Archive for Dezember, 2008

Gute Vorsätze fürs Fernsehen


22 Dez

Nach einer Online-Umfrage der Website Beauty24 ist geringerer Fernsehkonsum kein guter Vorsatz fürs neue Jahr. Danach

steht dieses Jahr vor allem mehr Zeit auf der Vorsatzliste: mehr Zeit für sich, die eigene Gesundheit, Familie und Freunde. Erstaunlich, dass trotzdem nur etwa fünf Prozent angaben, auf die Zeit vor dem Fernseher zu verzichten.

Wie das allerdings praktisch vereinbar sein soll, mehr Zeit für Freunde zu haben und trotzdem nicht weniger fernzusehen, darüber schweigt Beauty24 sich aus.

Wie der Kölner Stadtanzeiger die Jugend verdirbt


20 Dez

Jugendgefährdende Schriften waren sonst solche, deren Lektüre die moralische Entwicklung Jugendlicher nachhaltig negativ beeinflussen konnte. Der Kölner Stadtanzeiger indes lässt die jungen Leute nicht lesen, um sie an den Abgrund zu führen, nein, er lässt sie schreiben. „Junge Zeiten“ nennt das Blatt diese Form der Jugendkriminalität, „Jetzt ich!“ ist der kreuzblöde Titel einer Kolumne, mit der Menschen, die gerade mal die Volljährigkeit passiert haben, sich jede Chance auf ein intelligentes Weiterleben auf diesem Planeten nachhaltig ruinieren. „Auslaufmodell Treue“ überschreibt eine Anna Katharina B. (18) (Vorname nicht geändert – die Red.) ihre heutige Einlassung. Darin geht es um Ehescheidungen und die Gerüchte um Ehescheidungen von Leuten, die Sarah Connor und Mark Terenzi, Madonna und Guy Ritchie oder Katie Holmes und Tom Cruise heißen.

Die Stars legen schon lange keinen großen Wert mehr auf stabile Beziehungen, auf Treue, auf Beständigkeit. Auf die Ehe schon gar nicht. Für jugendliche Fans sind das meiner Meinung nach die falschen Signale. Nicht nur in Sachen Frisur und Outfit schaffen die Stars schließlich Trends. Ihrer sozialen Vorbildfunktionen scheinen sie sich aber immer weniger bewusst zu sein.

Den Immermehrismus würde ich Anna-Katharina B. ja noch schenken (wo soll sie es auch lernen?). Dass sie sich Madonna und Sarah Connor in Sachen Outfit und Frisur zum Vorbild nimmt, widerlegt die der Kolumne beigefügte Fotografie. Dass sie aber meint, Leute mit Namen Guy Ritchie hätten irgendwelche „soziale Vorbildfunktionen“ (warrum eigentlich der Plural?), lässt doch sehr an der sozialen Intelligenz des Stadtanzeiger-Nachwuchses zweifeln. Dabei kommt sie der Wahrheit so nahe:

Was die mehr oder weniger Prominenten öffentlich vormachen, kennen die meisten Jugendlichen aus ihrem eigenen Leben.

Eben. Auch wenn es schmerzt, Anna-Katharina: Die conditio humana gilt auch für Promis, Fußballer oder den Sportchef des Kölner Stadtanzeigers. Als Vorbild ist solches Personal in jedem Fall untauglich. Aber Vorbild ist auch nicht das, was sie eigentlich sucht, sondern Abziehbilder einer reaktionären Weltanschauung, die einem bei einer 18-jährigen deswegen Sorgen macht, weil man nicht weiß, wohin das bei der 38-jährigen Anna-Katharina noch führen soll. Als der Kabarettist Walter Mehring einsam und verkannt in einem Schweizer Seniorenheim verstarb, soll er gerufen haben: „Die Spießer werden auch immer jünger“.

Wieviel Gewalt braucht das Fernsehen?


18 Dez

„Gewalt in den Medien“, zu diesem Thema hat die Süddeutsche Zeitung im Rahmen ihres Gesundheitsforums eine Veranstaltung durchgeführt.

„Es könnte alles so schön sein in Deutschland. Seit Jahrzehnten schon nimmt die Zahl der Morde und der schweren Gewalttaten ab, bloß: Niemand weiß es. „In allen Umfragen geht eine große Mehrheit der Befragten davon aus, dass die Kriminalitätsrate steigt“, sagte Christian Pfeiffer, Direktor des Kriminologischen Forschungsinstituts Niedersachsen, am Dienstag in München. Die Deutschen fühlen sich bedroht. Schuld daran seien, da ist Pfeiffer sicher, die Medien.
Sein Beispiel: Über ein Sexualverbrechen werde im privaten Fernsehen heute sechsmal so lange berichtet wie noch vor zehn Jahren, im öffentlich-rechtlichen Rundfunk dreimal so lange.“

