Posts Tagged ‘ARD’

Postdemokratie: Raab, Jauch und der Politjournalismus


16 Feb

Raab meets Stoiber, Quelle: Wikimedia (M)

Es war der ehemalige bayerische Ministerpräsident Edmund Stoiber, der den TV-Entertainer Stefan Raab als (Mit-)Moderator des sog. Kanzlerduells, also des Fernsehinterviews mit den beiden KanzlerkandidatInnen von CDU und SPD, ins Spiel gebracht hat. Schon das hätte einen skeptisch machen müssen. Denn um Partizipation, größere Politikakzeptanz oder einen Rückgang der Politikverdrossenheit kann es ja Edmund Stoiber oder seiner Partei, der CSU, nicht gehen. Im Gegenteil sind es Stoiber und die CSU gewesen, die ganz wesentlich zu Politikverdrossenheit und einem Niedergang von Partizipationsmöglichkeiten beigetragen haben. Der Freistaat Bayern ist das einzige Bundesland, in dem Studierende an Hochschulen keine hochschulpolitische Vertretung haben, Allgemeine Studierendenausschüsse sind per Gesetz verboten. Demokraten gerieren sich hier gerne mal als Quasi-Regenten, die Christsozialen als Staatspartei. Edmund Stoiber selbst hat als Kanzlerkandidat der CDU/CSU vor acht Jahren eine Einladung in Raabs Sendung kategorisch abgelehnt. Nimmt man Stoiber diese Begründung für seinen Vorstoß nicht ab, fragt man sich, was dann dahinter stecken könnte.

Nun, was anderes als das, für das sein Name und der seiner Partei steht: eine Depolitisierung der Politik, oder um es mit dem britischen Politologen Colin Crouch zu sagen: Post-Demokratie. Die Entpolitisierung gerade des öffentlich-rechtlichen Fernsehens ist ja ein Vorgang, der die Zuschauer und Gebührenzahler schon seit Jahrzehnten begleitet und an dem gerade die großen Volksparteien ganz wesentlich beteiligt waren und sind. Jüngstes Beispiel ist die Ersetzung kritischen dokumentarischen Fernsehprogramms durch ein beliebiges Talksshowdurcheinander in der ARD, in dem ausgewiesene Fähigkeiten als Politikjournalist ganz offensichtlich das letzte Qualifikationsmerkmal sind, um Moderator oder Moderatorin dieser Sendungen zu werden: Dort treffen wir eine Sportjournalistin (Will), eine ehemalige Jugendjournalistin (Maischberger), einen Lokaljournalisten (Plasberg) und einen Boulevardjournalisten und Gameshowmoderator (Jauch). Der Politjournalist, der zuletzt wagte, Spitzenkandidaten kritische Fragen zu stellen, war der ehemalige ZDF-Chefredakteur Nikolaus Brender, und genau aus diesem Grund ist er der ehemalige.

Mit Raab glaubt nun ein Stoiber, einen gefunden zu haben, der noch willfähriger und unpolitischer fragen wird als die öffentlich-rechtlichen Angestellten, die ihm und seinen Politikerkollegen sonst zunicken. Er könnte die Rechnung allerdings ohne den Metzgerssohn gemacht haben:

„Ich habe mir gestern bei YouTube nochmal Teile des letzten Kanzlerduells angeschaut. Schon in den ersten zehn Minuten gab es den Versuch eines Pointenfeuerwerks seitens der Moderatoren“, wird Raab auf Spiegel Online zitiert. „Wenn, dann kehrt mit mir die Seriosität zurück!“

 

Deutschlandradio Kultur über den ARD Markencheck


04 Feb

Heute im Deutschlandradio Kultur in der Sendung „Ortszeit“ gab es ein interessantes Interview zum ARD Markencheck, dessen vorerst letzte Folge sich heute Abend (20:15 Uhr) mit der Fa. Apple beschäftigen wird:

