Archive for the ‘Sprache’ Category

Geprothmannt: Abmahnung wegen quantitativer Medienanalyse


26 Aug
Blogger Hardy Prothmann (Foto: Twitter)

Blogger Hardy Prothmann (Foto: Twitter)

Da sage noch einer, quantitative Medieninhaltsanalysen würden nichts bringen: Der Mannheimer Blogger und Hyperlokaljournalist Hardy Prothmann hat mal gezählt, und zwar die Leserbriefe in der örtlichen Tageszeitung „Mannheimer Morgen“. Anlass sind die kommunalpolitischen Auseinandersetzungen rund um die für das Jahr 2023 geplante Bundesgartenschau in Mannheim. Bei einem Bürgerentscheid hatte sich die Mehrheit der Mannheimer Bürger für die Buga23 ausgesprochen. Doch die Leserbriefseiten des „Mannheimer Morgen“ vermitteln ein ganz anderes Bild. Prothmann in seinem Rheinneckarblog:

„Weil ich aber nicht einfach irgendwas behaupte, hat sich mein kleines Redaktionsteam die Mühe gemacht und mit ingesamt 50 Personalstunden die veröffentlichten Leserbriefe eines ganzen Jahres in Ihrer Zeitung in Zahl und Inhalt ausgewertet und kategorisiert. (…) Es wurden sowohl positive wie negative “Lesermeinungen” veröffentlicht. Aufgrund unserer Recherche stellte sich aber heraus, dass die Veröffentlichung “ablehnender” Leserbriefe deutlich mit einem gerundeten Faktor 6:1 überwiegt“.

Nun haben Geschäfts- und Redaktionsleitung des „Mannheimer Morgen“ gleich zwei Abmahnungen an Prothmann geschickt. Denn Prothmann spricht vom „gesteuerten Betrug der Leser“ und zieht das Fazit:

„Die regionale Monopolzeitung Mannheimer Morgen informiert ihre Leser/innen nicht- sie manipuliert sie.“

Seine Ansichten belegen Prothmann und sein Rheinneckarblog allerdings auch mit Zahlen:

Grafik: Rheinneckarblog

Grafik: Rheinneckarblog

Der Chefredakteur des „Mannheimer Morgen“, Dirk Lübke, verteidigt sich im Interview mit dem KressReport:

„Unsere Glaubwürdigkeit wird von unseren Lesern sehr positiv bewertet. Die Behauptung des gesteuerten Betrugs am Leser gegen den Mannheimer Morgen diskreditiert unsere demokratisch-journalistischen Werte und unsere Glaubwürdigkeit auf eine Art und Weise, die wir – bei aller Freiheit des Wortes – nicht stehen lassen können“.

Auf die konkreten Vorwürfe Prothmanns geht Chefredakteur Lübke allerdings ebenso wenig ein wie er die zahlenmäßige Inkongruenz bei den Leserbriefen zur Buga23 erklären kann.

 

Spiegel contra Schwaben: Hauptsache, der Leser hat nicht recht!


13 Aug

Grosses_Landeswappen_Baden-WuerttembergSpiegel-Kolumnist Jan Fleischhauer hat den Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble in seiner Kolumne „Der schwarze Kanal“ als „Schwaben“ bezeichnet. So weit, so unrichtig, denn der in Freiburg geborene Schäuble hat zeit seines Lebens in Südbaden gelebt — und bekanntlich wollen Badener und Schwaben so viel miteinander zu tun haben wie Vegetarier mit Schweinsbockwürstchen.

