Archive for the ‘öffentlich-rechtlicher Rundfunk’ Category

Griechenland: Erster öffentlich-rechtlicher Rundfunk wird geschlossen


12 Jun
Letzte Zuckungen des öffentlich-rechtlichen Rundfunks (Screenshot)

Letzte Zuckungen des öffentlich-rechtlichen Rundfunks (Screenshot)

Auch im EU-Staat Griechenland gab es einen öffentlich-rechtlichen Rundfunksender, der mit Gebühren finanziert war. Gab. Denn die griechische Regierung hat beschlossen, diese Rundfunkanstalt abzuschaffen, und sie hat auch sogleich Nägel mit Köpfen gemacht: Um 0:00 Uhr ließ sie Sendebetrieb des ERT (Ellenike Radiophonia Kai Teleorasi) einstellen, Polizei soll vor verschiedenen ERT-Gebäuden in Stellung gegangen sein, um Unruhen zu verhindern.

Ein in der europäischen Rundfunkgeschichte einmaliger Vorgang. Selbst zu Zeiten der griechischen Militärdiktatur Anfang der 1970er Jahre sendete der öffentliche Rundfunk weiter, wenn auch mit zweifelhaftem Programm, wie der Branchendienst DWDL kommentiert.

Regierungssprecher Simos Kedikoglou begründete die Abschaltung mit der „unglaublichen Verschwendung“ des Staatsrundfunks. Dabei hat der Sender einen relativ bescheidenen Etat von 300 Millionen Euro und schätzungsweise 2500 bis 2900 MitarbeiterInnen. Zum Vergleich: Der Westdeutsche Rundfunk Köln hat einen Etat von 1,7 Milliarden Euro sowie ca. 4.900 feste und 20.000 freie Mitarbeiter.

Mogens Blicher-Bjerregård, Präsident der European Federation of Journalist – des größten europäischen Journalistenverbands, sagt zur ERT-Schließung:

„Diese Pläne sind einfach absurd. Es wird ein schwerer Schlag für die Demokratie, den Pluralismus in den Medien und den Journalismus als öffentliches Gut in Griechenland sein, und damit den Bürgern ihres Rechts auf ehrliche, besonnene und unvoreingenommene Informationen berauben. Aber es bedeutet auch den Verlust von vielen Arbeitsplätze für Journalisten im ganzen Land“.

Aus Solidaritätsgründen hat auch der private Rundfunk in Griechenland gestern Abend für einige Stunden das Programm eingestellt. Der spanische Rundfunk hat ebenfalls zu Solidaritätszwecken einen eigenen Kanal zur griechischen Rundfunkkrise im Internet gestartet.

Die griechische Regierung will unter neuen Vorzeichen eine neue Rundfunkanstalt gründen, mit deutlich weniger Mitarbeiterinnen. Hierzu gibt es aber noch keine detaillierten Pläne. Hintergrund der Rundfunkschließung ist die Eurokrise in dem südeuropäischen Land. Die griechische Regierung hat sich vorgenommen, in diesem Jahr 4.000 Staatsbedienstete zu entlassen. Bis Ende 2014 sollen weitere 14.000 gehen.

Küppersbusch im „Tagesschaum“: Mehr Schaum als Traum


12 Jun

kueppersbusch tagesschaumDie Besenkammer der Produktionsfirma probono, deren Eigentümer Friedrich Küppersbusch ist, musste als Aufnahmestudio reichen für die mit viel Vorschusslorbeeren ausgestattete erste Ausstrahlung der WDR-Sendung „Tagesschaum“. Produzent und Moderator: Friedrich Küppersbusch. Eine nackte Neonröhre, eine nackte Wand, die lediglich mit ein paar Spickzetteln dürftig bekleidet ist, und ein „Sozialkundelehrer ohne Haare“, wie sich Küppersbusch selber nennt, müssen als Ausstattung reichen. Mehr Understatement geht nicht. Dass auch die Sportsendung „Zeiglers wunderbare Welt des Fußballs“ in ähnlichem Outfit daherkommt, lässt den „Tagesschaum“ nicht gerade sehr innovativ aussehen.

