Der Rechtstaat in Zeiten des ZDF-Morgenmagazins

18 Apr

Der französische Soziologe Pierre Bordieu unterstellte den Redakteuren unserer Fernsehanstalten eine zutiefst kleinbürgerliche Moral. Wie sich die äußert und in welch reaktionären Tiefen diese landen kann, dafür ist heute das ZDF-Morgenmagazin ein Beispiel. Da äußert der Interims-Moderator des “MoMa”: Es sei schon bizarr, es sei keine Tat aufzuklären, kein Täter zu überführen, und trotzdem würde jetzt in Norwegen dem Attentäter Breivik der Prozess gemacht und ihm ein Forum für seine Ansichten geboten.

Was ist daran denn eigentlich bizarr? Jeder “mutmaßliche” Täter hat das Recht auf einen fairen Prozess. Jeder Angeklagte hat das Recht, sich zu vertreten, seine Meinung zu äußern und seine Taten zu rechtfertigen – egal wie wirr seine Ansichten oder wie schlimm seine Taten sind. Im dazugehörigen Beitrag des ZDF darf diese Ansicht gerade mal eine norwegische Interviewpartnerin äußern. Die ZDF-Journalisten möchten in ihren proprietären Ansichten von Rechtstaatlichkeit nicht so weit gehen.

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Kölner Stadtanzeiger: Unwürdiges Spiel mit dem FC?

14 Apr

Datei:Logo 1 FC Köln.gifNach dem Rauswurf von Trainer Stale Solbakken beim 1. FC Köln resümiert der Kölner Stadtanzeiger:

Mit der Beurlaubung Solbakkens endete ein zuletzt unwürdiges Spiel: Solbakken wurde nach der Niederlagen- und Gegentorflut zunehmend in Frage gestellt. Horstmann übernahm die Rolle des Zauderers, dem die Fantasie für die Sanierung des Klubs fehlte. Er hatte schlicht keinen Nachfolger.

Das klingt ja erst einmal nach Mitgefühl. Aber wer hat denn Trainer Solbakken “zunehmend in Frage gestellt”? Darauf könnte der Kölner Stadtanzeiger durchaus auch eine Antwort geben. Er war es nämlich vorrangig selber. Nur wenige Tage zuvor war zu lesen:

Die Frage, ob das Experiment mit Stale Solbakken als Trainer des 1.FC Köln gescheitert ist, stellt sich nach dem entmutigenden 0:4 von Mainz nicht mehr. Die Frage lautet nurmehr, wann der Klub alle Seiten – Spieler, Offizielle, Fans und den Trainer selbst – von dem ebenso quälenden wie lähmenden Status quo erlöst.

Und im gleichen Beitrag heißt es:

Für die verbleibenden Spiele muss nun jemand die Mannschaft übernehmen, der – das macht es einfach – nur eine Voraussetzung mitbringt: Er darf nicht Stale Solbakken sein.

Zu den katastrophalen Zuständen beim 1. FC Köln trägt der Kölner Stadtanzeiger ein Gutteil bei: Er ist nämlich Teil der Katastrophe.

„Vom ersten Tag an Chaos“ – Kölner Stadt-Anzeiger

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Bildzeitung: Alles Wurscht!

13 Apr

Na, geht doch:

(mit Dank an den Bildblog)

 

 

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Schweizer Weltwoche: "Wie im Nationalsozialismus"

13 Apr

ww_romaDas Schweizer Blatt “Weltwoche” stellt in der aktuellen Ausgabe einen Zusammenhang her zwischen organisierten Raubzügen und der Zugehörigkeit zur Volksgruppe der Roma. Das Ganze garniert mit einem Foto, auf dem ein kleiner südlich aussehender Junge den Lauf einer Pistole ins Kameraobjektiv hält. Der Zentralrat der deutschen Roma und Sinti hat nun Anzeige gegen die “Weltwoche” erstattet. Die Straftatbestände Volksverhetzung und Beleidigung sieht der Zentralrat hier als gegeben an.

