Sportredakteur Frank Nägele zum Wechsel des Fußballers Mario Götze zu Borussia Dortmund. Auf der gleichen Seite des Sportteils gab es aber auch einen Beitrag über die Bezahlung von TV-Experten bei Fußballübertragungen von Cristiane Mitatselis unter der Überschrift „Neues aus der Welt der überbezahlten Experten“.

Als Kommentar ist dieser Beitrag nicht gekennzeichnet. Es soll sich also wohl um einen sachlichen, „objektiven“ Bericht handeln. Schon diese Überschrift macht jedoch stutzig, weil das Adjektiv „überbezahlt“ natürlich eine ziemlich starke Wertung enthält. Und dann findet man im vorletzten Absatz eine ganze Reihe Fragen:

Fußball ist der Sport, den alle sehen wollen. Aber müssen auch die Kosten rundherum so hoch sein? Müssen die Sender Stars um jeden Preis einkaufen? Müssen sie den Gehalts-Irrsinn, der den Profi-Fußball beherrscht, in den TV-Bereich übertragen? Sollten sie nicht vielmehr nachvollziehbare Honorar-Sätze festlegen – und im Zweifelfall auf teure Stars verzichten?

Der Fragesatz ist in journalistischen Texten besonders intrikat: Wer etwas zu berichten hat, der spricht in Aussagesätzen, nicht in Fragesätzen. Was also machen Fragen, außerhalb von Interviews, überhaupt in journalistischen Texten? Haben sie dort etwas zu suchen? Sollte jemand fragen stellen, der nur Tatsachen konstatieren möchte?

Nein. Wer Fragen stellt der wertet, er stellt nämlich etwas in Frage. Die journalistische Frage ist darum ein versteckter Kommentar. Nicht nur implizit, sondern explizit macht die Autorin dann so meinungsschwanger weiter:

Für ARD und ZDF müsste Transparenz verpflichtend sein. Sie sollten erläutern, welche Personalpolitik sie verfolgen. Das beleidigte Schweigen der Sender kann nicht die Antwort sein. So wird es neue Enthüllungen geben, neue schockierende Honorar-Zahlen. Und immer mehr zu recht empörte Zuschauer.

„Müssen“, „sollen“, „schockierend“, „empört“: Die Sachebene neutraler Berichterstattung ist hier längst verlassen. Hier werden nicht Tatsachen dargestellt, sondern Handlungsmaximen formuliert, Empfehlungen gegeben, Normen aufgestellt. Das ist prinzipiell nicht ungehörig, sollte dann aber eben doch als Meinungsbeitrag kenntlich gemacht werden: Das wäre fair dem Leser und der Leserin gegenüber. Geschmäckle bekommt ein solch tendenziöser Beitrag dadurch, dass Zeitungsverlage gegenüber Fernsehsendern ja keine neutralen Beobachter sind, sondern sich häufig als Konkurrenten oder gar Gegner verstehen — Stichwort Tagesschau-App, Verleger-Fernsehen, Lokalberichterstattung etc.

Zeitungen dürfen und sollen Fernsehsender kritisieren, öffentlich-rechtliche zumal. Aber sie sollten ihre Kritik dann auch als solche kenntlich machen. Sonst geht der (Tor-)Schuss nach hinten los.

Postscript: Das an dieser Stelle verwendete Foto von Günter Netzer und Gerhard Delling vor einer ARD-Wand habe ich zwischenzeitlich entfernt. Die „dpa-Picture Alliance“ fand es angemessen, Rechte an diesem Bild zu reklamieren und mich deswegen abzumahnen. Schade, dass die Deutsche Presse-Agentur (dpa) auf diese Weise mit Bloggern umgehen muss, die nicht-kommerzielle Seiten führen, um dem Journalismus qualitativ ein bisschen auf die Sprünge zu helfen.

Sternstunden des Onlinejournalismus


01 Jul

BildschirmfotoAch, er kann so schon sein, der Onlinejournalismus. So schnörkellos, von poetischer Tiefe, von sanfter Sprachmacht. Er kann natürlich auch so sein:

Diese Rückansicht verzückt. Doch wem gehören diese wunderschönen Rundungen? Eines ist klar, es steckt eine Blondine dahinter, die offenbar sehr mit ihrem Körper zufrieden ist. Und das kann sie auch sein, denn immerhin hat unser gesuchter Star bereits zwei Söhne zur Welt gebracht.

