Archive for April 22nd, 2009

Anhand des Kölner Stadtanzeigers


22 Apr

Es kommt ja immer wieder ziemlich dicke, wenn man den Kölner Stadtanzeiger liest. Jetzt muss man auch noch vernehmen, dass Deutschland über sich hinauswächst:

Die Deutschen werden immer größer und breiter. Das hat die im Auftrag der Bekleidungs- und Automobilindustrie erstellte Reihenmessung „SizeGermany“ ergeben.

Es wurden aber nicht nur Reihen vermessen, sondern veritable Deutsche:

Für die Studie wurden seit Juli 2007 bundesweit rund 13 400 Frauen, Männer und Kinder zwischen sechs und 87 Jahren anhand von 3-D-Bodyscannern vermessen.

Anhand von Bodyscannern wurden wir also vermessen. Das ist doch wirklich ganz schön vermessen, jedenfalls was den Gebrauch des Präpositionalausdrucks „anhand von“ angeht. Steht zu hoffen, dass man sich nicht vermessen hat.

Greysame Werbung


22 Apr

Der Kommunikationskonzern Grey führt gerade öffentlich vor, wie Kommunikation in globalem Maßstab schief gehen kann. Dabei geht es ausgerechnet um Verhütung, sprich: Verhüterli. Ein Entwurf von Grey Deutschland für eine Kondom-Werbung spielte mit Konterfeis von Osama Bin Laden, Hitler und … Mao. Die message von dat janze: Mit Kondomen wären uns die Herrschaften erspart geblieben. Doch, wieder einmal, wurde das Medium selbst zur message: Chinesen waren empört. Und da das chinesische Volk aus über einer Milliarde potentiellen Protestlern besteht, kommen selbst bei nur kleiner Empörung schnell ein paar Millionen Unruhestifter zusammen. Kurzum: Grey sah sich zu einem Coitus Interruptus genötigt und veröffentlichte folgende Stellungnahme:

Wir verstehen, dass diese Anzeige wegen der optischen Bezugnahme auf den Vorsitzenden Mao in China Gefühle verletzt hat. Grey hat sich aufrichtig entschuldigt und der chinesischen Botschaft in Deutschland in aller Form versichert, dass diese nicht autorisierte Anzeige nie erscheinen wird. Wir zollen China, dem chinesischen Volk, seiner Kultur und seinen Institutionen höchsten Respekt.

Die Entschuldigung wurde im übrigen direkt von der Konzernzentrale in den USA lanciert und nicht von der Deutschlandfiliale: So ernst nahm man den Respekt vor dem chinesischen Volk. Gar zu volkstümlich dürfte der Hintergrund für diesen (um im Bilde zu bleiben:) „Rückzieher“ nicht sein: Grey war die erste westliche Werbeagentur, die auf dem chinesischen Markt aktiv wurde. Natürlich setzt man hier auch für die Zukunft eher auf wechselseitige Befruchtung und verhütet nur eins: Die eigene Kampagne. Diese erinnert übrigens an einen alten Spontispruch aus den 80er Jahren, der eine völlig andere Zielrichtung hatte: „Hätt‘ Maria abgetrieben, wär‘ uns viel erspart geblieben“. Aber Gott verhüte, dass das Kardinal Meissner erfährt …

Spiegel verladen, NDR jubelt


22 Apr

Wer anderen eine Grube gräbt, fällt eben doch nicht immer selber rein. Im konkreten Fall äußert sich die Schadenfreude im Jubelgetön einer öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalt, die für sich beansprucht, das Nachrichtenmagazin Spiegel mal so richtig reingelegt zu haben. Beim Wahlkampfauftakt der SPD hatte sich der Moderator der NDR-Satire-Sendung ExtraDrei als Wahlkampfhelfer vor dem Veranstaltungslokal aufgebaut und sich mit fiktiven Plakaten á la „Yes, he can Kanzler“ einen Spaß erlaubt. Spiegel Online hat diese Aktion dokumentiert und habe darum die Satire „für bare Münze genommen“. Ohne dem NDR die Freude vermiesen zu wollen: Über Witze soll man lachen. Wenn ein Witz „ernst“ genommen wird, kann es daran liegen, dass er einfach nicht komisch ist. Und dass ein Fernsehmoderator in der Öffentlichkeit nicht als solcher identifiziert wird, dürfte eher einen Schlag ins Eitelkeits-Kontor von Fernsehmenschen darstellen. Die „gelungene“ Satire könnte sich also auch als Rohrkrepierer erweisen. Lustig ist anders.

Anti-Medien-Blog

Die journalistische Notfallpraxis im Web von Hektor Haarkötter