Greysame Werbung

22 Apr

Der Kommunikationskonzern Grey führt gerade öffentlich vor, wie Kommunikation in globalem Maßstab schief gehen kann. Dabei geht es ausgerechnet um Verhütung, sprich: Verhüterli. Ein Entwurf von Grey Deutschland für eine Kondom-Werbung spielte mit Konterfeis von Osama Bin Laden, Hitler und … Mao. Die message von dat janze: Mit Kondomen wären uns die Herrschaften erspart geblieben. Doch, wieder einmal, wurde das Medium selbst zur message: Chinesen waren empört. Und da das chinesische Volk aus über einer Milliarde potentiellen Protestlern besteht, kommen selbst bei nur kleiner Empörung schnell ein paar Millionen Unruhestifter zusammen. Kurzum: Grey sah sich zu einem Coitus Interruptus genötigt und veröffentlichte folgende Stellungnahme:

Wir verstehen, dass diese Anzeige wegen der optischen Bezugnahme auf den Vorsitzenden Mao in China Gefühle verletzt hat. Grey hat sich aufrichtig entschuldigt und der chinesischen Botschaft in Deutschland in aller Form versichert, dass diese nicht autorisierte Anzeige nie erscheinen wird. Wir zollen China, dem chinesischen Volk, seiner Kultur und seinen Institutionen höchsten Respekt.

Die Entschuldigung wurde im übrigen direkt von der Konzernzentrale in den USA lanciert und nicht von der Deutschlandfiliale: So ernst nahm man den Respekt vor dem chinesischen Volk. Gar zu volkstümlich dürfte der Hintergrund für diesen (um im Bilde zu bleiben:) „Rückzieher“ nicht sein: Grey war die erste westliche Werbeagentur, die auf dem chinesischen Markt aktiv wurde. Natürlich setzt man hier auch für die Zukunft eher auf wechselseitige Befruchtung und verhütet nur eins: Die eigene Kampagne. Diese erinnert übrigens an einen alten Spontispruch aus den 80er Jahren, der eine völlig andere Zielrichtung hatte: „Hätt‘ Maria abgetrieben, wär‘ uns viel erspart geblieben“. Aber Gott verhüte, dass das Kardinal Meissner erfährt …

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Spiegel verladen, NDR jubelt

22 Apr

Wer anderen eine Grube gräbt, fällt eben doch nicht immer selber rein. Im konkreten Fall äußert sich die Schadenfreude im Jubelgetön einer öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalt, die für sich beansprucht, das Nachrichtenmagazin Spiegel mal so richtig reingelegt zu haben. Beim Wahlkampfauftakt der SPD hatte sich der Moderator der NDR-Satire-Sendung ExtraDrei als Wahlkampfhelfer vor dem Veranstaltungslokal aufgebaut und sich mit fiktiven Plakaten á la „Yes, he can Kanzler“ einen Spaß erlaubt. Spiegel Online hat diese Aktion dokumentiert und habe darum die Satire „für bare Münze genommen“. Ohne dem NDR die Freude vermiesen zu wollen: Über Witze soll man lachen. Wenn ein Witz „ernst“ genommen wird, kann es daran liegen, dass er einfach nicht komisch ist. Und dass ein Fernsehmoderator in der Öffentlichkeit nicht als solcher identifiziert wird, dürfte eher einen Schlag ins Eitelkeits-Kontor von Fernsehmenschen darstellen. Die „gelungene“ Satire könnte sich also auch als Rohrkrepierer erweisen. Lustig ist anders.

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„Sex, Macht und Politik“

20 Apr

„Sex, Macht und Politik“: So nennt sich ein Weblog von Bettina Röhl auf der Website der Tageszeitung Die Welt. Die Autorin ist Tocher von Ulrike Meinhof. Das ist hier zu erwähnen, weil sie es selbst nicht unterlässt. Da hat jemand sein Lebensthema gefunden: Im Leben von jemand anderem. So muss man wohl feststellen, wenn man etwa ihr Interview mit M. Reich-Ranicki liest, in dem es besonders darum geht, wie Ulrike Meinhof einmal eben denselben interviewte. Lässt schon der Rubrikentitel, der kaum je einhalten kann, was er verspricht, schlimmes vermuten, so kommt es beim Hineinlesen nur noch schlimmer. So ist zu lesen:

Bis in Harald Schmidts Unterschichten hinein ist Literatur ein Begriff geworden, der über Jahrhunderte einer dünnen Schicht des Bildungsbürgertums weitestgehend vorbehalten war.

