Berichterstattung als Amoklauf

17 Apr

Über 60 Beschwerden hat der Deutsche Presserat nach dem Amoklauf von Winnenden erhalten. Es gehe um „die komplette Breite“ des Themas: von der unmittelbaren Berichterstattung über die Veröffentlichung des Fotos vom Täter bis zum Umgang mit den Opfern und ihren Familien. Die Wochenzeitung Die Zeit hat dargestellt, wie die Recherchemethoden der Journalisten aussahen:

Zwei Stunden nachdem die Familie vom Tod ihrer Tochter erfahren hatte, klingelte es an der Tür. Der Mann von der Presse kam sofort zur Sache: Ob die Familie Fotos ihrer Tochter habe? Ob die Tochter einen Freund habe? Ob sie den Täter gekannt habe? Es klingeln noch drei Reporter an der Tür, dann klingelt das Telefon. Fernsehsender. Ob es Bilder gebe?

Allerdings ist zu vermuten, dass auch den Autoren der Zeit nichts anderes übrig blieb, um diesen Artikel zu schreiben, als … an der Tür zu klingeln. In einem Interview ebenfalls mit der Zeit zieht der Gewaltexperte Joachim Kersten einen Zusammenhang zwischen dem Amoklauf in Alabama und dem in Schaben:

Die Tat in Alabama war vergleichbar. Die Bilder gingen schnell um die Welt und waren auch in einigen deutschen Medien Aufmacherthema. Ich habe gestern früh gesehen, wie Nachrichtenseiten als erstes Bild einer Bilderserie ein Foto einer mehrmals durchschossenen Fensterscheibe aus Alabama gezeigt haben. Ich dachte, hoffentlich sieht keiner dieser potenziellen Täter in Deutschland diese Bilder. Nach eineinhalb Stunden bekam ich dann einen Anruf und erfuhr, was in Winnenden passiert war. Da kann es einen Zusammenhang gegeben haben. Kriminologisch ist diese Theorie wenigstens belegt – anders als vieles andere, was kursiert. Der Nachahmungseffekt ist nachgewiesen.

Was auch immer die Ursachen sind: Die Berichterstattung über Amokläufe gleicht selbst einem.

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Die journalistische Notfallpraxis im Web von Hektor Haarkötter