Archive for September, 2008

Express ist auf zack!


26 Sep

Der Name des Kölner Express, ein weiteres Qualitätsprodukt aus dem Hause Neven-Dumont, soll vermeintlich auf eine gewisse Schnelligkeit der Berichterstattung hinweisen. Sollte dem so sein, dann hätte der Express den Geschwindigkeitsrekord mit der heutigen Ausgabe deutlich nach unten korrigiert. Unter der Überschrift:

„Knöllchen-Horst: Rettungsflieger angezeigt“

ist von einem Mann aus der Stadt Osterode die Rede, der einen Rettungshubschrauber wegen Falschparkens angezeigt hat. Der Rettungshubschrauber war vermutlich sehr schnell am Einsatzort. Der Express dagegen war es nicht: Die Geschichte stand nämlich erst Anfang der Woche im Spiegel (39/2008, S.50). Und in dem Nachrichtenmagazin wurde die Geschichte auch nicht als aktuell verkauft, sondern unter der Rubrik „Eine Meldung und ihre Geschichte“. Der Spiegel-Autor hatte die Meldung nämlich dem Hamburger Abendblatt entnommen. Und anders als der Express hat der Spiegel , wie es den bodentief niedrig angesetzten Mindeststandards journalistischen Anstands entspricht, nicht nur die Quelle genannt, sondern auch das Datum des Ereignisses. Das Vorkommnis ereignete sich nämlich bereits am 17. August 2008. Da war der Express also mal richtig auf zack! „Echt penibel“ steht schwarz unterlegt im Express neben dieser Story. „Echt peinlich“ wäre angebrachter.

Komparieren, was das Zeug hält


26 Sep

Auch die Süddeutsche Zeitung kann es nicht lassen: Komparieren, was das Zeug hält. So heißt es in ihrer Ausgabe vom 19. September 2008:

„Javier Clemente, 58, ist einer der namhaftesten Fußballtrainer Spaniens“.

Was nicht nur jene wundert, die den Namen des „namhaftesten“ Fußballtrainers nie gehört haben, sondern auch jene, die ansatzweise der deutschen Sprache mächtig sind. Ohne Superlative geht es eben nicht im deutschen Journalismus, und da werden auch solche Wörter kompariert, die auch nicht am ansatzweisesten dazu am geeignetsten sind.

Medien in der Wüste


25 Sep

Wie verhalten sich eigentlich Medien, wenn sie in die Wüste geschickt werden? Mit dieser Frage beschäftigt sich heute in der taz deren Nahost-Korrespondent Karim El-Gawhary. In dem Artikel „Entführte Medien“ greift er die Berichterstattung über die elf entführten Touristen in der ägyptischen Wüste an. Insbesondere beleuchtet er, wie Information durch Spekulation ersetzt wird und wie dies die Entführten selbst gefährdet.

„Direkt in die Verhandlungen greifen die Medien dann durch ihre Spekulationen über die Höhe des geforderten Lösegeldes ein. Für die Unterhändler ein wahrer Alptraum. Denn die in den deutschen Medien kolportierten Summen, finden sich am nächsten Tag auch in der arabischen Presse wieder und können ganz schnell für die Entführer zur Verhandlungsbasis werden. Nach dem Motto: die deutschen Medien schreiben fünf Millionen, also verlangen wir sieben.“

Was schreiben, wenn es nichts zu berichten gibt? Das ist das Grunddilemma der Medien. Auf der Suche nach „gefühlter Nähe“ zum Objekt der Begierde und der Berichterstattung treiben die Medien mitten im Wüstensand die seltsamsten Blüten. Die aktuelle Berichterstattung fand Gilf-El-Kebir statt. Dies ist aber einer der entlegenen Wüstensandstriche, buchstäblich: das Ende der Welt. Was also tun die westlichen Fernsehstationen?

„Aus unerfindlichen Gründen haben sich die Fernsehstationen in der südägyptischen Stadt Assuan aufgebaut. Sozusagen beim nächsten Wasserhahn des Geschehens. Mehr Informationen als in Kairo werden sie dort nicht bekommen. Die Stadt Assuan hat nichts mit der Geschichte der Entführung zu tun. Die Reisenden waren ganz woanders, in der Oase Dakhla zu ihrer Wüstentour aufgebrochen und selbst die verantwortliche Provinzverwaltung findet sich ganz woanders. Und die meisten Informationen zur Entführung gibt der Tourismusminister und der sitzt in Kairo. Aber es sieht einfach zu gut aus, wenn der Reporter mit dem Nil im Rücken für die Zuschauer im arabischen Kaffeesatz liest.“

Wenn der Kölner Stadtanzeiger glaubt zu wissen


12 Sep

Glauben und Wissen sind gemeinhin Sphären, die sich auszuschließen pflegen. Nicht so beim Kölner Stadtanzeiger. Der dichtet in seiner Ausgabe vom 11. September:

„Der Erzbischof kritisierte das mangelnde Glaubenswissen von TV-Moderatorin Sandra Maischberger“.

Wo Glauben zu Wissen wird, da wird Journalismus zu dem, was der Kölner Stadtanzeiger daraus gemacht hat. Wer’s glaubt, wird selig.