Die Folgen, die diese Form von Gewalteinwirkung auf Zuschauer hat, sind drastisch. Darüber habe ich schon vor anderthalb Jahren im Anti-Medien-Buch einen längeren Abschnitt verfasst: Fernsehen macht gewalttätig. (mehr …)

Zur Sprache von Pressemeldungen


17 Dez

Wenn schon die Presse mit der deutschen Sprache auf einem Fuß steht, dessen ihm innewohnendes Konfliktpotential mit dem Wort Krieg noch verharmlosend dargestellt ist, so bleibt für die Pressestellen dieser Welt, all die Agenturen und Agenten, die gute und richtige Benutzung ihres vornehmsten Handwerkszeugs das, was auch sonst internationales Agententum auszeichnet, nämlich ein Geheimnis. Was muss man da von der Apple Pressestelle im Heise Newsticker lesen, man könne inzwischen

„immer mehr Menschen über immer vielfältigere Wege“ erreichen.

Schlägt der verschwurbelte Komparativ, also die Steigerung dessen, was keiner Steigerung mehr bedarf, schon in unseren Zeitungen (zumal dem Kölner Stadtanzeiger) Kapriolen, so feiert er in den Pressemitteilungen fröhliche Ursünd‘. Vielfalt nämlich, egal wie man sonst zu ihr steht, lässt sich nicht steigern! Verringern (leider) lässt sie sich, aber steigern? Nein.

Kölner Stadtanzeiger tut es immer öfter


16 Dez

Jetzt hat es der Immermehrismus sogar auf die Seite 1 des Kölner Stadtanzeigers geschafft.

Was uns die Autoren damit sagen wollen, ist wie in allen Fällen des Immermehrismus immer unklarer. Wollen sie uns immer deutlicher sagen, dass der Rechtsextremismus immer schon gewalttätig war (was allerdings das Wort Extremismus schon impliziert)? Oder wollen sie immer übertriebener äußern, dass immer schon die rechte Gewalt steigerungsfähig war? Oder wollen sie immer klarer ausdrücken, dass sie immer größere Probleme in der Verknüpfung von Inhalt und deutscher Sprache haben? Für diese Aussage den Aufmachertitel zu spendieren, ist allerdings immer verrückter.

Was suchen die Leute im Internet?


15 Dez

Was suchen die Leute eigentlich im Internet? Das weiß natürlich niemand besser als die Suchmaschinenspezialisten der Fa. Google. Die haben eine Rangliste mit den am häufigsten eingegebenen Suchbegriffen des Jahres 2008 veröffentlicht. Und ich muss sagen, da bleibt einem doch die Spucke weg. Liste sieht nämlich so aus:

1. ebay
2. youtube
3. wetter
4. gmx
5. google
6. video
7. wikipedia
8. web.de
9. bild
10. telefonbuch

Was am meisten verwundert: Wer nur halbwegs mit der Funktionsweise des Internet vertraut wäre, bräuchte für praktisch keinen der genannten Begriffe eigens eine Suchmaschine. Da ist also der Herr Posauke aus Bottrop, und der möchte gerne zu Ebay. Da geht er dann auf die Seite „www.google.de“ und gibt dort als Suchwort „ebay“ ein. Befriedigt stellt er fest, dass die Antwort auf seine Frage „www.ebay.de“ lautet. Vielleicht auch eine Form der Selbstvergewisserung. Was aber macht der Herr Posauke, wenn er mal was im Internet sucht, was wirklich schwer zu finden ist? Er macht gar nichts. Denn er wüsste wahrscheinlich noch nicht einmal, was für Suchbegriffe er eingeben müsste.

Öffentlich-rechtlicher Sender steht vor der Pleite


09 Dez

Dem österreichischen Rundfunk ORF droht die Pleite. Allein in diesem Jahr fehlen dem Sender 100 Millionen Euro. Schon muss man ans Eingemachte, das Eigenkapital, und selbst das droht bis zum Jahr 2012 auszugehen, wie die Kleine Zeitung aus Kärnten meldet. In der Geschichte des öffentlichen Rundfunks in Europa wäre das ein einmaliger und historischer Fall. Die Pleite fand ihr Sinnbild übrigens in einer peinlichen Panne bei einer Fußballübertragung: Das Länderspiel Österreich gegen die Faröer Inseln konnten die ORF-Zuschauer nicht sehen, weil der ORF das nötige Equipment für eine Live-Übertragung nicht dabei hatte …

Wie man sich selbst preist


09 Dez

Apropos Journalistenpreise: Kürzlich wurde wieder einmal der Georg-von-Holtzbrinck-Preis für Wirtschaftspublizistik vergeben. Preisträgerin ist in diesem Jahr Kerstin Kohlenberg, Redakteurin bei der Wochenzeitung DIE ZEIT. Und wer ist Eigentümer der ZEIT? Der Holtzbrinck-Konzern …