Und, wie war’s? Ging so. Zehn Minuten Monolog des merkwürdig heiseren Küppersbusch waren weniger als das, was selbst seine Fans erwartet haben dürften. Statt Einspielfilmen, einst die große Stärke des Küppersbusch-Formats „ZAK“, gab es Slideshows und Bilderstrecken, die ebenfalls ausschließlich vom Moderator aus dem Off besprochen wurden. Rubriken (z.B. „irgendwas mit Hitler“) wurden stereotyp mit der Redewendung „worauf Sie schon lange gewartet haben“ angekündigt, nur um zu merken, dass man nicht wirklich darauf gewartet hat. Was bleibt, war eine in Teilen kabarettistisch angehauchte journalistische Rede auf mittlerem Wortspielniveau. Auch das reicht, um Küppersbuschs „Tagesschaum“ im Einerlei des deutschen Fernsehens zum einem herausragenden Beispiel des Politjournalismus zu machen. Das sagt allerdings mehr über den Politjournalismus und das deutsche Fernsehen als über die Qualitäten dieser Sendung. Küppersbuschs größte Stärke konnte er aufgrund der Beschränkungen dieses Formats gar nicht ausspielen: Seine kongenialen Interviews. Bis zur Bundestagswahl im September will der WDR den „Tagesschaum“ weiter ausstrahlen. Es steht zu wünschen, dass man dem einsamen Moderator noch Gäste ins Studio geschafft werden, an denen er sich reiben und abarbeiten kann. Dann könnte diese Sendung wirklich ein Erfolg werden. Und noch ein letzter Tipp: Friedrich, trink‘ ein Glas heißen Tee vor der Aufzeichnung!

ARD contra Kebekus: Kein „Dunk den Herrn!“


05 Jun

Komikerin Carolin Kebekus (Foto: Wikimedia)Die Kölner Komikerin Carolin Kebekus hat sich in der Sendung „TV Total“ von ihrer ersten eigenen Sendung distanziert. „Kebekus“ startet heute (Mittwoch, den 05.06.2013) als Pilotfolge auf EinsFestival. „Brauchen Sie nicht zu gucken, ist total verschnitten“, erklärte Kebekus.

Hintergrund ist ein kirchenkritischer Rap mit dem Titel „Dunk den Herrn!“ Darin kommen so denkwürdige Sätze vor wie „Sonntags in der Messe/zieh ich nur ’ne Fresse“. Eine als Nonne kostümierte Kebekus lutscht auch an einem Kruzifix und entblößt offenbar ihre „private parts“ dem Gekreuzigten. Für den WDR als verantwortlichem Sender wohl zu viel. Die Sendung soll angeblich schon rekdationell abgenommen und nun im nachhinein um die kirchenkritische Szene bereinigt worden sein.

Der WDR teilt zu der Angelegenheit mit:

„Insbesondere durch die Szenen mit dem Kruzifix könnten religiöse Überzeugungen von Zuschauern verletzt werden. Dies war und ist nicht die Intention der Redaktionsgruppe ‚Junges Fernsehen‘ – und ließe sich auch nicht mit dem WDR-Gesetz vereinbaren, das in § 5 ausdrücklich festlegt, die religiösen Überzeugungen der Bevölkerung zu achten.“

Kebekus geht davon aus, dass sie keine weiteren Shows mit dem WDR produziere. Von der ausgestrahlten Sendung will sie sich explizit distanzieren. Auf die Nachfrage, ob sie es sich nicht mit ARD und WDR verscherze, antwortete sie:  „Och echt? Das tut mir jetzt leid.“

Raab soll Tagesthemen moderieren!


