Radio Vatikan als Geheimsender

27 Okt

Ein ganz bemerkenswertes Dokument zum Thema Macht und Ohnmacht der Medien ist das Interview, das der Spiegel mit dem Leiter der deutschsprachigen Redaktion bei Radio Vatikan geführt hat. Man muss dazu vielleicht noch anmerken, dass die katholische Kirche sich, wieder ausweislich Spiegel-Informationen, den Luxus dieses Radiosenders mindestens 42 Millionen Euro im Jahr kosten lässt.

SPIEGEL: Darf man als Journalist bei Radio Vatikan überhaupt Kritik an der katholischen Kirche üben?

Gemmingen: Radio Vatikan informiert über die Kirche, kommentiert wenig, kritisiert nicht. Wer bei Radio Vatikan arbeitet, ist mit seinem Arbeitgeber solidarisch.

SPIEGEL: Waren Sie Teil einer Propagandamaschine?

Gemmingen: Wir betreiben sicher eine besondere Art von Journalismus in der Berichterstattung über den Vatikan und die Weltkirche. Wie viele andere Journalisten auch haben wir die „Schere im Kopf“, sind aber keine Pressesprecher des Papstes.

SPIEGEL: Konnten Sie im Vatikan frei recherchieren?

Gemmingen: Kardinäle oder Bischöfe geben auch mal Interviews. Dokumente erhalten nur Historiker aus den schon zugänglichen Archiven.

SPIEGEL: Braucht man Radio Vatikan?

Gemmingen: Radio Vatikan ist eine Zugabe. Man braucht es nicht. Wir sind ein Geheimsender. Leider ist es der katholischen Kirche aber nicht gelungen, den Kanal selbst unter praktizierenden Katholiken bekannt zu machen. Das zeigt die Ohnmacht des Vatikans. Er hat überhaupt keine Macht. Der Vatikan ist medial machtlos im Vergleich zu den großen Meinungsmachern.

„Radio Vatikan ist ein Geheimsender“ – Artikel – SPIEGEL WISSEN – Lexikon, Wikipedia und SPIEGEL-Archiv

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Fernbedienung defekt: Was dann?

23 Okt

Was tun, wenn die Fernbedienung des Fernsehgeräts defekt ist? Diese Frage bewegte die Journalisten der Zeitschrift Reader’s Digest. Sie ließ eine repräsentative Umfrage anfertigen, deren Ergebnis nun feststeht:

Das Fernsehen gehört zu den Lieblingsbeschäftigungen der Deutschen. Was aber tun, wenn die Fernbedienung plötzlich ausfällt: Wird das eingeschaltete Programm dann weitergeschaut, auch wenn es langweilig ist, oder steht man auf, um am Apparat umzuschalten? Nach einer repräsentativen Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Emnid im Auftrag des Magazins Reader’s Digest (November-Ausgabe) entscheiden sich 89 Prozent fürs Aufstehen, um umzuschalten.

Schlussfolgerung: Elf Prozent der Deutschen schauen lieber eine langweilige Fernsehsendung statt sich zu erheben und umzuschalten oder gar, horribile dictu, auszuschalten. So jedenfalls verkündet es die Zeitschrift selbst in ihrer Pressemitteilung. Allerdings: Die Quintessenz des Artikels ist eine ganz andere:

Auch ein anderer Aspekt der Umfrage beweist, dass die Deutschen alles andere als  Bewegungsmuffel sind. So gaben 77 Prozent an, sie würden die Treppe und nicht den Aufzug nehmen, wenn es darum geht, die Höhe zwischen zwei Stockwerken zu überwinden.

Was also möchte Reader’s Digest uns eigentlich sagen? Sind die Deutschen nun zu faul, um selbst den größten Fernsehquatsch zu vermeiden? Oder sind sie in Wahrheit gar keine „Bewegungsmuffel“? Die Antwort kennt nur der Wind …

Presseportal: Reader’s Digest Deutschland – Fernbedienung defekt: Elf Prozent schauen lieber ein langweiliges Programm statt sich zu erheben

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Gäste schützen vor Torheit nicht

21 Okt

Auch Gastbeiträge in Tageszeitungen schützen nicht vor groben sprachlichen Patzern. So in dem Beitrag des Arztes Dietrich Grönemeyer in der heutigen SZ:

Und wann wäre die Gelegenheit dazu gegebener als jetzt …

Gegebener? Liest denn kein Redakteur mehr vorher, was da veröffentlicht wird? Gerade Gäste haben ein bisschen Schutz verdient: Auch vor dem eigenen Irtum.