Zu lesen auf der Website des Nachrichtensenders ntv unter der Überschrift „Verruchter Popo-Knipser: Kate zeigt nackte Kehrseite“. Gratulation!

Kölner Silvesternacht: Polizei und Medien sind auf den Hund gekommen


09 Jan
Kölner Polizei ist auf den Hunde gekommen? (Foto: Haarkötter)

Ist die Kölner Polizei auf den Hund gekommen? (Foto: Haarkötter)

Irgendwie kann ich mich des Eindrucks nicht erwehren, dass die Übergriffe und Geschehnisse einer Silvesternacht rund um den Kölner Hauptbahnhof gerade zur rechten Zeit passierten. Diejenigen, die ohnehin schon immer der Meinung waren, dass die arabischen Flüchtlinge, die vermehrt seit letztem Jahr nach Deutschland gekommen sind, frauenfeindliche und gesetzesbrecherische Subjekte seien, dürfen jetzt ihre Urteile und vor allem ihre Vorurteile bestätigt fühlen. Andere bilden diese Vorurteile jetzt vielleicht allmählich aus.

Was mich aber verwundert, ist das gewaltige Medienecho, dass die Ereignisse mit extremer Zeitverzögerung hervorrufen. Es scheint doch fast, nicht nur die Kölner Polizei und ihr mittlerweile beurlaubter Polizeipräsident Albers, sondern auch größere Teile der Medien seien auf den Hund gekommen. Schließlich ist die Informationslage nach wie vor spärlich: Offenbar waren in der Kölner Silvesternacht nicht nur keine (oder kaum) Polizisten in der Millionenstadt am Rhein unterwegs, sondern auch keine Journalisten — obwohl gefühlt doch jeder Zweite in dieser Stadt „irgendwas mit Medien“ macht.

Das Zweite Deutsche Fernsehen (ZDF) meinte sogar, sich entschuldigen zu müssen, weil sie „zu spät“ über das Geschehene berichtet haben:
ZDF_Entschuldigung_FB2016Eigentümlich auch die Berichterstattung des Kölner Stadtanzeigers. Immerhin hat er (anders als das ZDF) schon in seiner Montagsausgabe berichtet, und dabei sogar bereits das Verhalten der Polizisten thematisiert. Doch der Aufmacher der folgenden Freitagsausgabe ließ mich doch die Stirn kratzen. „Herkunft von Verdächtigen in Köln vertuscht“ behauptet die Schlagzeile. In der Zeile darunter heißt es dann aber: „Interne Polizeimeldung wurde bewusst entschärft“. Aber ist denn „vertuschen“ dasselbe wie „entschärfen“?

 

KStA Silvestersmall

Immerhin kann es ja gute Gründe geben, Meldungen zu entschärfen. Etwa um rechten Scharfmachern nicht noch mehr Zunder zu geben. Oder um bestimmte gesellschaftliche Konflikte nicht weiter eskalieren zu lassen. Oder womöglich schlicht, weil etwa die Herkunft von Straftätern schlicht irrelevant für die Straftat ist.

Bei sexuellen Belästigungen könnte es sich immerhin so verhalten. Bemüht man die Statistik (bspw. die des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend), so haben über 58% aller Frauen in Deutschland bereits Situationen sexueller Belästigung erlebt. In den seltensten Fällen waren die Belästiger ausländischer Herkunft. Soll man denn nun Männer deutscher Herkunft, die Frauen sexuell belästigen, auch in sichere oder unsichere Drittstaaten abschieben? Das könnte zu einer erheblichen Dezimierung der männlichen Bevölkerung Deutschlands führen — und ich mutmaße, in den Reihen von Pegida, AFD & Art- sowie Parteigenossen, naja, auch.

