Archive for September, 2008

Warnung vor neuem Google-Webbrowser


06 Sep

Das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) warnt vor dem Einsatz des neuen Google-Webbrowsers Chrome. Wie der Pressesprecher Matthias Gärtner in der Berliner Zeitung erklärte, solle Chrome nicht für den allgemeinen Gebrauch eingesetzt werden. Zum einen handle es sich um eine Betaversion (Versionsbezeichnung 0.2), und die solle nur von erfahrenen Anwendern ausprobiert werden. Zum anderen vergrößere der Einsatz von Chrome noch den Datenhunger der Fa. Google. Der Internetdienst liest alle Eingaben mit, die in die Such- und Adreßleiste des neuen Browsers eingegeben werden, und kann sie zusammen mit der IP-Adresse des heimischen Computers abspeichern.

Offensiver Stürmer


05 Sep

Wie titelt der Kölner Stadtanzeiger heute?

„Podolski geht in die Offensive“

Ja, was soll der Stürmer denn sonst tun? Eine Nachricht viel eher wert wäre doch die Schlagzeile: „Podolski geht in die Defensive“. Aber so etwas würde der Stadtanzeiger niemals melden.

Glasklar: Der Kölner Stadtanzeiger


03 Sep

Bescheidenheit ist keine Zier, die dem Kölner Stadtanzeiger und der herausgebenden Familie zur Ehre gereicht, und das ist angesichts der publizistischen und sprachlichen Fertigkeiten, an denen das Blatt täglich scheitert, schon bemerkenswert. So liegt der heutigen Ausgabe eine Anzeigen-Sonderveröffentlichung bei, die in aller Bescheidenheit dem 10-jährigen Bestehen des neuen Firmensitzes in Köln-Niehl gewidmet ist.
Was sofort ins Auge springt, ist, dass in dem 24-seitigen Beiblatt nur 5 Fotografien von Mitgliedern der Herausgeber-Familie sind, was von so manchem regulären Lokalteil des Blattes locker getoppt wird. Ebenso augenfällig, dass man nichts unversucht lässt, einen, wenn auch sehr bemühten, Zusammenhang zwischen der gläsernen Architektur eines Bauwerks und einer vorgeblichen Transparenz im Redaktionsalltag zu konstruieren. In Stadtanzeiger-Prosa kling das dann so:

„Es ist hell hier. Eine Aussage, die in dieser Grundsätzlichkeit lange nicht für jedes Bürogebäude gültig ist. Im Neven Dumont Haus aber sind dunkle Büros Mangelware“.

Schön, dass man’s hell hat. Aber man würde der Zeitung auch helle Köpfe wünschen. Dunkelheit herrscht zwar nicht in den Büros, düster aber sieht’s aus mit der Beherrschung der deutschen Sprache. Wie sonst käme es zu Unglücksfällen wie dem folgenden:

„Interviewpartner aus der bunten Welt der Stars und Sternchen genießen die überall zu spürende Medienatmosphäre und den direkten Draht zu vielen Ansprechpartnern“.

Wenn Sternchen den Draht genießen, wünscht man ihnen, dass es sich nicht um Stacheldraht handle. Und wenn sie auf Draht sind, dann kommen sie ja vielleicht sogar in Joggingschuhen vorbei, denn:

„Einmal im Jahr ist das Neven Dumont Haus das Ziel besonderer sportlicher Leistungen. Wenn tausende Läufer des Köln Marathons am Haus vorbeieilen, dann wissen sie, dass sie hier besonders kräftig angefeuert werden“(.)

Wie jetzt? Ist das Neven Dumont Haus das „Ziel“ des Köln Marathons? Oder liegt es eher zufällig irgendwo neben der Strecke? Oder ist es einfach zum Laufen Gehen?

Medien als Vorbild


03 Sep

Einen schönen Beleg für die Vorbildfunktion der Medien bringt die österreichische Zeitung Der Standard in ihrer heutigen Ausgabe. Da wird auf zwei exzentrische Nachmachempfehlungen in Frauenzeitschriften hingewiesen. Madonna veröffentlichte da Empfehlungen „zum Nachschoppen“ und in der Zeitschrift Woman wurde eine Frisur „zum Nachföhnen“ vorgestellt.
Der Standard folgert ganz bemerkenswert, was da wohl künftig noch an Nachmachtipps veröffentlicht werden könnte: „So putzt Penelope Cruz die Zähne – Die Serie zum Nachputzen“ oder „Das macht Brad Pitt, wenn ihn die Kopfhaut juckt: Zum Nachkratzen“ …

Medien verkürzen das Leben


02 Sep

Amerikanische Jugendliche sollen es angeblich schaffen, schreibt der Berliner Tagesspiegel in seiner heutigen Ausgabe, in sieben Zeitstunden 20 Stunden Medien zu konsumieren. Bei einer durchschnittlichen Lebenserwartung von 72 Jahren bedeutet das, dass das mediale Leben besagter Jugendlicher schon nach 25,2 Jahren wieder vorbei ist. Da sehen die Jugendlichen aber ziemlich alt aus!

