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Die Anti-Powerpoint-Partei


06 Jul

Logo der APPP

Wenn es Krankheiten gibt, die kein Arzt heilen kann, dann gehört Microsofts PowerPoint mit Sicherheit dazu. Widerstand regt sich mittlerweile nicht nur publizistisch und sogar militärisch, nein, jetzt geht es dieser Pestbeule der Präsentationskunst auch politisch an den Kragen: Die Anti-Powerpoint-Partei hat sich konstituiert. Und wer hat’s erfunden? Ein Schweizer … :

Die APPP sieht sich als Anwalt der schätzungsweise monatlich 250 Mio Bürger weltweit (Schweiz ca 500’000), die bei langweiligen Präsentationen in Unternehmen, in Universität, in Ausbildung zwangsweise anwesend sein müssen und die bisher keine politische Vertretung in der Politik gefunden haben.

Auch Christian Wolf vom Basic thinking Blog sieht die Notwendigkeit politischer Intervention und begrüßt die Gründung der Partei:

Was es da alles zu sehen gab, braucht sich in der Retrospektive nicht hinter Geschmacksentgleisungen wie Schulterpolstern, den (leider!) in der Renaissance befindlichen VoKuHiLa-Frisuren und dem ersten Ford Ka zu verstecken. Bei mindestens einem Vortrag im Semester hieß fortan die Devise: Wenn PowerPoint es kann, dann muss es auch verwendet werden. Gnade gab es selten. Alle sollten schließlich sehen, dass man das letzte aus dem Microsoft-Tool herausgeholt hat. Ob Hintergründe und Texte in knalligen Farben, die unzähligen Wie-kann-ich-den-Inhalt-am-ungewöhnlichsten-auf-die-aktuelle-Folie-fliegen-lassen-Effekte (gern auch mit Ton) oder blinkende und zur Sicherheit noch fett, kursiv sowie mit doppeltem Unterstrich auch für den Brennglasträger in der letzten Reihe ausreichend hervorgehobene Überschriften – neben der gebotenen Vielfalt konnten die eigentlichen Inhalte fast schon vernachlässigt werden und wurden es dann mitunter auch.

 Die APPP kann auch den Schaden beziffern, der durch den Einsatz der Präsentationssoftware aus der Microsoft-Office-Suite entsteht:

Durch den Einsatz von PowerPoint* bei Präsentationen, bei der statistisch gesehen eine grosse Mehrheit im Anschluss die verbrachte Anwesenheitszeit als sinnlos erachtet, wird der Schweizer Volkswirtschaft ein geschätzter jährlicher Schaden von 2,1 Milliarden Franken zugeführt.

Die Schweizer Partei hat auch die Lösung für das drängendste Problem des digitalen Zeitalters: Die Reokkupation der Vorträgssäle durch den Flipchart:

PowerPoint* wird fast niemals einen echten Menschen schlagen, der am Flipchart etwas kreiert. Denn die Wirkung der Darstellung wird nicht durch das Ergebnis erzeugt, sondern durch den AKT DES ERSCHAFFENS des Ergebnisses. Darin liegt die Wirkung und nicht im Ergebnis selber. Deshalb funktioniert PowerPoint* vom Prinzip nicht. Es ist eben nicht wahr, dass man PowerPoint* nur “richtig” einsetzen müsste, (Mit Anweisungen wie “Weniger Text”, “nicht überladen”, “nur 5 Zeilen maximal” u.s.w.) sondern in der Gegenüberstellung mit dem Flipchart erweist es sich in 95 von 100 Fällen, dass der Flipchart um Längen mehr Wirkung erzeugt, wie die Präsentation mit PPt. Das ist keine Behauptung, sondern das kann man beweisen!

Der Partei ist eine grenzüberschreitende Kampagne sowie europaweiter Erfolg zu wünschen. Powerpoint-Gegner aller Länder, vereinigt Euch!

PowerPoint zieht in den Krieg


06 Sep

Über die Zweifelhaftigkeit jener Anwendung, deren Benutzung vor allem in Unternehmensberaterkreisen zum guten Ton gehört und die wahlweise auch als „Bullshit-Bingo“ bezeichnet wurde, ist ja schon häufig und unter anderem auch in diesem Blog hier raisonniert worden. Dass aber auch die höchsten und strategisch wichtigsten Militärs der letzten verbliebenen Supermacht auf Erden nichts besseres zu tun haben, als ihre Zeit mit Powerpoint-Präsentationen zu verbringen, lässt einen an der militärischen Durchschlagskraft dieser Großmacht zweifeln.