Interview Dradio Kultur 4_2_13

Deutsches Fernsehen und Hollywood-Stars


20 Nov

Sylvester Stallone, Foto: WikiCommons

Deutsches Fernsehen und Hollywood-Stars: Schon wenn man die beiden Ausdrücke nebeneinander schreibt oder liest, stutzt man. Irgendwie stoßen hier Pole aufeinander, die sich abstoßen. In letzter Zeit wird diese Abstoßung auch explizit. Hollywoodstars nutzen deutsche Fernsehsendungen zwar gerne zum Selbstmarketing für ihre neuesten popkulturellen Hervorbringungen, aber programmlich finden sie das deutsche Fernsehangebot offenbar eher zum Weglaufen. Wie sonst ist die Diskrepanz in den Äußerungen über den Auftritt des Hollywood-Schauspielers Sylvester Stallone in der Talkshow von Reinhold Beckmann zu verstehen?

„Sylvester ist ein großartiger Gast und wunderbarerweise ganz anders als in seinen ‚Rambo‘-Filmen. Als Gesprächspartner besitzt er nämlich ausgesprochen viel Sinn für Ironie,“ heißt es. „Er darf gerne wiederkommen.“

Stallone hat sich nämlich ganz anders geäußert:

„Es war Horror! Die schlimmste halbe Stunde meines Lebens“, zitiert die Hamburger Morgenpost Stallone. Und der geht noch weiter: „Schaut ihr Euch so was freiwillig an?“

Der Rocky-Darsteller ist nicht der erste, dem die Programmqualität des deutschen Fernsehens nicht behagt. Erst kürzlich hat hatte sich Hollywood-Schauspieler Tom Hanks über seinen Auftritt in der ZDF-Sendung „Wetten, dass“ despektierlich geäußert:

„I wanna tell you: In the United States if you are on a tv show that goes for four hours everybody responsible for the show is fired the next day.“
(Wenn Sie in den USA eine TV-Show veranstalten, die über vier Stunden dauert, würde der Verantwortliche am nächsten Tag gefeuert)

Auch wenn die Hanks-Äußerung nur halb so kritisch gemeint war, wie sie anschließend in der deutschen Presse nach dem Stille Post-Prinzip weiterverbreitet wurde, ist doch eine gewisse Irritation über deutsches TV-Gebahren bei US-Entertainment-Profis spürbar.

 

Tatort-Aus: Warum nur Saarbrücken?


24 Jan

fadenkreuz“Guckt den Film nicht!” forderte der Hauptdarsteller Gregor Weber alias Stefan Deininger des gestrigen Sonntagabendkrimis im Ersten Deutschen Fernsehen, des “Tatorts” aus Saarbrücken, sein Publikum auf. Es handelte sich bei der Aufforderung nicht um die larmoyante Form des Guerillamarketings, um die Einschaltquoten erst recht nach oben zu treiben, sondern um den schauspielerischen Ausdruck der Verärgerung darüber, dass sein Arbeitgeber ARD ihn künftig nicht mehr in der Filmreihe beschäftigen möchte. Dem Schauspieler ist allerdings aus anderem Grunde beizupflichten. In der an Tiefpunkten nicht gerade armen Krimiserie war die Folge des Titels “Verschleppt” das armseligste Beispiel für, wie Film- und Fernsehmacher heute mit Entsetzen Scherz treiben, um im Rennen um ein paar Prozentpunkte der Fernseh-Währung “Einschaltquote” noch die letzten moralischen und ästhetischen Standards zu unterlaufen. Aber lesen wir, was der Film-Kritiker der “tageszeitung” zu dem “Tatort” zu sagen hat:

Der Film und die Schauspieler wachsen weit übers übliche “Tatort”-Niveau hinaus. (…) Weber spielt seinen Deininger hart an der Grenze des Nervenzusammenbruchs. (…) Allein das macht “Verschleppt” absolut sehenswert.