Doch in Zeiten gesteigerter Leser- und User-Partizipation bleibt so ein „faux pas“ natürlich nicht lange unbemerkt. Mehr als 20 Leserbriefe, so , die Leiterin des Spiegel-Leser-Services, hat es allein zu diesem Thema gegeben. Nun wäre der Fleischhauer’sche Lapsus ja leicht zu korrigieren: Eine kleine Richtigstellung im nächsten Heft, und damit hat sich’s. Doch damit wollte Spiegel-Autor Fleischhauer es nicht bewenden lassen. Denn bei all dieser schwäbisch-alemannischen Leser-Besserwisserei muss es doch immer noch einen geben, der es noch besser weiß. Und so meldet sich Fleischhauer in der Leserbriefspalte der Spiegel-Prinz-Ausgabe höchstpersönlich zu Wort und schurigelt seine frechen Kritiker:

Außerhalb von Baden-Württemberg ist der Baden-Württemberger ein Schwabe, so schmerzlich das für die Betroffenen auch sein mag (…) wenn sich ein Begriff als Gesamtbezeichnung einmal eingebürgert hat, ist es schwer, ihn wieder loszuwerden. Vielleicht ändert sich die Lage, wenn Freiburg sich vom Schwabenland abspaltet und autonomer Regierungsbezirk wird. Bis dahin wird im „Schwarzen Kanal“ aus Gründern der Allgemeinverständlichkeit weiter von Schwaben die Rede sein, fürchte ich.

Es ist schon sonderbar, dass ein Autor persönlich in den Ring steigt, um den eigenen Lesern noch einen rechten Haken zu versetzen. Aber noch sonderbarer ist die Argumentation, denn außerhalb der Spiegel-Redaktion hat sich der Begriff „Schwabe“ keineswegs als „Gesamtbezeichnung“ für die Bewohner Baden-Württembergs durchgesetzt, wie auch die Badische Zeitung und der Mannheimer Morgen völlig zurecht anmerken. Und erst recht eigenartig ist Fleischhauers Rekurs auf die (Berliner) Volksseele:

Ich habe noch nie jemanden in Prenzlauer Berg sagen hören: „Achtung, die Badener kommen!“ Es ist doch nicht vom Badener- Hass- sondern vom Schwaben-Hass die Rede.

Dabei hatte die Leiterin des Spiegel-Leser-Services den Fehler ihres Autors schon eingestanden:

Wir haben uns geirrt. Und Sie haben es gemerkt. SPIEGEL-Redakteur Jan Fleischhauer hat in seiner Kolumne „Der schwarze Kanal“ („Mr Pickelhaube“) über das Bild von Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble in der Weltöffentlichkeit folgenden Satz geschrieben: „Wie alle Schwaben kann er außerdem rechnen, was nicht brutal, sondern vernünftig ist.“ (…) Auch uns machen Fehler, die im Heft stehen, unglücklich. Denn wir verwenden viel Zeit darauf, für die Richtigkeit aller Fakten, die im SPIEGEL genannt werden, zu sorgen.

Doch mit seiner Richtigstellung belegt Autor Fleischhauer vornehmlich, dass er eines auf keinen Fall wollte, nämlich einen Fehler zugeben. Womit er es dann erst so richtig falsch gemacht hat. Hauptsache, der Leser hat nicht recht! Vielleicht sollte man das mit der User-Partizipation beim Spiegel noch einmal gründlich überdenken. Denn wer, wie der Spiegel, die Wahrheit gepachtet hat, will sich eben vom gemeinen Leser auch nicht dreinreden lassen. Erst recht nicht auf schwäbisch.

Neues aus der Floskelwolke


04 Dez

„Wenn die Menschheit keine Phrasen hätte, brauchte sie keine Waffen“, hat einst der Wiener Sprach- und Journalismus-Kritiker Karl Kraus geschrieben. Gerade die journalistische Sprache ist voll von Floskeln und stehenden Wendungen. Das hat häufig mit dem Zeit- und Aktualitätsdruck zu tun, unter dem journalistisch produziert wird: Ein Gemeinplatz ist da schneller aufgeschrieben als die originelle Formulierung.