Petra Sorge vom Magazin Cicero weist darauf hin, dass die schlechte Informationslage zu gewagten, vor allem aber zu Falschinterpretationen der Medien geführt hat:

Gegen 21 Uhr fielen nach Polizeiangaben etwa 400 Männer auf dem Bahnhofsvorplatz auf, weil sie stark alkoholisiert waren und mit Feuerwerkskörpern auf Passanten schossen. Die Gruppe wuchs bis 23 Uhr auf 1000 Personen an. In keiner der drei bislang veröffentlichten Pressemitteilungen ging die Polizei auf diese große Zahl ein; die Aussage fiel lediglich mündlich auf der Pressekonferenz.Dass diese Zahlen bislang nicht bestätigt sind, darauf wiesen nur wenige Medien hin. Vielerorts wurde die Aussage indes verkürzt. Bei Stern.de heißt es in einer Meldung: „Etwa 1000 Männer versammelten sich in der Silvesternacht am Kölner Hauptbahnhof. In Gruppen haben sie Frauen umzingelt, sexuell belästigt und ausgeraubt.“

Nein, es waren nicht alle Männer an allen Straftaten beteiligt, wie das diese Nachricht suggeriert, oder wie es die Deutschen Wirtschafts-Nachrichten direkt behaupteten: „Etwa 1.000 Männer haben Frauen belästigt.“ Es sind gefährliche Falschmeldungen, die sich ins öffentliche Gedächtnis fräsen.

Aber gerade das enorme internationale Medienecho ist, so steht zu vermuten, auch durch diese scheinbar großen Zahlen aufgekommen. Etwas mediale Zurückhaltung hätte hier gut getan. Man kommt ja heutzutage so schnell auf den Hund.

Kölner Polizei beim G8-Gipfel (Foto: Haarkötter)

Kölner Polizei beim G8-Gipfel (Foto: Haarkötter)

The german „Angst“


11 Nov
Foto: Victor Bezrukov/Wikimedia

Foto: Victor Bezrukov/Wikimedia

Einer der Topoi, die in der Berichterstattung über die sogenannte Flüchtlingskrise die Runde macht, ist der von den „Ängsten in der Bevölkerung“, die man doch bitteschön „ernst nehmen“ müsse. Bundesinnenminister De Maizière äußerte sich so, SPD-Chef Siegmar Gabriel, der Berliner Bürgermeister Buschkowsky. Aber was heißt das eigentlich, „Ängste ernstnehmen“, und geht das überhaupt?

Ängste gehören in den Affekthaushalt des Menschen. Sie entziehen sich damit gerade rationaler Erörterung. Wer Angst hat, reagiert affektiv, emotional, nicht vernunftgesteuert. Eine Sache ernstnehmen dagegen bedeutet, sie sachlich und rational von allen Seiten zu erörtern, ihr Gewicht geben, ihr eben einen „Ernst“ zuzumessen, der auch hinterfragbar ist und entsprechend auch falsifizierbar.

Wer Angst hat, hat immer recht. Man kann schließlich vernünftigerweise niemandem seine Gefühle absprechen. Wenn Politiker oder Journalisten öffentlich dazu auffordern, „Ängste ernstzunehmen“, sagen sie nichts anderes, als dass die Ängstlichen recht haben, egal welche Argumente sie vortragen oder ob diese stichhaltig, schlüssig oder nachvollziehbar sind. „Ängste ernstnehmen“ heißt Ende der Diskussion. Politik sollte aber das Gegenteil tun, und Journalismus auch: Sollte zur Diskussion ermutigen, Argumente abwägen.

„The german Angst“ ist auch international schon sprichwörtlich geworden. Der Unisys Security Index misst mit den Methoden der Marktforschung alle halbe Jahre das Gefühl der nationalen, finanziellen, Internet- und persönlichen Sicherheit. Je höher der Wert dieses Index, desto ängstlicher. Die Deutschen erreichen auf dieser Skala einen Wert von 146 von 300 erreichbaren Punkten. Zum Vergleich: Großbritannien erreicht auf der Angst-Skala lediglich einen Wert von 103, die Niederlande sogar nur 66. „Die ‚German Angst‘ steckt tief in unseren Genen“, schreibt dazu die Tageszeitung Die Welt. Deutschland ist vorgeblich das Land der Dichter und Denker, doch statt nachzudenken, ängstigt man sich doch lieber.