Was soll der Satz eigentlich sagen? Ist das noch deutsch? Oder ist es schon die Sprache gerade jener „Unterschichten“, deren Literaturbegriff (so sie überhaupt einen hat) schwuppdiwupp schon wieder enteignet wurde, und zwar seit Jahrhunderten von einer dünnen Schicht Bildungsbürger. Und egal ob dünne oder dicke Bildungsbürger, diese Schicht gibt es zwar noch gar nicht jahrundertelang und auch ihr Literaturbegriff ist ein ziemlich junger, aber das kann ja der Autorin schnuppe sein. Was sagen will: Ulrike Meinhof konnte vermutlich besser schreiben.

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Wie man sich beim Stadtanzeiger so ausdrückt

20 Apr

Nachrichten, die keine sind: Da titelt der Kölner Stadtanzeiger in seiner heutigen Ausgabe:

Wahlkampfbeginn der SPD in Berlin

Und unter dieser Überschrift ist zu lesen:

Die Parteiführung stellt sich geschlossen hinter das Wahlprogramm ihres Kanzlerkandidaten

Nicht sonderlich überraschend. Eine Nachricht wäre es wert gewesen, wenn die Parteiführung es nicht getan hätte. Blättern wir noch ein bisschen weiter in dem Blatt:

… dem Lied von der Erde ließ das Gürzenich-Orchester unter Markus Stenz in der Kölner Philharmonie jetzt eine bewegende, eindringliche Interpretation zuteil werden, die die rechte MItte hielt …

Wo liegt die eigentlich genau, die „rechte Mitte“?

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Berichterstattung als Amoklauf

17 Apr

Über 60 Beschwerden hat der Deutsche Presserat nach dem Amoklauf von Winnenden erhalten. Es gehe um „die komplette Breite“ des Themas: von der unmittelbaren Berichterstattung über die Veröffentlichung des Fotos vom Täter bis zum Umgang mit den Opfern und ihren Familien. Die Wochenzeitung Die Zeit hat dargestellt, wie die Recherchemethoden der Journalisten aussahen:

Zwei Stunden nachdem die Familie vom Tod ihrer Tochter erfahren hatte, klingelte es an der Tür. Der Mann von der Presse kam sofort zur Sache: Ob die Familie Fotos ihrer Tochter habe? Ob die Tochter einen Freund habe? Ob sie den Täter gekannt habe? Es klingeln noch drei Reporter an der Tür, dann klingelt das Telefon. Fernsehsender. Ob es Bilder gebe?

Allerdings ist zu vermuten, dass auch den Autoren der Zeit nichts anderes übrig blieb, um diesen Artikel zu schreiben, als … an der Tür zu klingeln. In einem Interview ebenfalls mit der Zeit zieht der Gewaltexperte Joachim Kersten einen Zusammenhang zwischen dem Amoklauf in Alabama und dem in Schaben:

Die Tat in Alabama war vergleichbar. Die Bilder gingen schnell um die Welt und waren auch in einigen deutschen Medien Aufmacherthema. Ich habe gestern früh gesehen, wie Nachrichtenseiten als erstes Bild einer Bilderserie ein Foto einer mehrmals durchschossenen Fensterscheibe aus Alabama gezeigt haben. Ich dachte, hoffentlich sieht keiner dieser potenziellen Täter in Deutschland diese Bilder. Nach eineinhalb Stunden bekam ich dann einen Anruf und erfuhr, was in Winnenden passiert war. Da kann es einen Zusammenhang gegeben haben. Kriminologisch ist diese Theorie wenigstens belegt – anders als vieles andere, was kursiert. Der Nachahmungseffekt ist nachgewiesen.

Was auch immer die Ursachen sind: Die Berichterstattung über Amokläufe gleicht selbst einem.

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Presserat prüft jetzt auch Onlinemedien

17 Apr

Der Deutsche Presserat weitet seine Arbeit auf journalistisch-redaktionelle Onlinemedien aus.

Journalistisch-redaktionelle Online-Beiträge sollten den gleichen Standards gerecht werden, die auch für die gedruckten Veröffentlichungen gelten. Die Ausweitung des Pressekodex auf den Online-Bereich und die Möglichkeit für Leser und User, sich über Publikationen auch aus dem Internet beim Presserat zu beschweren, kann die Glaubwürdigkeit der einzelnen Online-Medien enorm stärken,

sagte der Sprecher des Pressrats, Manfred Protze, auf der gestrigen Sitzung des Plenums.Beschwerden können auch online abgegeben werden.

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Neues von der Wortspielfront

17 Apr

Kürzlich noch konnte man hoffen, der Kölner Stadtanzeiger würde im Zuge überraschender Selbsterkenntnis aus dem schweren Gewässer der Wortspiele sich zurückziehen. Allein, der Wörtersee zieht die Blattmacher an wie die Insektenfalle die Motten. Als Bildunterschrift in der gestrigen Ausgabe war zu lesen:

Gas ist zu teuer, besagt eine Studie und gießt damit Öl ins Feuer der Preisdiskussion.