Die beiden Nachrichtenjournalisten Udo Stiehl und Sebastian Pertsch haben nun im Internet die „Floskelwolke“ aufgehen lassen. Sie beschreiben ihr Projekt so:

Wer fast täglich mit Nachrichten zu tun hat, dem sind die altbekannten Formulierungen aus Politik, Wirtschaft, Kultur und Sport geläufig. Sie tauchen immer wieder auf, obwohl sie abgedroschen sind oder journalistischen Maßstäben nicht genügen. Wir Redakteure wissen das. Unser Publikum bemerkt es nur selten. Und die PR weiß das auszunutzen. (…) Wir greifen bei der Auswahl der Begriffe auf unsere Erfahrungen im Nachrichtengeschäft zurück. Anprangern wollen wir nicht. Wir möchten nur ein wenig nachdenklich machen.

Der Aufwand, den die beiden journalistischen Sprachkritiker betreiben, ist enorm. Es handelt sich um ein Beispiel für Datenjournalismus reinsten Wassers:

Wir werten die Websites nahezu aller deutschsprachigen Zeitungen, Radiosender, Fernsehsender und Magazine in Deutschland, Österreich und der Schweiz aus. Die bald startenden SocialMedia-Charts der Medien von Sebastian Pertsch sind Grundlage für diese Erhebung. Für die Floskelwolke analysieren wir rund 1.600 Domains, die etwa 2.400 Medien (inklusive Ressorts) repräsentieren.

 Die Darstellung erfolgt dann tatsächlich als Wortwolke oder „Wordl“ als auch statistisch aufbereitet als täglich aktualisiertes Säulendiagramm:
Screenshot Floskelwolke

Screenshot Floskelwolke

Alle Daten lassen sich auch als csv-Datei herunterladen, um selbst seine Datenanalysen am Floskelmaterial zu betreiben.

Fleischhauer macht Hackfleisch aus Spiegel-Image


03 Dez

spiegel01Eines muss man dem Nachrichtenmagazin Der Spiegel lassen: Seit seinem Re-Design und der Einführung neuer Rubriken weiß man als Leser noch ein bisschen besser, wo das Magazin steht. Die neu eingeführten Serien sind vor allem meinungsorientierte Darstellungsformen: Ein „Leitartikel“ soll die Redaktionsmeinung widerspiegeln und eine regelmäßige Kolumne, die irgendwo zwischen Glosse und Kommentar changiert und wechselweise von Jan Fleischhauer und Jakob Augstein befüllt wird, soll offenbar irgendwie Verve ins Blatt bringen.

Nun sind bekanntermaßen meinungsorientierte Darstellungsformen unter Journalisten deutlich beliebter als unter Lesern. Die Kommentarseite der Tageszeitung ist meist die erste, die überblättert wird, und die regelmäßigen Kommentare in den ARD-Tagesthemen stellen einen der Tiefpunkte des deutschen Fernsehens dar. Das Problem bei all diesen Schreibversuchen nämlich ist: Wer eine Glosse schreiben will, muss lustig sein. Schon den Streiflicht-Autoren der Süddeutschen Zeitung gelingt das oft nur leidlich. Und wer einen Kommentar verfassen will, muss eine Meinung haben. Auch das gälte es, zu überprüfen. Was den Spiegel da geritten hat, seinen Autoren jenseits des Markenkerns des Magazins, nämlich Nachrichten, das Feld für ihre Debattier-Übungen zu überlassen, bleibt umso fraglicher, wenn man sich die Kolumne von Jan Fleischhauer in dieser Woche ansieht.

Die Spalte trägt die Rubrikenüberschrift „Der Schwarze Kanal“. Schon das ist natürlich unerträglich. „Der Schwarze Kanal“ hieß eine agitatorische Sendung in der DDR von Karl-Eduard von Schnitzler, die wie keine zweite zeigte, dass ein Unrechtsstaat auch nur Unrechtsfernsehen kann. Will der Spiegel-Autor wirklich daran anschließen? Oder was will uns der Dichter sonst mit seinem Kolumnentitel sagen? Wird es vielleicht für Kollegen Fleischhauer erst spaßig, wenn bei anderen der Spaß aufhört?