04 Jun
Fernsehjournalist Stefan Raab (Foto: Wikimedia)

Fernsehjournalist Stefan Raab (Foto: Wikimedia)

Nachdem der Tagesthemen-Moderator Tom Buhrow zum neuen WDR-Intendanten erkoren wurde, hat das journalistische Flagschiff der ARD ein Problem mehr: Es sucht einen neuen Moderator. Zwar hat der NDR, der die Tagesthemen in Hamburg veranstaltet, bereits Aushilfsmoderator  Ingo Zamperoni vorgeschlagen. Doch nach den überaus komplizierten und für Außenstehende kaum einsichtigen Proporzregeln innerhalb der ARD hat für den Posten der WDR Köln das Vorschlagsrecht, und der möchte einen Kölner Kandidaten und nicht einen von der Waterkant.

Was ist da naheliegender, als den versierten Fernsehmoderator Stefan Raab zum neuen Tagesthemen-Moderator zu machen. Folgendes spricht für Raab:

1. Stefan Raab ist Kölner: Er hat zum Beispiel auch eine eigene Karnevalssitzung erfunden;

2. Stefan Raab hat eine abgeschlossene Berufsausbildung (Metzger, Abschlussnote: sehr gut), was ihn von einem Großteil der öffentlich-rechtlichen Journalisten unterscheidet;

3. Stefan Raab ist recht medienerfahren (eigene Sendung bei einem Fernsehsender etwas weiter hinten auf der Fernbedienung);

4. Stefan Raab hat Erfahrungen mit dem öffentlich-rechtlichen System: Anfang der 1990er Jahre komponierte er Werbejingles unter anderem für das ARD Morgenmagazin; er entwickelte außerdem für den siechen ARD-Vorentscheid zum Eurovision Song Contest das Format Unser Star für Oslo;

5. Stefan Raab ist ein erfahrener Polit-Talkshow-Moderator: Mit der Sendung Absolute Mehrheit schaffte er es, auch unterhaltungsverdrossene Zuschauer wieder für den Privatsender Pro7 zu gewinnen;

6. Stefan Raab kann das, was auch die Tagesthemen auszeichnet: In 30 Minuten die Welt nicht verständlich machen;

7. Stefan Raab ist mit den Großen dieser Welt auf Du und Du (Jürgen Drews, Lena Meyer-Landshut, Moses Pelham);

8. Stefan Raab würde auch die jüngeren Zuschauer (also unter 60) wieder für die ARD begeistern (Altersdurchschnitt der ARD-Zuschauer: 61 Jahre).

Wenn auch DU möchtest, dass dieser fähige junge (46) deutsche Fernsehjournalist die wichtigste Nachrichtensendung des Landes moderiert, dann schreibe an rundfunkrat@wdr.de oder poste etwas hier im Blog. Ich werde alle Zuschriften an die entscheidenden Schalthebel weitergeben.

Knack und Back Tagesschau


24 Mai
Hat die Tagesschau sich überlebt?

Hat die Tagesschau sich überlebt?

In der Wochenzeitung Die Zeit unterhalten sich Ex-Tagesthemen-Moderator Wickert und der aktuelle Heute Journal-Chef Kleber über die „Tagesschau“. Die hat sich nach Ansicht von Kleber überlebt. Schon der Ausdruck „Tagesschau-Sprecher“ sei ein Archaismus:

 “Wir sind keine Sprecher. Wir kommen aus dem Journalismus. (…) In der Tagesschau wird lediglich (sic!) ein Text vorgetragen, den die Redaktion verfasst hat.”

Dass die „Tagesschau“ deswegen am Ende sei, kann Klaus Kleber nur recht sein, ist sie doch die direkte und womöglich einzige Konkurrenz seiner eigenen Nachrichtensendung. Andererseits würde Herr Kleber es sich vermutlich verbitten, wenn ARD-aktuell-Chef Kai Gniffke sich solcherart despektierlich über sein eigenes Produkt, das Heute Journal, äußern würde. Dennoch konnte Gniffke es sich nicht verkneifen, im Tagesschau-Blog das Thema aufzugreifen:

„… so lange ich Verantwortung in diesem Laden trage, bleibt die Tagesschau eine Sprecher-Sendung, weil ich sicher bin, dass die Menschen die knackige Viertelstunde um 20 Uhr schätzen, ohne Emotionalisierung und lange Interviews. Knack und Back sagen, was aus unserer Sicht heute für dieses Land von Bedeutung war. Das ist Tagesschau.“