Es sei in diesem Zusammenhang an ein ziemlich genau 10 Jahre zurückliegendes Publikationsereignis in der bundesdeutschen Presse erinnert. Das Kölner Boulevardblatt “Express” hatte damals im Steckbrief-Stil Fotos von Roma-Kindern veröffentlicht und vor diesen angeblichen “Klau-Kids” gewarnt. Die Fotos hatte das Blatt illegalerweise dem internen “Bundeskriminalblatt” des Bundeskriminalamts entnommen. Der Express-Chefredakteur zeigte sich damals uneinsichtig ("wenn durch den Bericht auch nur ein Dutzend Menschen weniger überfallen, ausgeraubt und verletzt worden sind, dann hat sich der Aufwand schon gelohnt”).

Kehrtwende ergab sich damals erst, als Express-Herausgeber Alfred Neven-Dumont einschritt. Pikanterweise engagierte sich seine Ehefrau Hedwig nämlich in gemeinnütziger Weise insbesondere auch für Roma-Kinder. Er wolle "auch im Namen seiner Frau und seines Hauses bei dem Volk der Roma, das wundervolle Menschen hervorgebracht hat, und allen, die sich von der Art der Veröffentlichung getroffen gefühlt haben, sein Bedauern zum Ausdruck bringen", schrieb Neven DuMont damals.

Wie im Kölner Fall ist auch bei der Weltwoche der Abdruck von Fotos von Kindern und Jugendlichen presserechtlich höchst problematisch. Minderjährige stehen nämlich unter dem besonderen Schutz des Gesetzes. Selbst bei berechtigten Vorwürfen oder öffentlichem Interesse dürfen Bilder von Jugendlichen und Kindern in aller Regel nicht veröffentlicht werden, da dies ihrer Resozialisierung im Wege stünde.

Der Zentralrat der Sinti und Roma hebt allerdings mehr auf den politischen Hintergrund der Publikation ab. Wie zu Zeiten des Nationalsozialismus werde der Eindruck von einer "abstammungsbedingten Kriminalität" erweckt. Sinti und Roma wurden von den Nazis als "Zigeuner" diskriminiert, verfolgt und ermordet.

Zentralrat der Roma und Sinti zeigt "Weltwoche" an – "Wie im Nationalsozialismus" – Medien – sueddeutsche.de

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Schweinsteiger grätscht gegen Sky-Reporter

11 Apr

Quelle: WikimediaSportler-Interviews gehen ja gerne mal schief. Zum Beispiel am vergangenen Samstag. Da erlaubte sich der Spielfeldreporter des Bezahlsenders Sky, Tim Niederholte, Bayern-Spieler Sebastian „Basti“ Schweinsteiger zum Gespräch zu bitten. Und der Fernsehreporter war mit der Leistung der Bayern im Spiel gegen den FC Augsburg nicht recht zufrieden.Die Münchner Abendzeitung gibt dieses denkwürdige Interview so wieder:

Da kam ihm Bastian Schweinsteiger, am Samstag erstmals nach langer Zeit wieder in der Startformation des Rekordmeisters, gerade recht.  Eine Kampfansage an die Dortmunder im Meisterschafts-Duell sehe ja wohl anders aus, monierte Niedernolte. Schweinsteiger reagierte zunächst leicht genervt („Wie bitte?“ – „Was meinen Sie?“) und verwies darauf, dass auch Augsburg eine starke Mannschaft sei – Niedernolte aber insistierte hartnäckig, erneute seine Enttäuschung über die fehlende Kampfansage und erläuterte dem kopfschüttelnden Schweinsteiger („Meinen Sie das ernst?“) sein Interview-Selbstverständnis: „Ich versuch ja manchmal so ein bisschen was rauszukitzeln.“

Auf der Sender-eigenen Homepage wird der Journalist Niederholte mit den Worten beschrieben: „Offen, schlagfertig, unverbraucht! Und dabei so herrlich natürlich! Tim Niedernolte moderiert einfach anders.“ Also ließ er es sich nicht nehmen, seine Meinung zum Bayern-Spiel dem Spielmacher nochmals kundzutun. Schweinsteiger war das zuviel:

Er drehte sich ab, suchte Kontakt zu Bayerns Pressechef Markus Hörwick und sprach in die Kamera: „Markus, will der mich verarschen?!““ Dann ließ er den Reporter stehen und verschwand in der Kabine. Niedernolte blieb nur die Feststellung: „Da geht er weg.“

Interessant ist noch, nachzutragen, was der Sky-Reporter sonst so macht. Im Kinderkanal moderiert Niederholte nämlich noch die Kindernachrichtensendung „Logo“. Und das ist noch nicht alles: Für Bibel-TV moderiert er „Jesus House“. Wen wundert es da noch, dass er gerne Fußballprofis ins Gebet nimmt?