Nun, mit etwas Nachdenken käme man hier vielleicht auf eine Antwort. Doch das mit dem Denken ist ja gerade das Problem. Um einen Kommentar zu schreiben, muss man eine Meinung haben. Der Autor des „Schwarzen Kanals“ hat aber keine. Ihm reicht es, die Vorurteile und ideologischen Verbrämtheiten des politischen Lagers, das er selbst wohl für das „schwarze“ hält, zu reproduzieren. Und das klingt dann beim Thema „Rente ab 63“ im Spiegel so:

„Wie man jetzt weiß, bewerben sich für die Nahles-Rente nicht Gerüstbauer und Eisenbieger, denen vor Erschöpfung die Zange aus der Hand fällt, sondern vor allem kerngesunde Facharbeiter, die noch locker ein paar Jahre im Job durchhalten würden“.

Jeder wirkliche „Schwarze“ würde sich schämen, einen solchen sprachlichen und inhaltlichen Nonsens von sich zu geben. Weder statistisch, noch medizinisch lassen sich Fleischhauers vermeintlich starke Worte belegen. Das will er auch gar nicht, denn in Wahrheit sind seine Ungereimtheiten ja ein Vorspiel nur für den eigentlichen Schlag in Manier des „schwarzen Kanal“. Tatsächlich will sich Jan Fleischhauer den präsumtiven „Schwarzen“ andienern, die auf einen solchen Schützenhelfer vermutlich lange gewartet haben, und richtet seine leeren Geschütze darum auf das schlimmstmögliche Übel, das die Republik zu bieten hat, nämlich die SPD:

„Die SPD ist stolz darauf, Arbeiterpartei zu sein. (…) Seit Längerem schon kümmert sich die Partei eher darum, wie man sich der Arbeit entzieht oder sie so gestaltet, dass sie nur ein Übergang zwischen Phasen der Freizeit ist“.

Frucht eifrigen Nachdenkens können solche Äußerungen schwerlich sein: Selbst im neoliberalsten Elysium eines Guido „spätrömische Dekadenz“-Westerwelle würden solch peinliche Floskeln nur mit Agenten-Tinte an die Höhlenwand gekritzelt. Unwillkürlich muss ich mir den Kollegen Jan Fleischhauer als einen fettgewordenen 50er Jahre-Parvenü vorstellen, der jeden Arbeitslosen für einen Faulenzer hält und mit dem Hähnchenschenkel in der Hand über nichtstuende Studenten und sozialschmarotzende Obdachlose schwadroniert, auch wenn das beigefügte Autorenbild für einen durchaus frugaleren Typus spricht. Aber Jan Fleischhauer sollte seine markigen Sätze mal den Arbeitslosen in den strukturschwachen Gebieten Ostdeutschlands oder im vom Strukturwandel gebeutelten NRW erklären. Und Jan Fleischhauer sollte das Ende bedenken, das im Strukturwandel des Printjournalismus bestehen und dem schwarzen Autor in Zukunft eine Menge Freizeit bescheren könnte. Das Ende seiner Kolumne übrigens ruft dann, weil ja auch sonst nichts Vernünftiges zur Verfügung steht, höhere Mächte an:

„Vielleicht sollte man sich in Zukunft wieder mehr am Heiligen Vater orientierten: Franziskus war 76 Jahre alt, als er sein Amt antrat“.