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Süddeutsche Zeitung: Krise beschert Konzept

19 Okt

Die Wirtschafts-, Anzeigen- und Zeitungskrise hat offensichtlich auch ihr Gutes: Der Süddeutschen Zeitung, angeblich ja eine der „besten Zeitungen Deutschlands“, beschert die Krise nämlich etwas, was ihr offenbar bislang abging, nämlich ein „journalistisches Konzept“:

Die „Süddeutsche Zeitung“ muss offenbar acht bis zehn Millionen Euro einsparen. Der Betrag soll nach dem Willen des Herausgeberrats mit einem journalistischen Konzept erlöst werden.

Obwohl es doch bisher auch ohne ging …

Meedia: „SZ“ will Lokales bündeln

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Von Porno bis Ökofleisch

19 Okt

Darauf hat die Medienwelt gewartet: Ein feministischer Porno-Filmpreis. Die Initiatorin ist auch nicht einfach so ebensolche, nein, sie ist „Sexpertin“ und Vertreiberin von „Sexklusivitäten“. Interessanter als dieser Umstand ist allerdings das Interview, das das „Medienhandbuch.de“ mit ihr geführt hat. Denn dort taucht eine Frage auf, die in ihrer Mehrbezüglichkeit schöner ist, als jede Antwort zum Thema es sein kann:

Sind Verbraucherinnen und Verbraucher Ihrer Erfahrung nach bereit, ähnlich wie beim Ökofleisch, höhere Preise für bessere Qualität zu bezahlen?

Ist das nicht schön?

„Wir wollen den Pornomarkt revolutionieren“ | medienhandbuch.de

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Fälschungen in der Wissenschaft

14 Okt

Die Naturwissenschaften gelten gemeinhin als Bereich, der der experimentellen Erkenntnis vor der rein buchbezogenen hermeneutischen den Vorzug gibt. Ein Grund, warum zum Beispiel Doktorarbeiten in naturwissenschaftlichen Fächern regelmäßig viel kürzer sind als in Geisteswissenschaften: „Bücher bilden Gelehrte, Broschüren bilden Menschen“, wie man schon im 18. Jahrhundert sagte. Eine auffällige Kontraindikation ist allerdings der Umstand, dass ausgerechnet in den Naturwissenschaften das Problem der wissenschaftlichen Fälschung virulent ist. Die Obsession der Veröffentlichung ist dann eben auch in den Naturwissenschaften so groß, dass selbst ohne greifbares Ergebnis eine Publikation hergestellt werden muss: Die wissenschaftliche Erkenntnis wird fiktionalisiert. Dass damit das Ergebnis dieser wissenschaftlichen Aktivität, die sich vorgeblich gegen reine Hermeneutik richtete, sich selbst zum Objekt hermeneutischer statt naturwissenschaftlicher Analyse macht, hat bei allem Degout auch eine gewisse feine Ironie. In der Zeitschrift Universitas findet sich ein Aufsatz zu diesem Thema (pdf).

Universitas

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Mit Toten für Quoten

12 Okt

Das geht nun vielleicht doch ein bisschen zu weit:

Er soll Morde in Auftrag gegeben haben, um mit exklusiven Filmaufnahmen von den Verbrechen die Einschaltquote für seine „Crime-Show“ zu erhöhen: Der brasilianische Ex-Regionalabgeordnete und TV-Moderator Wallace Souza hat sich nach Bekanntwerden dieser Praktiken den Behörden gestellt. Er sitzt seit dem Wochenende in einem Gefängnis in Manaus. In der vergangenen Woche war ihm das Mandat und damit auch die Immunität entzogen worden.

Bekanntlich sind Fernsehsender bereit, über Leichen zu gehen. Bislang waren damit allerdings die Leichen im Programmkeller und die Mumien der Mehrfachwertung gemeint. Aber was für Neapel, Sophia Loren, ein Menü im El Bulli oder einen Winterspaziergang im Engadin gilt, das gilt für das Fernsehen noch lange nicht: Es ist einfach nicht zum Sterben schön.