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Grass-Gedicht: Kein Literatur-, sondern ein Presse-Skandal

09 Apr

Quelle: WikimediaWas hat die Feuilleton-Redaktion der Süddeutschen Zeitung sich eigentlich dabei gedacht, als sie am vergangenen Mittwoch Günter Grass’ Gedicht “Was gesagt werden muss” veröffentlicht hat? Wir werden es nicht erfahren, weil sie es uns nicht mitteilt. Die italienische Tageszeitung La Repubblica, die den Text zeitgleich ebenfalls veröffentlichte, hat ihn mit einer zwei-seitigen kritischen Auseinandersetzung begleitet. In der SZ: Fehlanzeige. Dort erschien das skandalumwitterte Gedicht kommentarlos. Erst am folgenden Tag, nachdem jene “heilige Scheiße” über den deutschen Literaturnobelpreisträger hereingebrochen ist, die im aktuellen Social-Media-Jargon als “shitstorm” bezeichnet wird, sah sich Feuilleton-Chef Thomas Steinfeld veranlasst, sich zu dem Text zu äußern:

In der Sache wird man Günter Grass an vielen Punkten widersprechen. Bis zu einem israelischen „Erstschlag“, also zu einem initialen Angriff der Israelis mit Atomwaffen, reichen bislang selbst die schwärzesten politischen Phantasien nicht, ebenso wenig scheint ein „Auslöschen“ des iranischen Volks (Günter Grass wird dieses Wort gewählt haben, weil darin der Holocaust anklingt) anzustehen.

Wenn der SZ-Mann widersprechen will, warum veröffentlicht er dann? Wenn er für halt- und nutzlos hält, was Grass hier als lyrische Empfindsamkeit tarnt, warum lässt er es dann unkommentiert auf breitem Raum in seiner Zeitung erscheinen? Darauf hätte man gerne Antworten. Solange die ausbleiben, darf man spekulieren: Dass hier eine Redaktion einen “scoop” witterte, dass man die eigenen Auflage- und Verkaufszahlen gerne mit allem fördert, und sei es auch Antisemitismus und Holocaust. Eine Grass’sche Behauptung widerlegt die SZ durch die schlichte Veröffentlichung des Pamphlets: Dass es in Deutschland irgendwelche Sprech- oder Publikationsverbote gäbe. Und schon allein diese Position von Grass (wenn auch sonst keine), sollte einen doch wundern machen: die Inanspruchnahme eines vorgeblichen Denk- und Sprechverbots (O-Ton Grass: “Das allgemeine Verschweigen dieses Tatbestandes”), insbesondere was Kritik am Staat Israel angeht. Denn ein solches “Verbot” wird doch quer durch die bundesrepublikanische Debatten-Geschichte widerlegt. Im Gegenteil ist Israel-Kritik einer der Allgemeinplätze in der deutschen Öffentlichkeit, und in ihr verbinden sich auf fatale Weise die Positionen der rechts- wie der linksextremen, von der NPD bis zur RAF. Grass’ Behauptung ist also eine rein rhetorische, und diese Rhetorik teilt er traurigerweise mit den Sarrazins und Schönhubers dieses Landes, die regelmäßig vermeintliche Mehrheitsmeinungen mit angeblichen Sprechverboten garnieren (“man wird doch wohl noch sagen dürfen …”).

Ich möchte mich hier ausdrücklich den Worten des geschätzten Schriftstellers Joachim Helfer anschließen, der zur Causa Grass und im besonderen zur veröffentlichten Meinung des Journalisten Jakob Augstein schrieb:

Der Frieden zwischen Israel und dem Iran wird nicht durch Israels Nuklearwaffen bedroht, und zwar einfach deshalb nicht, weil es nie die Waffen sind, die den Frieden bedrohen, sondern die Menschen und ihre Handlungen und Absichten. Nicht dass es Atomwaffen gibt bedroht den Weltfrieden; vielmehr spricht vieles dafür, dass ihre Existenz es ist, die uns in Europa seit 1945 einigermaßen in Frieden hat leben lassen. Den Frieden bedroht, wer Andere bedroht, und wer die legitimen Rechte Anderer in Abrede stellt. Israel stellt keines der Rechte des Iran in Abrede; Iran bestreitet im Gegenzug das Existenzrecht Israels. Das, und nur das, bedroht den Frieden in der Region. Kein Staat der Welt kann es hinnehmen, dass einerseits seine schiere Existenz vernichtet werden soll, und dass andererseits diejenigen, die das verlangen, sich die dafür tauglichen Mittel, nämlich die Atombombe, besorgen. (…) Es geht Ihnen, pünktlich zu Pessach, um die Verhetzung der Juden als Wurzel des Übels in der Welt. Sie ekeln mich an.