Ich unterrichte Journalistik an einer Kölner Hochschule. Ich bringe dort Studierenden bei, dass alle journalistischen Darstellungsformen faktenorientiert sind, auch die sogenannten meinungsbasierten. Das heißt, auch Kommentare, Kritiken oder Glossen müssen einen sachlichen Kern haben und sollten überprüfbar sein. Jan Fleischhauer vom Spiegel hat sich von dieser Regel weit entfernt. Diese Regel gilt übrigens auch nur bedingt für Blogs. Man könnte also durchaus in einem Blog schreiben, dass Herr Fleischhauer ein kotzreaktionärer Kretin sei, dessen zum Himmel stinkende Papsttümelei nur geistlicher Unrat wäre und dessen verluderte Sprachalmosen Übelkeit erzeugten. Allein, ich würde so etwas niemals tun.

Das Nachrichtenmagazin Der Spiegel war, nach einem Wort seines Gründers Rudolf Augstein, mal „im Zweifel links“. An dem Image wurde von den Spiegel-Mitarbeitern über die Jahre schon heftig gekratzt. Erinnert sei nur an die widerwärtige „Das Boot ist voll“-Metaphorik unter der Überschrift „Ansturm der Armen“ in den 1990er Jahren. Spiegel-Autor Fleischhauer will aber noch einen anderen Beweis antreten: Nicht nur, dass der Spiegel zweifelsfrei nicht „links“ ist, sondern dass unreflektierte reaktionäre Positionen in dem Magazin mittlerweile einen Stammplatz haben. Fleischhauers Kolumne alteriert mit der des Augstein-Erben Jakob, der nach wie vor „im Zweifel links“ sein möchte. Jakob Augstein muss aber überlegen, ob er sich einen Heftteil wirklich mit diesem Autor teilen will. Denn wie sagte einst sinngemäß Hajo Friedrichs: Ein Journalist soll sich mit keiner Sache gemein machen, vor allem nicht mit der schlechten.

10 Zeitungsschlagzeilen, die du nie vergessen wirst


16 Mai
  1. „Mattjes ist vielseitig einsetzbar“ (Frankfurter Neue Presse)
  2. „Erstes Tor mit Penis geschossen“ (Bildzeitung)
  3. „Alkohol nur noch für Autofahrer „(Blick)
  4. „Westerwelle bietet Gasvernichtung an“ (Welt)
  5. „Frauen sehen immer am Mittwoch am ältesten aus“ (Kronenzeitung)
  6. „Schaf täuscht Seuche vor: Polizei alarmiert“ (Hannoversche Allgemeine)
  7. „Nackter Mann zog Messer“ (WAZ)
  8. „Wenn Flüsse im Wasser ertrinken“ (Spiegel)
  9. „Li machte Peng: China zündet Bombe“ (taz)
  10. „Obersalzberg entlässt alle Führer“ (Süddeutsche)

FC Köln beim Stadtanzeiger: Hätte, hätte, Fahrradkette


22 Apr

So ein Aufstieg wie der des 1. FC Köln in die erste Fußballbundesliga ist eine schöne Sache. Manchen Kölnern freilich ist die durchfeierte Nacht nicht so gut bekommen. Den Sportreportern des Kölner Stadtanzeigers zum Beispiel. Hier wurde die Lust an der Alliteration zu einem faszinierenden H-lastigen Wortgestammel, das Per Steinbrücks „hätte, hätte, Fahrradkette“ wahrlich zur Ehre gereicht hätte:

49100 Menschen waren gekommen, die große Mehrheit davon war auf Jubel gebucht hatten und hätte außer Hymne, Höhner, Hennes und Helmes eigentlich nicht mehr gebraucht hätten zu einem schönen FC-Fest.

Nichts verstanden? Macht nix. Sind halt Hallodris, diese holdseligen Ha-Sager vom heldenhaften Hölner Hadtanzeiger. Hauptsache Höhner, Helmes und Hennes. Der Rest hätte funktioniert, wenn das Hirn sich auch mit H schreiben hätte. Täte es doch? Na umso besser. Bleibt zu hoffen, dass der Kölner Sportjournalismus mit dem Aufstieg auch  erstklassig wird.