Im Januar 2009 fragte die der Army zugehörige Website Company Command Offiziere, die sich im Einsatz im Irak befanden, was sie die meiste Zeit über machen. Die Antwort von Leutnant Sam Nuxoll erregte einige Aufmerksamkeit und auch Spott. Der hatte nämlich gesagt, er mache vor allem PowerPoint-Präsentationen. Das sei kein Witz, erklärte er auf eine Nachfrage. Er müsse Storyboards mit Bildern, Diagrammen und kurzen Texten praktisch über alles machen, was passiert.

Isaf-Kommandeur General Stanley McChrystal bekam im letzten Jahr eine Powerpoint-Präsentation vorgelegt, in der es um Strategien zur Bekämpfung des Widerstands in Afghanistan ging. Der General soll daraufhin geäußert haben: „Wenn wir das verstehen, dann werden wir den Krieg gewonnen haben.“ Die Komplexität dieser Grafik lässt allerdings ahnen, dass in diesem Fall ein baldiger Abzug westlicher Truppen aus Afghanistan in weite Ferne rückt.

powerpoint_war big

Die Äußerung des US-Generals darf übrigens nicht nur ironisch verstanden werden. Denn auch McCrystal selbst liebte offenbar die Darstellung seiner Planspiele in mehr oder weniger konfusen Grafiken, wie ein USAF-Foto belegt:

Isaf_0001

Dass militärische und wirtschaftliche Ressourcen durch PowerPoint verplempert werden, kritisierte auch T.X. Hammes im Armed Forces Journal. Er stellte fest, dass einerseits erhebliche Mittel für Colleges und Offiziersschulen aufgewendet werden, um Armeeangehörigen das Denken beizubringen, um es ihnen anschließend mit PowerPoint wieder auszutreiben:

Every year, the services spend millions of dollars teaching our people how to think. We invest in everything from war colleges to noncommissioned officer schools. Our senior schools in particular expose our leaders to broad issues and historical insights in an attempt to expose the complex and interactive nature of many of the decisions they will make.

Unfortunately, as soon as they graduate, our people return to a world driven by a tool that is the antithesis of thinking: PowerPoint.

Die schärfste Kritik hat wohl Lawrence Sellin, ein Oberst der U.S.-Reserve-Armee, formuliert und dafür direkt seine Entlassung kassiert. Er habe, wie Telepolis berichtet, in seiner Zeit im Hauptquartier in Afghanistan, wo er seit zwei Monaten arbeite, wenig Produktives gemacht, darauf verstünde man sich hier aber sowieso gut. Er war Teil des Isaf-Stabes mit zahlreichen hohen Offizieren der beteiligten Streitkräfte. Dort habe man sich vor allem mit der Herstellung und Präsentation von PowerPoint-Präsentationen beschäftigt, um den geistig nicht besonders hellen Generälen löffelweise Information einzuflößen:

For headquarters staff, war consists largely of the endless tinkering with PowerPoint slides to conform with the idiosyncrasies of cognitively challenged generals in order to spoon-feed them information. Even one tiny flaw in a slide can halt a general’s thought processes as abruptly as a computer system’s blue screen of death.

Schon vor geraumer Zeit hat Angela R. Garber in Smallbusiness Computing ihre Kritik an PowerPoint mit der griffigen Formulierung „Death by PowerPoint“ zusammengefasst.

When Microsoft Windows crashes, it pops up what techies call „the blue screen of death.“ But there’s another deadly blue screen that businesspeople are even more familiar with. You know the one: The royal blue rectangle that contains bright yellow lines of bulleted text, a pie chart, or sometimes just brightly colored logos. You’ve already seen enough dull PowerPoint slides to last yourself a lifetime. So why, when it’s your turn behind the lectern, do you boot up the same old speech?

Im Zusammenhang mit den Kriegsspielen der U.S.-Militärs bekommt die Formulierung „Death by PowerPoint“ allerdings eine ganz neue intrikate Bedeutung.

TP: Der Krieg und PowerPoint

Anti-Medien-Blog

Die journalistische Notfallpraxis im Web von Hektor Haarkötter