Wenn Bildung und Kölner Stadtanzeiger aufeinanderstossen …


05 Dez

Ja, wenn dieser betrübliche Vorfall passiert, dann gibt es selbstredend ein schweres Unglück. So geschehen in einem Artikel über eine 3D-Simulation des antiken Rom bei Google Earth, der auch online nachzulesen ist. Bei jedem halbwegs durchs Abitur gekommenen Zeitgenossen sollten beim Thema „Antikes Rom“ die Alarmglocken angehen. Wenn irgend ein Thema von den Bildungsbürgern mit Beschlag belegt worden ist, dann ist es dieses. Wenigstens ein Blick ins Lexikon, bei sorgfältigerer Recherche womöglich sogar ins Geschichtsbuch, würden dem Reporter gut zu Gesicht stehen. Nicht so beim Kölner Stadtanzeiger. Da darf recht unbedarft schwadroniert werden:

„Wir befinden uns im Jahr 320 nach Christi Geburt. Vier Jahre später wird Konstantin der Große alleiniger Herrscher über das mächtige römische Weltreich sein. Rom hat zu diesem Zeitpunkt bereits eine rund 300-jährige Stadtgeschichte auf dem Buckel…“

Wer die nötigen Geschichts-Stunden geschwänzt, der hat vielleicht in Rechnen aufgepasst: Nach diesen Angaben wäre die Stadt Rom im Jahre 20 nach Christus gegründet worden. Wer hat dann nur die Volkszählung angeordnet, zu der 20 Jahre vorher Herr Josef und seine Frau Maria nach Betlehem gezogen sind? Der römische Kaiser kann es ja, laut Kölner Stadtanzeiger, kaum gewesen sein.

„Es geht weiter zur Konstantin- oder Maxentiusbasilika, eine der detailreichsten Animationen …“

Animiert ist hier allerdings gar nichts. Und etwas unbedarft kommt auch folgende Bemerkung daher:

„Auch jegliches Grün fehlt, obwohl man aus antiken Texten weiß, dass es schon damals „angelegte Gärten“ gab“.

Bezweifelte das denn irgendjemand? Immerhin waren die hängenden Gärten von Babylon schon tausend Jahre zuvor eines der sieben Weltwunder. Schließlich: Ich habe mir schon vor Jahren bei Zweitausendeins eine Multimedia-CD-Rom „Das Antike Rom“ gekauft. Und die war da schon ein Auslaufmodell. Auch hier konnte man durchs 3D-gestaltete Rom „fliegen“, Villen, Gärten und Tempel betreten. Was ist also das Neue, das uns der Kölner Stadtanzeiger erzählen will? Dass sein Reporter jetzt erst davon gehört hat? Vielleicht doch nicht das beste Prinzip, um redaktionelle Entscheidungen zu treffen. Und wer mit Bildung prahlen will, der, ja der sollte wenigstens ein bisschen davon haben.
„Ancient Rome“ bei YouTube

Medienpreise


02 Dez

Ein fernsehnotorischer Literaturkritiker möchte nichts mit Fernsehmenschen zu tun haben — Ein Late Night Talker bekommt einen Preis geschenkt, der nach einem Reh benannt ist, und bedankt sich dafür bei der Schauspielerin Uschi Glas — auf einmal sind Medienpreise ins Gerede geraten. Nun gut, warum ausgerechnet die ARD die „Bambi-Verleihung“ genannte Selbstbelobhudelung des Burdaverlags im öffentlich-rechtlichen Fernsehen ausstrahlen muss, würden die Programmverantwortllichen selbst wohl nur mit einem Stottern beantworten können. Aber immerhin wartete die diesjährige Bambi-Verleihung, wie die Netzeitung vermeldet, mit einem veritablen Rekord auf:

Auf dem 360 Meter langen roten Teppich – laut Cheforganisatorin Patricia Riekel der «längste in der Bambi-Geschichte» – schmissen sich auch RTL-Moderatorin Frauke Ludowig und Ex-Profiboxerin Regina Halmich in Pose. Die bevorzugte Gewandfarbe bei den Frauen war schwarz.

Lieber in Pose schmeissen als lang machen auf dem Teppich, der für Leute wie Patricia Riekel die Welt bedeutet. Was Medienpreise bedeuten, darüber hat freilich einer schon vor mehr als einem Jahr eine treffliche Analyse verfasst, nämlich der Verfasser auch dieser Zeilen in seinem „Anti-Medien-Buch“: (mehr …)

Anti-Medien-Blog

Die journalistische Notfallpraxis im Web von Hektor Haarkötter