Morde für Einschaltquote? – Kölner Stadt-Anzeiger

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Bolzen gegen Obama

10 Okt

Wer hat eigentlich Norbert Bolz gefragt? Der Kölner Stadtanzeiger hat es getan, wer denn sonst? Der Medienprofessor aus Berlin, dessen Medienbezug vor allem in der medialen Inszenierung der eigenen Person besteht, äußert sich in der Öffentlichkeit auch ohne Sachkenntnis gerne zu allen möglichen Sachen. Sein Eintreten für reaktionäre Positionen wie z.B. das Zementieren von Geschlechterrollen und sein intellektuell verbrämter Hass auf “Gutmenschen” gibt sich gar nicht erst den Anschein, argumentative Tiefe zu haben. Da ist er natürlich genau der Richtige, um die Entscheidung des Nobelkomitees zu kritisieren, das einem schwarzen US-Präsidenten den Friedensnobelpreis zuerkennt:

In Amerika hat Obamas Bild schon Risse bekommen. Das ist jetzt eine Art Solidaritätserklärung. Die Guten der ganzen Welt erklären sich mit ihm solidarisch gegen erste massive Zweifel an seiner messianischen Kraft.

Unverkennbar ist, dass Bolz zu jenen Kritikern der Elche zählt, die früher selbst welche waren. Ähnlich wie sein alter ego Peter Sloterdijk ist es ja Norbert Bolz, der in knitterigem Nietzsche-Adeptentum gerne einen Zarathustra-Tonfall anschlägt und in “messianischer” Weise mehr verkündet als erklärt und mehr raunt als argumentiert. Selbst wenn das auch auf Barak Obama zutreffen sollte (Zweifel sind erlaubt), gibt es doch einen gewichtigen Unterschied: Obama ist dabei nicht peinlich. Die Kritik, die der Frankfurter Sozialphilosoph Axel Honneth kürzlich in der Zeit an Peter Sloterdijk übte, ist da wie hier einschlägig:

… nur wenige mag es geben, die da nicht in ein Grübeln darüber verfallen, ob unsere demokratische Kultur nicht inzwischen einen Grad an Verspieltheit, an Ernstlosigkeit und Verquatschtheit erreicht hat, der ihren eigenen Ansprüchen Abbruch tut.

Das ist ja fast noch höflich formuliert. Denn das Kalkül, mit dem hier auf gedankenlose wie gewissenlose Art und Weise Ressentiment geschürt wird, ist ja nicht nur “verspielt” und “ernstlos”: Es ist auch gemeingefährlich. Dass Leute wie Sloterdijk und Bolz dann auch noch als Hochschullehrer staatlich besoldet werden, gibt einem zu denken.

Bolz-Interview im Kölner Stadt-Anzeiger

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Medien und Wahlkampf

10 Okt

Bei einer Feierstunde zum 60-jährigen Bestehen der Bundespressekonferenz hat Bundespräsident Horst Köhler den anwesenden Journalisten die Leviten gelesen. Dabei ging es insbesondere um die Rolle der Presse im zurückliegenden Bundestagswahlkampf:

Vielen Journalisten, die "mehr Schärfe, mehr Ideologie, mehr Angriff" gefordert hätten, sei es "gar nicht um die Demokratie" gegangen, sagte Köhler bei einer Feier zum 60-jährigen Bestehen der Bundespressekonferenz.

"Bestenfalls hatten sie Langweile, und schlimmstenfalls vermissten sie etwas, womit sie ihre Quoten und Auflagen steigern wollten."

Bundespräsident kritisiert Rolle der Medien im Wahlkampf | medienhandbuch.de

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NOCH NIE

09 Okt

Zum unten angesprochenen „Seitismus“ reiht sich natürlich noch ein anderes Phänomen, mit dem Journalisten ihre Unkenntnis in Stochastik untermauern: Der „Noch-nie-ismus“. Was aber auch alles „noch nie“ stattgefunden hat:

Vizekanzler in spe Westerwelle ist noch nie wirklich angekommen

Kaiser (Linke) oder Wanka (CDU) – noch nie stand die Platzeck-SPD so nah am

Ein Absturz wie noch nie

Herta Müller: „Ich habe noch nie auf einen Preis gewartet“

Der völlige Ausschluss der Möglichkeit, etwas habe nicht vielleicht doch schon irgend wann einmal sich ereignet und nur die eigene Ignoranz, Kleingeistigkeit oder mangelnde Welterfahrung hat es den Journalisten nicht wissen lassen, gehört zu den präpotenten Posen des Journalismus. Dagegen wusste doch schon James Bond, man solle niemals nie sagen, und wer geschwiegen hat, der hat noch immer seine Chancen verbessert, ein Philosoph zu bleiben. Im Werbe-Geraune dagegen kann ein keckes „noch nie“ durchaus Stimmung verbreiten, wie auf einer Website eines Kinobetreibers:

KINO WIE NOCH NIE

Journalismus wie noch nie, das würden wir uns allerdings auch wünschen.

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Anti-Medien-Blog

Die journalistische Notfallpraxis im Web von Hektor Haarkötter