Hier war wohl vor allem der Rezensent am Rande des Nervenzusammenbruchs. Davon abgesehen, dass das “übliche Tatort-Niveau” mit Sicherheit keine Referenzgröße für Qualität im öffentlich-rechtlichen Fernsehen darstellt (woanders erst recht nicht), war diese kolportagehaftige Aneinanderhackstückelung von filmischen Versatzstücken, selbstreferentiellen Zitaten und plump geklauten Einfallslosigkeiten sicher kein Glanzstück, das das Prädikat “absolut sehenswert” verdient hätte. Ein Kinderschänder entführt 14-jährige Mädchen, sperrt sie in ein Kellerverlies ein und quält sie dort mit Kabelbindern und Flüssigkeitsentzug – und das vorgeführt in einer Bildsprache, die sich so unverhohlen wie hilflos aus seinen Vorbildern aus dem Horror- und Splattergenre wie “Hostel” oder “Saw” bedient. Man hat sich ja schon daran gewöhnt (und Kriminologen wie Medienwissenschaftler haben diesen Befund bestätigt), dass die Darstellung von Kriminalität im Fernsehen mit der “echten” Kriminalität hierzulande nichts zu tun hat und dass deswegen das Staatvolk nach Gesetzesverschärfungen ruft, obwohl die Kriminalitätsstatistik seit Jahren und Jahrzehnten rückläufig ist. Ohne (in der Regel: sexuelle) Perversionen, ohne Splatter und Vergewaltigungen, ohne gequälte Mädchen und debile Täter geht gar nichts mehr, auch und gerade im öffentlich-rechtlichen Fernsehen. Für den ahnungslosen taz-Kritiker ist das “sehenswert”, für alle anderen ist das schlicht geschmacklos. Seine Ahnungslosigkeit wird auch körperlich spürbar, wenn man lesen muss:

Die Parallelen zum realen Fall Fritzl/Kampusch sind unübersehbar …

Denn dieser Fall war gar nicht einer, sondern es waren zwei völlig verschiedene: Hier der Fall Kampusch/Priklopil, bei dem in der Tat über Jahre ein Mädchen im Kellerverlies gefangen war (wenn auch nicht mit Kabelbindern gefoltert), dort der Familienvater Fritzl, der die eigene Tochter vergewaltigt. Immerhin konstatiert die “taz”:

Und noch dazu mit einem Thema, dass garantiert nicht zur gemütlichen Sonntagabendunterhaltung taugt.

Hier hat der taz-Kritiker allerdings recht: Dieser “Tatort” taugt weder zur “gemütlichen Sonntagabendunterhaltung”, noch überhaupt zu irgendeiner Art von Unterhaltung an irgendeinem Wochentag. Wer sich von den Sado-Phantasien öffentlich-rechtlicher Drehbuchautoren und –regisseure unterhalten fühlt, der sollte sich mindestens ebenso auf seinen Geisteszustand untersuchen lassen wie die Verantwortlichen für diesen Film, der zu einer Sendezeit läuft, zu der minderjährige Kinder und Jugendliche im Alter derjenigen, die im Film als Blaupause für die offenbar völlig gestörte Einbildungskraft seiner Macher dienten, noch vor dem Fernsehgerät sitzen. Robert Lemke stellte einst in der guten (?) alten Schwarz-Weiß-Zeit des Fernsehens fest: “Aus dem Kreis der Familie ist ein Halbkreis geworden”. Wer aber heute um 20:15 Uhr in der ARD noch Familienunterhaltung erwartet, der wird mit Brecheisen, Folterwerkzeugen und Dienstpistolen eines besseren belehrt. Als wäre dies nicht alles schon schlimm genug, wird in der “Tatort”-Filmen ein Bild von polizeilicher Arbeit vermittelt, dass dem unvoreingenommenen Betrachter den Eindruck vermitteln muss, als lebten wir in der Bundesrepublik Deutschland in einem faschistoiden Polizeistaat: Prügeleien bei polizeilichen Vernehmungen, Durchsuchungen und Festnahmen ohne Beschluss, Eigenmächtigkeiten und Selbstherrlichkeiten der ermittelnden Kommissare, als wären sie mit diktatorischen Vollmachten ausgestattet. Es ist schon war, bei fiktionalen Werken muss nicht alles mit den rechten Dingen dokumentarischer Wahrhaftigkeit vonstatten gehen (obwohl: warum eigentlich nicht?). Aber wenn eine Filmreihe sich so dermaßen von der Realität entfernt hat, wie die ARD-“Tatort”-Reihe es getan hat, dann lässt es doch einige Rückschlüsse auf den Wirklichkeitsbezug der ARD-Verantwortlichen zu. Ich jedenfalls werde den Ratschlag des ehemaligen “Tatort”-Kommissarschauspielers beherzigen: Ich werde ein ehemaliger “Tatort”-Zuschauer.