Was, du gute Güte, meint Herr Gniffke bloß mit „Knack und Back“? Dass die „Tagesschau“ aufgewärmt werden muss? Dass sie eigentlich ein zäher Teigklumpen ist, der nur durch schnelles Erhitzen halbwegs genießbar wird? Dass die Frühstücksgebäck-Industrie die Sendung sponsort? Nicht jede Anbiederung an eine vermeintlich lockere Jugendsprache oder Szenejargon trägt wirklich zur Klärung von Sachverhalten bei. Zumal: Ich kenne weder eine Jugendszene, noch sonst eine Subkultur, in der Knack-und-Back-Brötchen als besonders trendig gelten. Knack-und-Back, das ist doch eher irgendwie von gestern. Also hat die Tagesschau sich doch überlebt?

Küppersbusch geht wieder auf Sendung


20 Mai

zak kueppersbAls Harald Schmidt nach seinem Abgang bei Sat1 gefragt wurde, ob er nun zurück zum WDR kehren werde, sagte er, dass sei ja wie zu Mutti nachhause kommen. Friedrich Küppersbusch hatte offenbar Sehnsucht nach Mama. Jedenfalls wird er ab 10. Juni dreimal wöchentlich eine viertelstündige Sendung namens „Tagesschaum“ im WDR Fernsehen moderieren. In der taz erklärt Küppersbusch:

Ein Meinungs- und Kommentarmagazin, mit dem wir die Leute bis zur  Bundestagswahl begleiten. Eine Viertelstunde Haltung, Erbauung und  Trost. Die „Tagesschau“ auf Koks, also.

Es soll sich dabei selbsterklärtermaßen um ein Satireformat handeln, was einen ein kleines bisschen skeptisch macht. Denn wenn extra „Satire“ drauf geschrieben werden muss, steht doch zu befürchten, dass es „lustig“ oder gar „bissig“ doch nur im fürs Öffentlich-Rechtliche erträgliche Maße wird. Vergrößert wird dieser Eindruck dadurch, dass Küppersbusch sich verstärkt mit solchen Mitstreitern, deren Namen (und deren Hauptarbeitgeber) wohl dafür bürgen sollen, dass hier nichts schief gehen kann: Stefan Niggemeier, der bislang beim „Spiegel“ arbeitete und als Fernsehautor bislang nicht auffällig geworden ist,  Stefan Reinecke von der taz sowie einige Namen, die man noch von der alten ZAK-Crew kennt. Das WDR-Format ZAK („der Wochendurchblick“) war die Sendung, mit der Friedrich Küppersbusch in den 90er Jahren bekannt geworden ist. Berüchtigt war vor allem Küppersbuschs Interview-Stil und seine spitzen Formulierungen. Sollte er auch nur ein kleines bisschen davon in die neue Sendung hinüberretten, so dürfte es sich qualitativ vom TV-Mainstream schon fundamental unterscheiden. Manchmal ist es eben doch schön, wenn jemand an den heimischen Herd zurückkehrt. Hoffentlich gibt es nicht nur Aufgewärmtes …

WDR: Endlich mal Funkstille


14 Mai

So kann aus einem Funkhaus ein Trappistenkloster werden: Wegen eines massiven Stromausfalls sind am heutigen Morgen alle WDR-Rundfunksender für sechs Minuten „offline“ gewesen und waren nicht zu empfangen. Ab 9:45 Uhr konnte für sechs Minuten kein Hörfunkprogramm des Westdeutschen Rundfunk mehr empfangen werden, auch der Internetauftritt lag brach. Eine verzweifelte Moderatorin des „Jugendsenders“ 1live konnte lediglich twittern:

WDR Twitter01

Auch dem Sender selbst blieb offiziös nichts anderes übrig, als den kommunikativen Weg über die neuen Medien zu gehen, die sonst ja eher Konkurrenz sind:

WDR Twitter02

Auch wenn die Online-News-Seiten diesen Vorgang direkt für einmalig, historisch und außergewöhnlich halten (z.B. hier und hier), kommen Störungen beim Sendebetrieb gar nicht so selten vor. Nach der mathematischen Kommunikationstheorie definiert sich Kommunikation sogar nach dem Maße an Störung, durch die die Übermittlung beeinträchtigt wird. Vor dem Digitalzeitalter war die „Bildstörungs“-Tafel für Fernsehzuschauer ein durchaus gewohnter Anblick. Lange Zeit hingen die Störungs-Tafeln, die bis in die 70er Jahre noch handgemalt waren, als Deko in den Fluren des WDR-Archivhauses in der Kölner Innenstadt.

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Einen ungewöhnlichen Fall der Sendestörung musste der WDR selbst eingestehen: Einige Haushalte in NRW hatten im Jahr 2011 gestörten Fernsehempfang, weil das digitale Radio DAB auf der gleichen Frequenz funkte wie das analoge Kabelfernsehen.

News is bad for you: Nachrichten machen krank


10 Mai
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Foto: A. Altmann/pixelio.de

Auf Spiegel Online zieht Autor Georg Diez in seiner regelmäßigen Kolumne über die Fernsehnachrichten her, insbesondere “Tagesschau” und ARD.

Drohnen, Merkel, Krise: Die deutschen TV-Nachrichten tun so, als würden sie uns Zuschauer informieren. Tatsächlich stampfen sie uns in die Passivität, sie machen uns dümmer und letztlich uninformierter. (…) Die Sklerose unserer Tage hat ein ideales Medium gefunden, und wir zahlen auch noch dafür. Abend für Abend sitzen wir da, in dieser zeittypischen Mischung aus Selbsthass und Apathie, und lassen uns die Welt glatt bügeln, auf ARD-Art. (…) All das sind Scheinnachrichten, weil so getan wird, als sei das nun der amtliche Ausschnitt der Welt – dabei ist es doch nur staatsnahes Parteien-TV, die üblichen Vertreter der Macht, der Reichstag im Abendlicht plus das eine oder andere Erdbeben: Das eben, was Journalisten für wichtig halten, die selbst nicht wissen, warum das so ist.

Spiegel-Autor Diez kennt aber auch das Gegenmittel. Es ist der „engagierte Journalismus” (wenn er ihn auch nicht beim Namen nennt). Vorbildhaft ist da für ihn die BBC.

BBC macht das immer mal wieder vor, wie intelligenter, diskursiver Fernsehjournalismus geht: mal emotional und nah, wenn etwa ein Reporter in das Zimmer führt, wo sich ein altes italienisches Ehepaar erhängt hat, weil es seine Schulden nicht mehr bezahlen konnte, und man sich als Zuschauer mehr mit der Euro-Krise beschäftigt als nach hundert Rolf-Dieter-Krause-Kommentaren aus Brüssel (…).

Diez’ Kritik ist zwar naheliegend, aber doch sehr verkürzt. Am speziellen Format von Nachrichten und insbesondere Fernsehnachrichten wurde in der Vergangenheit schon häufiger verheerende Kritik geübt. Diez selbst zitiert in seiner Spiegelkolumne den Schweizer Autor Rolf Dobelli. Der Schweizer hat an verschiedenen Publikationsorten bereits seine Thesen zum Thema “News is bad for you” zum besten gegeben.

Wozu brauchen wir dann überhaupt Nachrichten? Und was sind Nachrichten? Der kluge Schweizer Rolf Dobelli hat vor Kurzem das Konzept von Nachrichten ganz grundsätzlich kritisiert, in seinem Manifest „News is bad for you“ erklärt er unter anderem, warum diese Art von Nachrichten uns früher sterben lassen, warum diese Art von Nachrichten uns zu falschen Entscheidungen verleiten, warum diese Art von Nachrichten uns dümmer und letztlich uninformierter machen – all das hat mit der Frage zu tun, was eine Nachricht ist.