Karl Kraus und die Phrasendrescher


02 Sep

Untergang der Welt durch Schwarze Magie: Mit dieser Losung formulierte der Wiener „Anti-Journalist“ Karl Kraus am Anfang des 20. Jahrhunderts seine Absage an ein Medium, welches für ihn die „Usurpierung der sprachlichen Machtmittel durch Schurkerei und Idiotismus“ symbolisierte. „Schwarze Kunst“, das war das Synonym für die Buchdruckerkunst, deren geistige Depravierung sich in der „Magie“ ausgedrückt sah, dem Irrenhaus näher als der Akademie, dem Irrationalen näher als der Aufklärung, der Lüge näher als dem Wirklichkeitssinn, kurz: das Zeitungswesen. Ohnmächtig müsse man zusehen, schreibt Kraus, wie „die entleerten Formen des Geistes zum Ornament des Schwachsinns, zum Aufputz der Niedertracht taugen“. Schärfer ist wohl niemand, als Karl Kraus, mit der Zeitung ins Gericht gegangen. Da gab es keine Rettung mehr, keine Verbesserung und keine Reform, die den Wiener Kritiker für irgendeine Form von Zeitung hätte einnehmen können. Der Untergang der Welt war überhaupt nur aufzuhalten durch den Untergang der gesamten Presse:

„Wenn mein Blick ein Zeitungsblatt durchfliegt – und nie noch hat er darin lustwandelt -, so ergreift er, ohne mehr an der selbstverständlichen moralischen Verworfenheit zu haften, eine solche Fülle von Beispielen gedanklicher und sprachlicher Mißform, daß mir für die Zukunft einer Nation, die diesen Unflat als geistige Nahrung zu sich nimmt, nur die Hoffnung bleibt, sie werde bei fortschreitender Verblödung schließlich nicht mehr imstande sein, zu lesen – was dann den Ruin der Presse, und in weiterer Folge die geistige Erholung der Menschheit herbeiführen wird“.

Kraus’ Verhältnis zur Presse, so ätzend er sich über sie äußerte, lässt sich nicht anders denn als ambivalent bezeichnen, war er doch selbst (mehr …)

Immermehrismus und Abzuwartismus


02 Sep

Hat der Zeitungsjournalist keine Zahlen bei der Hand, die er verfälschen könnte, oder fehlen ihm Mut oder Kreativität, das zu tun, dann greift er mit Vorliebe zum schlimmsten Mittel sprachlicher Gewaltanwendung und bemüht den Immermehrismus. Der Immermehrismus ist das Lügen mit Zahlen ohne Zahlen, der dreisteste Angriff auf die Intelligenz der Leser, der schlagende Beweis für das gestörte Verhältnis des Zeitungsmenschen zur Wirklichkeit.

„Zollbehörden entdecken immer mehr gefälschte Medikamente“. (Deutsches Ärz-teblatt)
„Die Garantie schwindet immer mehr“. (Handelsblatt)
„Immer mehr Eltern sind erziehungsunfähig“. (FAZ)
„Immer mehr Frauen prellen ihren Schönheits-Chirurgen“. (Bild)
„Jugendliche haben immer mehr Ahnung von Sex“. (Welt)

Wo der Immermehrismus herrscht, gerät immer häufiger auch die Orthographie durcheinander, wie bei der Westdeutschen Zeitung: „Immer mehr Menschen (…) können ihr Schulden nicht mehr bezahlen. Die Zahlen steigen zwar langsam aber der Trend ist ungebrochen“. Wenn immer mehr nicht mehr zahlen können, haben dann immer weniger immer mehr? Und was soll man gar noch sagen, wenn Die Zeit titelt: „Immer mehr ist immer weniger“? (mehr …)

Gouverneurin geschönt?


02 Sep

Kann man eigentlich, wie es der Kölner Stadtanzeiger in seiner heutigen Ausgabe behauptet, eine amerikanische Gouverneurin dadurch schönen, dass man ihre Mitwirkung an Schönheitskonkurrenzen verschweigt? Das nur nebenbei. Denn eigentlich wollte ich auf unschöne Randerscheinungen dieser Meldung hinweisen.

Ein unbekannter Autor hatte Daten über die Gouverneurin von Alaska vor ihrer Ernennung durch den republikanischen Präsidentschaftskandidat (sic!) John McCain zu seine (sic!) Vizekandidatin massiv geschönt. (KStA 02.09.2008)

Bei so viel Präpositionen kann man im Fall der Fälle mit den Fällen der deutschen Sprache schon mal durcheinander kommen. Gut, dass es nur um Amerikaner geht.

KStA vom 2. September 2008

Stilwille im Kölner Stadtanzeiger


02 Sep

An sich ist ja zu loben, wenn eine Tageszeitung wie der Kölner Stadtanzeiger, der sonst in der Kulturberichterstattung sich durch nichts auszeichnet, als durch ihr Fehlen, des Geburtstages des großartigen Jazzpianisten Horace Silver annimmt. Dieser Wille zu gutem Stil wird allerdings getrübt durch die stilwidrige Behauptung:

… die Messengers wurden eine der stilbildendsten Combos des Jazz. (KStA 02.09.2008)

Dass ein Redakteur besagten Blattes mit dem Willen zum Stil schwanger ging, heißt schließlich auch noch nicht, dass er der schwangerste Schreiber seiner Zeitung sei. Stilbildend wird der Kölner Stadtanzeiger dadurch nicht, außer in schlechtem.

Anti-Medien-Blog

Die journalistische Notfallpraxis im Web von Hektor Haarkötter