Archive for September 30th, 2009

Die "Zeit" und die beste aller Welten


30 Sep

Es war einmal in einer Zeit, als das Wünschen noch geholfen hat, da lasen alle Menschen die „Zeit“ und glaubten jedes Wort, das da geschrieben stand. Und die „Zeit“ wiederum glaubte auch etwas. Sie glaubte nämlich, dass eine Zeit, in der die „Zeit“ erschien, die beste aller Zeiten sein müsste. Darum war in der „Zeit“ über unsere Zeit zu lesen:

Zu welcher Zeit in der deutschen Geschichte ging es, in welchem anderen Land der Erde geht es Menschen besser als in dieser Bundesrepublik?

Und der Chefredakteur der „Zeit“ äußert in ähnlichem Ton von der „beste[n] Demokratie, die es in Deutschland je gab“. Das mag ja alles für „Zeit“-Redakteure zutreffen, die über Tarif bezahlt werden und ihren gesellschaftlichen Einfluss im Zweifel bei den Machthabern persönlich geltend machen können. Jedoch, einerseits die „schwerste Wirtschaftskrise aller Zeiten“ zu paraphrasieren und andererseits das größte Wohlergehen aller Zeiten zu konstatieren, das geht nicht recht zusammen. Und die Zeiten sind noch nicht so lange her, dass die Lebenden daran sich nicht erinnern könnten, da gab es in diesem Land Vollbeschäftigung, wurden Schulen und Hochschulen ausgebaut und neugegründet, wurde nicht jede soziale Leistung mit Lohn-Nullrunden konterkariert. Und der Zustand einer Demokratie, die sich ihre Willensbildung von Frank Plasberg und Stefan Raab besorgen lässt, kann nur als erbärmlich beschrieben werden, weswegen seriöse Wissenschaftler bereits von „Post-Demokratie“ sprechen.

Was hier waltet, ist das Ressentiment des Wohllebens, ist repressiver Wohlfühljournalismus: Wem’s nicht gut geht, der macht sich automatisch verdächtig. Voltaire beschrieb schon im 18. Jahrhundert als Satire auf die Leibniz’sche Theorie von der „besten aller Welten“ die Denkfigur, die heute die „Zeit“-Redakteure teilen. Der traurige Held dieser Geschichte hieß Candide. Es war ein Narr.

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Immermehrismus im Schambereich


30 Sep

Immer mehr, immer öfter, immer schneller: Der Immermehrismus hat jetzt auch den Schambereich erreicht. Jedenfalls, wenn es nach dem öffentlichen Spezialisten für Schamgrenzen geht, also der Bilderzeitung:

Immer mehr Frauen lassen sich den Intimbereich chirurgisch verändern. Verengung der Vagina, G-Punkt-Vergrößerung, Schamlippenverkleinerung. In BamS erklären fünf Frauen den Schnitt unter der Gürtellinie.

Immer mehr Frauen, die sich verengen lassen, das ist ja eigentlich, nach einfacher Masserechnung, immer weniger Frau. Und wenn sie es immer häufiger tun, werden bald immer weniger Frauen in Deutschland anzutreffen sein. Das ist schlecht, vor allem für die Bildzeitung. Denn ohne weiblichen Intimbereich hat es diese Zeitung verdammt schwer.

G-Punkt-Vergrößerung, Schamlippenverkleinerung, Vagina-Verengung: Intim-Operationen versprechen mehr Lust im Bett und besseren Sex – Ratgeber – Bild.de

Anti-Medien-Blog

Die journalistische Notfallpraxis im Web von Hektor Haarkötter