Diät beginnt im Kopf


20 Feb

Diäten beginnen im Kopf. Nirgends wird das deutlicher, als bei diesem auf Facebook gefundenen Posting, das mit „suggested post“ nur unzureichend als Werbung kenntlich gemacht wurde:

Facebook-Screenshot

Facebook-Screenshot

Was sie wohl meine tun mit „Seltsame Diät, essen dies und schneiden Sie Ihre Bauchfett?“ Sie tun meinen vielleicht, wer wenig essen, der auch wenig Sauerstoff im Kopf? Oder, wie tut zeigen dieser Grafik in der Mitte, dass Vorurteil doch stimmt: Viel Muskeln unternrum, aber dafür nix im Hirn? Weiter heißt es: „Die Forscher sind von der Fähigkeit dieses neue Diät überrascht“. Ich bin’s auch  und kratze mir mit wenig Muskelaufwand am Hirn. Es wird vielleicht doch mal Zeit für eine Mediendiät. Diäten beginnen eben im Kopf.

Shitstorm kostet Kölner Stadtanzeiger die deutsche Grammatik


22 Dez

Eine unbedachte Äußerung hat eine amerikanische PR-Beraterin jetzt den Job gekostet:

tweet_job1Dieser Tweet soll einen Shitsorm ausgelöst haben. Der Artikel des Kölner Stadtanzeigers darüber hat allerdings die deutsche Sprache die Grammatik gekostet:

Eine unbedachte Äußerung in Sozialen Netzwerken kann das Leben in einen Alptraum verwandeln. Das muss jetzt die US-amerikanische PR-Managerin Justine Sacco erfahren. Ihr rassistischer Tweet hat eine Welle der Empörung ausgelöst und ihr den Job gekostet.

Wenn man sich schon unbedingt gepflegt ausdrücken will, dann sollte man auch ein gepflegtes Verhältnis zur deutschen Sprache haben. Und die Frage, ob es sie etwas gekostet oder ob jemand an ihr gekostet oder was es eigentlich die Sprache kostet, ist ja auch journalistisch in diesem Zusammenhang nicht völlig irrelevant. Wenn diese Fragen geklärt wären, könnte man nämlich überhaupt erst anfangen, sich übers Wesentliche zu unterhalten: Warum geht der Kölner Stadtanzeiger eigentlich davon aus, dass die unverhohlen rassistische Äußerung „unbedacht“ gewesen sei? Warum nimmt man dort wie selbstverständlich an, dass blonde weiße PR-Beraterinnen nicht wüssten, was sie reden oder schreiben? Warum löst so etwas eigentlich niemals einen Shitstorm aus?

 

Wenn Journalisten streiken: Rechtschreibung fällt aus


19 Dez

Gerade finden die Tarifverhandlungen für die 14.000 Journalisten an Tageszeitungen statt. In München hat deshalb der Bayerische Journalistenverband (BJV) zu Streik und Demonstration aufgerufen. Was es bedeutet, wenn die Profis der deutschen Sprachbeherrschung in den Ausstand treten, machen sie äußerlich deutlich durch den Sprachgebrauch auf ihrem Transparent:

bjv_streikt_thumb.jpg

Foto: Maria Goblirsch

Offenbar streiken nicht nur die Journalisten, sondern auch die deutsche Rechtschreibung. Das Wort “selig” schreibt sich nämlich mit einem “e” und nicht mit zwei “ee”. Und das hat einen einfachen Grund: Es hat nichts mit der “Seele” zu tun, wie man nachlesen kann:

Auch wenn es naheliegend erscheint: Das Wort selig leitet sich nicht von „Seele“ ab, sondern geht auf ahd. „sälig“ = „gut, glücklich; gesegnet; heilsam“ zurück.

Da haben es uns die bayerischen Journalisten aber gezeigt!