Dem Sonntagabends-Talk fehlt die Talktik


07 Nov

Was soll man dem noch hinzufügen?

Er packt es einfach nicht. Politische Themen sind nicht die Sache des Günther Jauch. Schon gar nicht, wenn auch noch Sachwissen und vertiefendes Nachhaken gefragt ist. Doch da auf seinem Sendeplatz am Sonntagabend nun einmal das große politische Rad gedreht werden soll, tappt der Moderator seit acht Wochen mit schöner Regelmäßigkeit immer wieder in die Themenfalle. So auch am gestrigen Sonntag, als sich der Mann für die leichten und menschelnden Themen mit seiner Runde den "Chaos-Tagen in Athen" widmen wollte: "Wer will die Griechen jetzt noch retten?", lautete die unheilvolle Frage – nun, diese Talkshow ganz sicher nicht.

Die Krise auf dem Talkshow-Königsplatz: Haircut für Jauch – Kultur | STERN.DE

Was denn sonst: Papst spricht „Wort zum Sonntag“


06 Jul

Was soll er denn eigentlich auch sonst tun? Der Papst wird im Rahmen seines Deutschlandbesuchs am 17. September in der ARD das „Wort zum Sonntag“ sprechen. In der Presse scheint das für einige Überraschung zu sorgen, aber warum eigentlich? Es ist schließlich sein Job, für den er Geld bekommt, insbesondere auch vom deutschen Steuerzahler. Es steht nur zu hoffen, dass die ARD nicht extra Gebührengelder springen lassen muss, einen speziellen öffentlich-rechtlichen Ablass sozusagen, um diesen Transfer durchzuboxen. Sonst würde womöglich Papst Benedikt XVI. zum Arthur Abraham des kirchlichen TV-Boxrings. Wir dürfen also hoffen, dass Benedikt vulgo Ratzinger mit ordentlichem Punch, einem gesegneten Quentchen Infotainment und harten, aber fairen Breitseiten gegen televisionäre Unmoral, gebührenfinanzierten Sittenverfall und jedwede Art von medialer Freizügigkeit zu Felde ziehen und die Quoten in den Himmel transportieren wird. Und amen, wir sagen euch, diese katholische soap opera wird sich gewaschen haben und es wird eine Gardinenpredigt werden, und es wird sich dabei nicht um schwedische handeln.

Mobbing in der ARD


05 Jul

Verena Wiedemann, ehem. ARD-Generalsekretärin

Eine Insel der Glückseligen müsste die ARD eigentlich sein: 7,54 Milliarden Euro garantierte Einnahmen aus Rundfunkgebühren plus Werbe- und Sponsoreneinnahmen, Angestellte mit beamtenähnlichem und nahezu unkündbarem Beschäftigungsverhältnis, Redakteure mit knapp 6.500 Euro Tarifgehalt und dazu Möglichkeiten der Programmgestaltung diesseits vom Kulturauftrag  jenseits von Quotendruck  — genug Gründe, um jeden Tag mit einem Lächeln zur Arbeit und feierabends freudestrahlend wieder nach Hause zu gehen. Doch das Gegenteil ist der Fall: Die Stimmung ist schlecht in den Funkhäusern und Rundfunkanstalten.

