Spiegel-Kolumnist Jan Fleischhauer hat den Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble in seiner Kolumne „Der schwarze Kanal“ als „Schwaben“ bezeichnet. So weit, so unrichtig, denn der in Freiburg geborene Schäuble hat zeit seines Lebens in Südbaden gelebt — und bekanntlich wollen Badener und Schwaben so viel miteinander zu tun haben wie Vegetarier mit Schweinsbockwürstchen.
Doch in Zeiten gesteigerter Leser- und User-Partizipation bleibt so ein „faux pas“ natürlich nicht lange unbemerkt. Mehr als 20 Leserbriefe, so Catherine Stockinger, die Leiterin des Spiegel-Leser-Services, hat es allein zu diesem Thema gegeben. Nun wäre der Fleischhauer’sche Lapsus ja leicht zu korrigieren: Eine kleine Richtigstellung im nächsten Heft, und damit hat sich’s. Doch damit wollte Spiegel-Autor Fleischhauer es nicht bewenden lassen. Denn bei all dieser schwäbisch-alemannischen Leser-Besserwisserei muss es doch immer noch einen geben, der es noch besser weiß. Und so meldet sich Fleischhauer in der Leserbriefspalte der Spiegel-Prinz-Ausgabe höchstpersönlich zu Wort und schurigelt seine frechen Kritiker:
Außerhalb von Baden-Württemberg ist der Baden-Württemberger ein Schwabe, so schmerzlich das für die Betroffenen auch sein mag (…) wenn sich ein Begriff als Gesamtbezeichnung einmal eingebürgert hat, ist es schwer, ihn wieder loszuwerden. Vielleicht ändert sich die Lage, wenn Freiburg sich vom Schwabenland abspaltet und autonomer Regierungsbezirk wird. Bis dahin wird im „Schwarzen Kanal“ aus Gründern der Allgemeinverständlichkeit weiter von Schwaben die Rede sein, fürchte ich.
Es ist schon sonderbar, dass ein Autor persönlich in den Ring steigt, um den eigenen Lesern noch einen rechten Haken zu versetzen. Aber noch sonderbarer ist die Argumentation, denn außerhalb der Spiegel-Redaktion hat sich der Begriff „Schwabe“ keineswegs als „Gesamtbezeichnung“ für die Bewohner Baden-Württembergs durchgesetzt, wie auch die Badische Zeitung und der Mannheimer Morgen völlig zurecht anmerken. Und erst recht eigenartig ist Fleischhauers Rekurs auf die (Berliner) Volksseele:
Ich habe noch nie jemanden in Prenzlauer Berg sagen hören: „Achtung, die Badener kommen!“ Es ist doch nicht vom Badener- Hass- sondern vom Schwaben-Hass die Rede.
Dabei hatte die Leiterin des Spiegel-Leser-Services den Fehler ihres Autors schon eingestanden:
Wir haben uns geirrt. Und Sie haben es gemerkt. SPIEGEL-Redakteur Jan Fleischhauer hat in seiner Kolumne „Der schwarze Kanal“ („Mr Pickelhaube“) über das Bild von Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble in der Weltöffentlichkeit folgenden Satz geschrieben: „Wie alle Schwaben kann er außerdem rechnen, was nicht brutal, sondern vernünftig ist.“ (…) Auch uns machen Fehler, die im Heft stehen, unglücklich. Denn wir verwenden viel Zeit darauf, für die Richtigkeit aller Fakten, die im SPIEGEL genannt werden, zu sorgen.
Doch mit seiner Richtigstellung belegt Autor Fleischhauer vornehmlich, dass er eines auf keinen Fall wollte, nämlich einen Fehler zugeben. Womit er es dann erst so richtig falsch gemacht hat. Hauptsache, der Leser hat nicht recht! Vielleicht sollte man das mit der User-Partizipation beim Spiegel noch einmal gründlich überdenken. Denn wer, wie der Spiegel, die Wahrheit gepachtet hat, will sich eben vom gemeinen Leser auch nicht dreinreden lassen. Erst recht nicht auf schwäbisch.
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