Nachtrag (17:40 Uhr): Ein Kommentator weist darauf hin, dass bei der Demonstration auch Transparente mit der Aufschrift

one Kwallidät kets pergap
https://twitter.com/BJVde/status/412972717713805312

zu sehen waren. Ich möchte hier den bayerischen JournalistInnen übrigens nicht unterstellen, der bayerischen, äh: deutschen Rechtschreibung nicht mächtig zu sein — oder jedenfalls nicht allen gleichermaßen. Mir ging’s eher darum, dass mir solche Wortspielchen ein bisschen zu plakativ sind. Naja, war ja auch auf einem Plakat, zugegeben. Also haben wir es uns jetzt hoffentlich alle allen gegenseitig gezeigt.

Bayerischer Journalisten Verband

Das schlechteste Interview des Jahres


30 Jul

fox-news-logoDer US-amerikanische Fernsehsender Fox fällt nicht gerade durch politische Ausgewogenheit oder Umsicht bei Formulierungen auf. Jetzt hat sich aber eine Moderatorin der Fox News-Sendung einen peinlichen Auftritt erlaubt, der Rückschlüsse darauf zulässt, wie wenig journalistische Recherche oder Vorinformationen vor Interviews geschätzt sind. Anchorwoman Lauren Green interviewte live den Religionswissenschaftler und Buchautor Reza Aslan. Der hat gerade ein Buch über Jesus veröffentlicht: „Zealot: The Life and Times of Jesus of Nazareth“. Frau Green zeigte sich überrascht, dass ein gläubiger Moslem ein Buch ausgerechnet über Jesus schreibe. Autor Aslan glaubte, ihre Zweifel dadurch vertreiben zu können, dass er darauf hinwies, Professor für allgemeine Religionswissenschaft zu sein, eine Doktorarbeit über das Neue Testament geschrieben zu haben und fließend Altgriechisch verstehe, also die Sprache des Evangeliums. Indes die Fox-Fernsehjournalistin interessierte das alles überhaupt nicht. Im Gegenteil verstieg sie sich zu der Behauptung, Reza Aslan verschweige seine Zugehörigkeit zum Islam. Das klingt schon fast nach Verschwörungstheorie. Der Religionswissenschaftler konterte: „Ma’am, auf der zweiten Seite meines Buches steht, dass ich ein Muslim bin. In jedem einzelnen Interview, das ich jemals im Fernsehen oder gedruckt gegeben habe, ist erwähnt, dass ich ein Muslim bin“.

Schlecht vorbereitete Moderatoren sorgen immer mal wieder mit verpatzten Interviews für Aufmerksamkeit. Im vergangenen Jahr wurde ein Gespräch von NDR-Moderator Hinnerk Baumgarten mit der Schauspielerin Katja Riemann zum Youtube-Hit. Die Schauspielerin bemerkte anschließend: „Es ist irre lustig, wenn ein Moderator zwischen den Gesprächen sich in der Kamera spiegelt und laut äußert, wie geil er aussieht …“

Für den Branchendienst Meedia handelt es sich beim Ausrutscher von Fox-Frau Lauren Green um das „peinlichste Interview des Jahres“. Bedenklich ist nicht nur die schlechte journalistische Arbeit. In einer Live-Situation gerade im hektischen News-Geschehen kann das immer mal wieder vorkommen. Aber die Nachfragen der Anchor-Frau weisen auf einen unverhohlenen Ethnozentrismus und erhebliche Vorurteile gegenüber Menschen mit anderen religiösen Ansichten hin. Daran ändert auch der Umstand nichts, dass Laren Green selbst „Farbige“ ist. Reza Aslan kann ganz entspannt bleiben: Nachdem die Geschichte mit dem verkorksten Fox-Interview im Internet hochkochte, kletterte seine Neuerscheinung auf Platz 2 der Bestsellerliste der New York Times.

Anti-Medien-Blog

Die journalistische Notfallpraxis im Web von Hektor Haarkötter