Naja, “vor kurzem” erschien nur die Zusammenfassung im englischen Guardian. Der Essay selbst ist schon seit 2011 auf Dobellis Website zu lesen. Dobellis Kritik ist denn auch drastischer. Er will nicht anderen Nachrichtenjournalismus, sondern keinen:

Leben Sie ohne News. Klinken Sie sich aus. Radikal. Erschweren Sie sich selbst den Zugang zu News, so gut es geht. Löschen Sie die News-Apps auf Ihrem iPhone. Verkaufen Sie Ihren Fernseher. Greifen Sie nicht nach Zeitungen und Zeitschriften, die in Flughäfen und Zügen herumliegen. Lenken Sie Ihren Blick von den Schlagzeilen ab.

Und der sehr geschätzte Walter van Rossum berichtete schon vor einigen Jahren, wie die Tagesschau “in 15 Minuten die Welt unbegreiflich macht”.

News is bad for you – and giving up reading it will make you happier | Media | The Guardian

ARD: Zaster für Zuschauer bei Maischberger


19 Mrz

Talk-Moderatorin Sandra Maischberger (Foto: ARD)

Bemerkenswertes über den Vertragsinhalt zwischen der Talkshow-Moderatorin Sandra Maischberger und der ARD hat das Nachrichtenmagazin Der Spiegel herausgefunden. Die Höhe des Moderationshonorars für Frau Maischberger soll demnach abhängig von der Einschaltquote der Sendung gewesen sein. Das Nachrichtenmagazin schreibt dazu:

Schon lange ist bekannt und wird kontrovers debattiert, dass sich öffentlich-rechtliche Sender zunehmend nach der Zuschauergunst richten. Die Quote ist für sie, ganz unabhängig vom staatlichen Grundversorgungsauftrag der Sender, zum Kriterium für die Entwicklung, Fortsetzung oder Einstellung von Formaten geworden. Dass selbst die Bezahlung der seriösen Moderatorin Maischberger von der Zahl der Zuschauer abhängig gemacht wird, ist eine Fortentwicklung dieser vermeintlich modernen Art, Fernsehen zu gestalten.

Im „Gesetz über den Westdeutschen Rundfunk Köln“ sei zwar viel über den Auftrag zur Information, Bildung und Unterhaltung der Zuschauer zu lesen, die Art und Weise der Maischberger-Honorierung lasse sich damit allerdings kaum erklären, so Der Spiegel weiter. Vielleicht erklärt sich mit der quotenabhängigen Bezahlung auch die teilweise abstruse Themensetzung der Maischberger’schen Talksendung, die sich in solchen Titeln widerspiegelt:

Hells Angels & Co.: Wie gefährlich sind die Rockerclubs
Zittern, Jubeln, Weinen: 50 Jahre Bundesliga
Das Comeback der Schwergewichte: Dick macht glücklich!
Horoskope, Handlesen, Tarotkarten: Unsinn, der hilft?

Die Tageszeitung Die Welt schreibt dazu:

Eine quotenabhängige Bezahlung passt zu Informationsprogrammen aber ungefähr so gut wie Dieter Bohlen auf den Stuhl des „Tagesthemen“-Moderators. Doch leider ist das Denken in Marktanteilen bei öffentlich-rechtlichen Managern extrem weit verbreitet. Der Quotenwahn macht längst nicht mehr vor Informationsprogrammen halt. Mitunter werden journalistische Standards grob missachtet.

Gewichtige Werbeikone Witt bei Maischberger (Foto: ARD)

Unter anderem wegen einer Auseinandersetzung um die Maischberger-Sendung ist kürzlich die WDR-Redakteursvertretung zurückgetreten, wie die Süddeutsche berichtet. Von Einschüchterungsversuchen durch die Geschäftsleitung sprächen die Rücktreter in einer Erklärung und hätten betont, dass diese Versuche genau in dem Moment begonnen hätten, als sie sich in einen Programmkonflikt um die Maischberger-Sendung eingemischt hätten. Hintergrund ist die Einladung der ehemaligen Eiskunstlaufprinzessin Kati Witt in eine Maischberger-Sendung rund ums Abnehmen. Ein WDR-Redakteur wollte den Auftritt verhindern, da er das Gebot der Trennung von Werbung und Programm verletzt sah. Kati Witt ist nämlich gleichzeitig Werbeträger des Diätvermarkters Weight Watchers. Die Produktionsfirma von Maischberger setzte sich gegen den verantwortlichen WDR-Redakteur durch und erhielt dafür Rückendeckung vom zuständigen Unterhaltungschef des Senders.