ARD Generalsekretärin verklagt ihren Arbeitgeber wegen Mobbings

Jüngstes Beispiel ist ausgerechnet eine der obersten Repräsentantinnen der ARD: Die ARD-Generalsekretärin Verena Wiedemann verklagt ihren Arbeitgeber wegen „Mobbings“: Man habe sie „ausgegrenzt, diskriminiert und missachtet“, wie ihr Anwalt der Frankfurter Rundschau gegenüber erklärt. Die Übergriffe seien derart massiv gewesen, dass Verena Wiedemann infolgedessen psychisch erkrankt sei und sich in medizinischer Behandlung befinde. Von den Leitungsgremien sei sie ignoriert, in Entscheidungen sei sie nicht eingebunden worden. Und dann sollte sie auch noch aus ihren attraktiven Räumlichkeiten am Berliner Schiffsbauerdamm ins nüchterne Bürogebäude des Rundfunk Berlin-Brandenburg (rbb) umziehen. In eine „Besenkammer“, wie der Anwalt der Klägerin, Hans Georg Meier, behauptet. Zwei Referentenstellen seien ihr zuvor schon gestrichen worden. Mutmaßlich solle die erst vor fünf Jahren geschaffene Stelle in der ARD wieder abgeschafft werden. Da dadurch Frau Wiedemann aber Versorgungsansprüche gewönne, solle sie durch Mobbing zur Kündigung bewegt werden. Robin Meyer-Lucht vom Politblog Carta hat aber noch eine andere Interpretation:

Verena Wiedemann gilt nicht ohne Grund als „Stalinistin des öffentlich-rechtlichen Rundfunks“. Sie ist eine Fundamentalistin des Systems. Sie kennt nur den Modus “Totalverteidigung” für ihre Sendeanstalten. Sie zitiert gern das Verfassungsgericht und ist der Ansicht, dass das ARD-Wohl und das Allgemeinwohl identisch seien. Wiedemann wollte mit ihren Positionen viel in der ARD bewegen – und letztlich ist auch sie von den verkrusteten und vermachteten Strukturen der Anstalten gestoppt worden. Wiedemann dachte selbst hermetisch – und wurde von den noch hermetischeren Strukturen der ARD lahm gelegt. Am Ende zerschellten ihre Ansätze an jener fehlenden Kultur des offenen Dialogs in der ARD, für die auch sie selbst ein wenig stand.

Überdurchschnittlicher Krankenstand in der ARD

Frau Wiedemann ist nur das plakativste Beispiel eines weitreichenderen Umstands: Dass die ARD nämlich alles andere als die Insel der Glückseligen ist, was die Arbeitsbedingungen ihrer Beschäftigten angeht. Wie aus Kreisen der Redakteursvertretung des Westdeutschen Rundfunks (WDR) zu vernehmen ist, liegt der Krankenstand beispielsweise in der Kölner Sendeanstalt deutlich über dem Bundesdurchschnitt. Gründe dafür sehen Insider auch in „neo-autoritären Führungsstrukturen“, bei denen nur noch von oben nach unten delegiert und die Kreativität damit ausgeschlossen würde, wie bei einer Veranstaltung der Gewerkschaft Ver.di im Kölner DGB-Haus zu hören war. Und die Arbeitsbedingungen der unzähligen freien Mitarbeiter, die an die 90 Prozent des ARD-Programms herstellen, spotte jeder Beschreibung, wie die (anonymen) Autoren eines frechen Plagiats satirisch anprangerten, die kurzerhand die WDR-Hauspostille „wdr print“ nachgemacht hatten. „Die Hölle, das sind die Anderen“, schrieb Sartre in seinem Drama „Geschlossene Gesellschaft“. Vielleicht hätte es „geschlossene Anstalt“ heißen müssen.

Frau Wiedemann bekam übrigens kürzlich von der ARD das Angebot einer Vertragsverlängerung für die nächsten fünf Jahre. Grotesk angesichts eines, wie die Süddeutsche schreibt, völlig „zerrütteten Verhältnisses“.