„German Angst“ ist auch kein neues Phänomen. Schon der amerikanische Schriftsteller Thomas Wolfe konstatierte bei einer Deutschlandreise im Jahr 1936 eine tiefsitzende Angststörung:

Ihm wurde klar, dass diese ganze Nation von der Seuche einer ständigen Furcht infiziert war: gleichsam von einer schleichenden Paralyse, die alle menschlichen Beziehungen verzerrte und zugrunde richtete. Der Druck eines ununterbrochenen schändlichen Zwanges hatte dieses ganze Volk in angstvoll-bösartiger Heimlichtuerei verstummen lassen, bis es durch Selbstvergiftung in eine seelische Fäulnis übergegangen war, von der es nicht zu heilen und nicht zu befreien war.

Nein, wir sollten Ängste nicht ernst nehmen. Was wir, gerade auch in der journalistischen Berichterstattung, ernst nehmen sollten, das ist das Reden über Ängste, das Hofieren der vermeintlich Ängstlichen durch gewisse Politikerinnen und Politiker. So äußerte sich etwa Timo Stein im politischen Magazin Cicero, und er sei darum hier zitiert:

Nehmen wir ernst, was ernst zu nehmen ist. Und beäugen wir mit der gebotenen Portion Skepsis das Hofieren wütender Kleinbürger ins demokratische Spektrum durch die politische Klasse.Nehmen wir die hoffentlich nach wie vor große Mehrheit ernst, die sich hinter keinem Akronym versteckt, die sich nicht in Dresden oder Hannover tummelt, keine Angst davor hat, dass der Christstollen seine abendländische Identität verliert, dass die Gesellschaft durch verburkatisierte Mullahs infiltriert wird oder die Genderisierung die deutsche Sprache abschafft. Nehmen wir ernst und wahr, dass offensichtlich notleidende Asylsuchende ausreichen, um dieses Land mit einem Mehltau der Ignoranz zu überziehen. Und das in einer Zeit, in der die Gesellschaft mit den NSU-Morden noch einen riesigen Berg an Aufarbeitung zu bewältigen hat. Anstatt verschwimmenden Ängsten Autorität und Legitimität zu verleihen, sollte man besser das Feuer ernst nehmen, das in drei geplanten Flüchtlingsunterkünften in Bayern brannte. Gleiches gilt für die Hakenkreuzschmierereien und fremdenfeindlichen Parolen, die dort hinterlassen wurden.

Subventionen für den Journalismus


28 Okt
Bild: Bernd Kasper/Pixelio

Bild: Bernd Kasper/Pixelio

Im Journalismus wird viel mehr subventioniert, als einem lieb ist.

Das merkt man gerade wieder im Zuge des VW-Skandals, bei dem der Wolfsburger Autobauer Volkswagen durch Software-Manipulationen den echten Stickoxid-Ausstoß verschiedener Dieselmodelle verschleiert hat. Diesel ist in Deutschland an den Zapfsäulen deutlich günstiger als normales Benzin. Für Journalisten ist klar: Das ist eine Subvention.

VW-Abgasskandal: Warum wird Diesel subventioniert? (Handelsblatt)
Vier Argumente gegen weitere Diesel-Subventionierung (Zeit)
Steuervorteile für Diesel: Subventionen für Dreckschleudern (taz)

Zugegeben, es gibt keine eindeutige Definition des Begriffs Subvention. Aber das heißt noch nicht, dass jede Einkommensquelle, die der Staat nicht erschließt, gleichbedeutend ist mit einer staatlichen Beihilfe. Dann könnte man nämlich auch behaupten, dass der Staat Luft subventioniert, weil darauf keine Steuer erhoben wird. Dass der Staat also eine niedrigere Steuer für eine bestimmte Kraftstoffart nimmt, ist zwar eine Steuererleichterung, aber deswegen noch lange keine Subvention. So wie es keine Subvention ist, wenn der Staat Verheiratete mit Kindern niedriger besteuert als Singles ohne Kinder. Es gibt auch keine Steuern auf Blattgrün, trotzdem subventioniert der Staat nicht den deutschen Wald. Er sollte vielleicht mal damit anfangen, den Wald zu unterstützen, dann aber nicht mit Subventionen, sondern mit intelligenteren Mitteln.

Anti-Medien-Blog

Die journalistische Notfallpraxis im Web von Hektor Haarkötter