Wie der Kölner Stadtanzeiger die Stimmung anheizt


10 Sep

Wenn eine religiöse Gruppierung beschließt, sich ein Gotteshaus zu bauen, interessiert das in der Regel keinen Menschen (außer die Mitglieder dieser Gruppierung vielleicht). Nicht so in Köln. Da ist der Bau einer Moschee im Stadtteil Ehrenfeld Dauerthema. Nun hat der Stadtrat nach langen Diskussionen dem Bau zugestimmt, und man könnte meinen, dass es nun endlich ruhig werden könnte. Aber da hat man die Rechnung ohne die Rechnungsstelle des M. Dumont Schauberg-Verlags und seines Zentralorgans, des Kölner Stadtanzeigers, gemacht, der mit der künstlichen Beatmung des überbeanspruchten Themas weiter Kasse machen möchte:

„Moscheebau – die Debatte geht weiter“

Schon der Anfang der Debatte war von diesem Lokalblatt initiiert: Im hauseigenen Internet-TV-Channel ließ man den offenbar von Altersverwirrtheit gekennzeichneten Ralf Giordano sich öffentlich bloßstellen und über den Moscheebau herziehen. Seither hyperventilieren die verantwortlichen Redakteure des Blattes mit Blick auf die Auflage, die sich offenkundig steigern lässt, wenn man die Kirche nicht im Dorf lässt und dafür dem ausländerfeindlichen Pöbel ein Podium bietet. In der verlegerischen Verwertungskette darf die Buchauskopplung natürlich nicht fehlen, und so lässt man im Kölner Kiepenheuer & Witsch-Verlag „Der Moscheestreit – Eine exemplarische Debatte über Einwanderung und Integration“ erscheinen, herausgegeben vom Chefredakteur des Kölner Stadtanzeigers, einem Ex-Kommunisten. Und am 16. September will man im hauseigenen „studio dumont“ eine Podiumsdiskussion veranstalten, zu der man der erwartbaren gelehrten Betroffenheits-Quadriga auch noch einen „Barino B., Ex-Islamist“ hinzugesellt, um den Gruselfaktor zu erhöhen. Exemplarisch ist an der Debatte allerdings vor allem eins, nämlich das Verhalten einer Lokalpresse, die dabei ist, den letzten Rest eines guten Rufes, den sie nicht besitzt, auch noch zu verspielen.

Gefahren des Fernsehens


08 Sep

Was Film und Fernsehen bei den jungen Dingern anrichten können, die in der Bildzeitung immer die Mädchen von nebenan heißen, dafür gibt die Süddeutsche Zeitung heute ein gutes Beispiel:

„Nach dem Anschauen des Films „Das Parfüm“ fürchteten sich zwei Schülerinnen so sehr, dass eine aus dem Fenster stürzte.

Ein 13-jähriges Mädchen, das sich aus Angst vor Einbrechern mit einem Bettlaken aus dem elterlichen Haus in Oberhaching abseilen wollte, ist beim Sturz aus fünf Metern Höhe schwer verletzt worden und liegt nun mit gebrochenem Becken im Krankenhaus.

Am Donnerstagabend waren die Eltern des Mädchens nicht zu Hause. Dafür hatte die 13-Jährige jedoch Besuch von einer gleichaltrigen Freundin und über Nacht blieb eine Tante, die auf die beiden aufpasste. Die zwei Mädchen schauten sich den Film „Das Parfüm“ an und steigerten sich dabei offenbar in eine Angst hinein, die auch das Ende der Nacht überdauerte“.

Schlagzeilen, die den Namen verdienen


08 Sep

Schlagzeile mit Schlagzahl im Kölner StadtanzeigerHeute hat der Kölner Stadtanzeiger sich buchstäblich überschlagen. Die Schlagzeile, die den Lesern präsentiert wird, mutiert in den Plural und demonstriert, dass Schlagzeile auch mit Schlagzahl zu tun haben kann.

Kafka hätte es gefallen – Duden auch?


08 Sep

Ach, was muss man oft von bösen/Zeitungsleuten hören oder lesen!
Zum Beispiel im Kölner Stadtanzeiger/Onlineausgabe das hier:

„Jenny Erpenbeck, Reiner Stach und Sasa Stanisic wurden im Wallraf-Richartz-Museum mit dem des Doderer-Literaturpreis geehrt.“

Wie bei Kafka fragt man sich auch bei dem des Autoren dieser diesen Zeilen: Was wollte der die Autor uns eigentlich damit sagen? Nun gut, Kafka hätte es gefallen. Aber Konrad Duden auch?

Thema verfehlt?


07 Sep

Wie man ein Thema nicht nur haarscharf, sondern vollständig verfehlen kann, dafür gibt die Website von tagesschau.de heute ein beunruhigend gutes Beispiel. Unter der Überschrift „Tritt SPD-Parteichef Beck zurück?“ wird dort von „Oliver Günther (HR), ARD-Hauptstadtstudio Berlin,“ viele, viele Zeilen lang über die SPD-Klausurtagung in einem Örtchen namens Schwielowsee gehandelt. Doch auf die in der Überschrift aufgeworfene Frage über das weitere Schicksal des SPD-Parteichefs wird mit keiner einzigen Zeile eingegangen.
Nachschlag: Nach einem halben Tag hat man es auch bei tagesschau.de gemerkt. Der Artikel wurde ausgetauscht und durch einen etwas sinnvolleren ersetzt. Wer die ursprüngliche Version kennenlernen möchte, kann sich im folgenden kundig machen: (mehr …)

Medien-Konversion


06 Sep

Von Rüstungskonversion ist ja schon lange die Rede. Warum nicht mal Medien-Konversion. Ein schönes Beispiel dafür hätte die Berliner Zeitung. Neue Großflächenleuchtreklamen aus LED-Lampen und Riesenfernseher an Hausfassaden, die auch des Nachts noch Werbefilme in den Nachthimmel absondern, werden als das bezeichnet, was sie tatsächlich sind: als „Umweltverschmutzung“. Leuchtreklamen zu Vogelbauern!

Anti-Medien-Blog

Die journalistische Notfallpraxis im Web von Hektor Haarkötter