Nachtrag:

Die ARD Pressestelle schrieb mir in diesem Betreff:

„Hallo Herr Haarkötter,
eine Anmerkung zu Ihrem Blogeintrag zu Frau Wiedemann. Sie schreiben: „Eine Insel der Glückseligen müsste die ARD eigentlich sein: 7,54 Milliarden Euro garantierte Einnahmen aus Rundfunkgebühren…“ Mit Zahlen sollte man immer vorsichtig sein: Die 7,54 Mrd. beziehen sich auf ARD UND ZDF UND Deutschlandradio. Die ARD selbst erhielt im Jahr 2010 5,52 Milliarden Euro Rundfunkgebühren, wovon sie wiederum 143 Millionen Euro an die Landesmedienanstalten abgetreten hat. Es wäre schön, wenn Sie dies korrigieren bzw. in Ihren weiteren Einträgen berücksichtigen könnten!
Beste Grüße aus Köln
Kristina Bausch / ARD-Pressestelle“

Frau Bausch hat natürlich recht. Die ARD hat also „nur“ 5,52 Mill. Euro im Jahr zur Verfügung. Ob sie deswegen weiterhin als „Insel der Glückseligkeit“ gelten müsste oder nicht, überlasse ich den geschätzten LeserInnen. Zu den Mobbing-Vorwürfen wollte Frau Bausch sich im übrigen offenbar nicht äußern. Dabei hätte ich die für viel gravierender gehalten. Aber was ist schon ein bekleidetes Mobbingopfer gegen nackte Zahlen!

Günther Jauch: Das große Missverständnis


27 Jun

Günther Jauch: Polit- oder Unterhaltungsjournalist?

Wann hat man es als Journalist eigentlich „geschafft“? Wenn man eine eigene Talkshow in der ARD angeboten bekommt? Oder wenn das als so relevant erscheint, dass das Nachrichtenmagazin Der Spiegel darüber ein vierseitiges Interview führt? Günther Jauch hat beides geschafft, er hat es also „geschafft“. Wirklich?

Ab dem 11.9.2011 soll der Fernsehjournalist die nach persönlich benannte Polittalkshow „Günther Jauch“ moderieren. Immer sonntags, nach dem „Tatort“. ARD-Spitzen haben ihn im Vorfeld, laut Spiegel, als „Großmeister der journalistischen Unterhaltung“ bezeichnet. Aber das genau ist sein größtes Problem.

Günther Jauch war nie politischer Journalist. Das von ihm moderierte TV-Magazin Stern TV war, bestenfalls, gehobener Boulevard: sensationsheischend, manchmal reißerisch, oft belanglos. Wenn Jauch sich in der Sendung mit Politik befasst hat, war dies ein Kollateralschaden anderer Angriffsziele, nämlich der möglichst großen Emotionalisierung, insbesondere durch Personalisierung aller Geschichten und Themen. Aber wenn Jauch schon kein Politjournalist ist, darf er denn wirklich als Unterhaltungskünstler gelten? Wie unterhaltsam ist Günther Jauch?

In den 80er Jahren fiel er erstmals auf: Als Sidekick in der Radiosendung von Thomas Gottschalk auf Bayern 3. Gottschalk war unterhaltsam, Jauch war der Streber. Im Fernsehen die gleiche Arbeitsteilung: Jauch durfte in „Wetten dass“ Außenwetten moderieren. Der Plauderer im Studio war er nicht. Und sein guter Ruf als Moderator von „Wer wird Millionär“ rührt wohl kaum von seinem Charisma her, das hat er nämlich nicht. Im Gegenteil verbindet er den Charme eines Studienrats (wenn auch eines guten) mit dem trockenen Humor eines Stammtischmitglieds, das aus gesundheitlichen Gründen auf den Genuss alkoholischer Getränke verzichtet.

Vielleicht ist es Ironie der Mediengeschichte, dass die Auftaktsendung ausgerechnet am Jahrestag der Anschläge aufs New Yorker World Trade Center (Nine-Eleven) stattfindet. Für Jauch wird sich der Ausflug in die ARD auf jeden Fall lohnen – immerhin ist er schon im Spiegel interviewt worden. Für die ARD könnte es aber ein Ground Zero werden.

Anti-Medien-Blog

Die journalistische Notfallpraxis im Web von Hektor Haarkötter