Wer mit Öl kocht, braucht natürlich keinen Gaszähler. Aber der Stadtanzeiger kocht, was die Sprachsuppe angeht, doch eher mit Wasser. Kleine Preisfrage nebenbei: Was geschieht, wenn man Öl ins Feuer kippt? Es geht aus.

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Zensur bei Amazon?

15 Apr

Wie der britische Telegraph berichtete, soll es beim Buch- und Warenversender Amazon zu einer Art Zensur insbesondere gegenüber homosexuellen Schriftstellern gekommen sein. Tausende von Buchtiteln homosexueller Autoren sollen demnach seit Tagen nicht mehr auf den Amazon-eigenen Bestsellerlisten auftauchen und wären somit auch auch bei der Produksuche benachteiligt. Verantwortliche bei Amazon räumten mittlerweile eine „Panne im System“ ein.

Auf eine andere Spur führt der heise-newsticker. Demnach sei die scheinbare Zensur-Maßnahme in Wahrheit ein Hacker-Angriff auf Amazon gewesen:

Eine Person namens „Weef“gab an, dass er ein Amazon-Feature, dafür vorgesehen, einen „unangemessenen Inhalt“ zu berichten, in einem Script dazu verwendet habe, um Bücher mit homosexuellen Themen in ihrem Pagerank herabzusetzen. Darüber hinaus habe er Besitzer von ungenannten populären Webseiten dazu gebracht, eine Menge Beschwerden loszuschicken.

Eine Amazon-Sprecherin weist dies allerdings weit von sich.

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Life of Klinsmann

14 Apr

Ist es wirklich „die schlimmste Entgleisung, die es in den deutschen Medien jemals gegeben hat“, wie der Pressesprecher des FC Bayern München, Markus Hörwick, behauptete? Die links-alternative tageszeitung hatte auf dem Titelblatt ihrer Samstagsausgabe Jürgen Klinsmann ans Kreuz genagelt, begleitet von einem Songvers aus dem Monty Python-Klassiker „Life of Brian“: „Always look on the bright side of life“. Nach den blamablen Niederlagen von Klinsmanns hochbezahlter Fußballmannschaft gegen Wolfsburg und gegen Barcelona mag der Trainer allerdings eher Kopf-, als Kreuzschmerzen gehabt haben. Entgleisungen in den Medien sehen jedoch anders aus:

Es lässt sich wohl kaum als „Ausrutscher“ rechtfertigen, wenn zum Beispiel der Volksmusikmoderator Karl Moik Italiener im laufenden ARD-Programm als „Spaghettifresser“ bezeichnen darf. Wenn der Quizmoderator Frank Elstner zum dunkelhäutigen Schlagersänger Roberto Blanco sagen darf: „Sei jetzt ruhig, sonst kommst Du zurück in den Busch“. Wenn die Boulevard-Moderatorin Birgit Schrowange einen Beitrag über Behinderte mit den Worten ansagt: „Es gibt Menschen, die sind so hässlich, dass sie froh sein können, sich selber nie auf der Straße zu begegnen. Wie ein 50-jähriger, der wohl zu den beeindruckendsten Naturkatastrophen unter den Schönheitsidealen gehört“. (aus: Abschalten. Das Anti-Medien-Buch)

Das sind schon eher veritable Entgleisungen. Dagegen ist ein taz-Titelblatt, das satirisch mit den messianischen Erwartungen spielt, die mit der Ankunft Jürgen Klinsmanns beim FC Bayern verbunden waren, doch eher harmlos. Und passend zum Osterfest sollten die Kontrahenten sich, bittschön, die Hände reichen zum Friedensgruß. Naja, wenn sie nicht vernagelt sind …

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Staatsanwalt besucht RTL 2

14 Apr

Nicht jeder Flirt ist ein echter Flirt. Wer z.B. auf die offenbar betrügerische SMS-Werbung des Fernsehsenders hereingefallen ist, der hatte es nicht mit echten Flirtkontakten, sondern mit Operatoren in einem Callcenter zu tun. Allein in den Jahren 2005 und 2006 versendeten gutgläubige Fernsehzuschauer insgesamt 500.000 SMS-Nachrichten zum Preis von je 1,99 Euro. Die Fernsehwerbung hatte ihnen vorgekaulelt, dass sie auf diese Weise mit realen Personen Bekanntschaft schließen könnten. „Einen telefonischen oder persönlichen Kontakt hat es nicht gegeben“, erklärte der verantwortliche Oberstaatsanwalt Anton Winkler. Die Staatsanwaltschaft wirft den Betreibern „gewerbsmäßigen Betrug“ vor. Darauf steht Gefängnis bis zu 10 Jahren.

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Anti-Medien-Blog

Die journalistische Notfallpraxis im Web von Hektor Haarkötter