Postdemokratie: Raab, Jauch und der Politjournalismus


16 Feb

Raab meets Stoiber, Quelle: Wikimedia (M)

Es war der ehemalige bayerische Ministerpräsident Edmund Stoiber, der den TV-Entertainer Stefan Raab als (Mit-)Moderator des sog. Kanzlerduells, also des Fernsehinterviews mit den beiden KanzlerkandidatInnen von CDU und SPD, ins Spiel gebracht hat. Schon das hätte einen skeptisch machen müssen. Denn um Partizipation, größere Politikakzeptanz oder einen Rückgang der Politikverdrossenheit kann es ja Edmund Stoiber oder seiner Partei, der CSU, nicht gehen. Im Gegenteil sind es Stoiber und die CSU gewesen, die ganz wesentlich zu Politikverdrossenheit und einem Niedergang von Partizipationsmöglichkeiten beigetragen haben. Der Freistaat Bayern ist das einzige Bundesland, in dem Studierende an Hochschulen keine hochschulpolitische Vertretung haben, Allgemeine Studierendenausschüsse sind per Gesetz verboten. Demokraten gerieren sich hier gerne mal als Quasi-Regenten, die Christsozialen als Staatspartei. Edmund Stoiber selbst hat als Kanzlerkandidat der CDU/CSU vor acht Jahren eine Einladung in Raabs Sendung kategorisch abgelehnt. Nimmt man Stoiber diese Begründung für seinen Vorstoß nicht ab, fragt man sich, was dann dahinter stecken könnte.

Nun, was anderes als das, für das sein Name und der seiner Partei steht: eine Depolitisierung der Politik, oder um es mit dem britischen Politologen Colin Crouch zu sagen: Post-Demokratie. Die Entpolitisierung gerade des öffentlich-rechtlichen Fernsehens ist ja ein Vorgang, der die Zuschauer und Gebührenzahler schon seit Jahrzehnten begleitet und an dem gerade die großen Volksparteien ganz wesentlich beteiligt waren und sind. Jüngstes Beispiel ist die Ersetzung kritischen dokumentarischen Fernsehprogramms durch ein beliebiges Talksshowdurcheinander in der ARD, in dem ausgewiesene Fähigkeiten als Politikjournalist ganz offensichtlich das letzte Qualifikationsmerkmal sind, um Moderator oder Moderatorin dieser Sendungen zu werden: Dort treffen wir eine Sportjournalistin (Will), eine ehemalige Jugendjournalistin (Maischberger), einen Lokaljournalisten (Plasberg) und einen Boulevardjournalisten und Gameshowmoderator (Jauch). Der Politjournalist, der zuletzt wagte, Spitzenkandidaten kritische Fragen zu stellen, war der ehemalige ZDF-Chefredakteur Nikolaus Brender, und genau aus diesem Grund ist er der ehemalige.

Mit Raab glaubt nun ein Stoiber, einen gefunden zu haben, der noch willfähriger und unpolitischer fragen wird als die öffentlich-rechtlichen Angestellten, die ihm und seinen Politikerkollegen sonst zunicken. Er könnte die Rechnung allerdings ohne den Metzgerssohn gemacht haben:

„Ich habe mir gestern bei YouTube nochmal Teile des letzten Kanzlerduells angeschaut. Schon in den ersten zehn Minuten gab es den Versuch eines Pointenfeuerwerks seitens der Moderatoren“, wird Raab auf Spiegel Online zitiert. „Wenn, dann kehrt mit mir die Seriosität zurück!“

 

Anti-Medien-Blog

Die journalistische Notfallpraxis im Web von Hektor Haarkötter