SZ-Feuilletonchef Steinfeld kritisiert in seinem Text (der interessanterweise auf der Grass-Themenseite bei SZ-Online nicht zu finden ist) die Grass’sche Durchsichtigkeit und den Rückzug auf ein lyrisches Ich:

Gewiss, der Ton der sich in Gewissensqualen marternden Unschuld, den Günter Grass in seinem Gedicht „Was gesagt werden muss“ anschlägt, der ganze, so sorgfältig inszenierte Schmerzensschrei eines geschundenen Liebhabers des Weltfriedens hat etwas Gekünsteltes.

Er ist ebenso illusorisch wie der Gedanke, man könne in Gestalt von Gedichten – mit oder ohne Mandat – über die Weltpolitik verfügen. Und allzu durchsichtig ist die Funktion, die hier der lyrischen Form übertragen wird: Sie dient dazu, den Schriftsteller der Kritik zu entziehen. Indem er sich – scheinbar – nach innen wendet und sein Innerstes nach außen kehrt, in dem er, vor und anstatt einer politischen Auseinandersetzung, als lyrische Empfindsamkeit auftritt, will er einen Standpunkt über allen anderen einnehmen und sich unangreifbar machen. An der Empfindsamkeit sollen alle Einwände zugrunde gehen.

Man könnte auch sagen: Mehr fällt Steinfeld dazu nicht ein?! Nein, mehr darf ihm nicht einfallen, denn würde er zu dem Grass-Gedicht deutlichere Worte schreiben, würde er die Veröffentlichungspraxis seiner eigenen Redaktion als das diffamieren, was sie ist: Bigotterie. Es handelt sich beim Grass-Gedicht “Was gesagt werden muss” nicht um einen Literatur-, sondern um einen Presseskandal.

Dichten und meinen – Kultur – sueddeutsche.de

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Ulrich Meyer: 20 Jahre Wühljournalismus

03 Apr

ulrich meyerDas war kein Aprilscherz und irgendwie doch: Am 1.April 1992 ging Ulrich Meyer auf Sat1 mit der Sendung “Einspruch” erstmals über den Äther. Seit 20 Jahren hält sich Meyer nun auf dem Schirm und ist eines der wenigen journalistischen Aushängeschilder des Privatfernsehens. Doch nicht mit “Einspruch”, einem krawalligen Talkformat, sondern erst drei Jahre später bekam Meyer das Abo auf Dauersendung. Da war von Datenjournalismus noch gar nicht die Rede, und doch gründete der TV-Journalist  1995 ein Fernsehmagazin,, das im Titel das unerotischste Arbeitsutensil der modernen Bürowelt trägt: die “Akte”.

Vorgeblich handelt es sich bei “Akte” um Verbraucherjournalismus. Doch wes Geistes Kind das Format in Wirklichkeit ist, wird deutlich, wenn man den Untertitel der Sendung kennt: “Reporter kämpfen für Sie!” Das klingt nicht zufällig nach “Bild kämpft für Sie!” Wer sich als Zuschauer auf den Kampf einlässt und sich hilfesuchend an die Akte-Redaktion wendet (Meyer: “Die Zuschaueranfragen sind so massiv wie noch nie zuvor”), der steht auf jeden Fall nicht auf der Gewinnerseite, der ist von vornherein ein Verlierer im großen Medienspiel. Hier ist nicht anwaltlicher, sondern staatsanwaltlicher Journalismus am Werke, wenn es sich überhaupt um Journalismus handelt und nicht nur um seine Simulation. Hier wird nicht recherchiert, sondern gewühlt. Denn im Vordergrund stehen auch bei “Akte” nicht Aufklärung und bürgerschaftliche Beteiligung, sondern Unterhaltung der etwas untergürteligen Art und jene Art TV-journalistischer Selbstinszenierung, deren peinliche “suspense”-Attitüde Alfred Hitchcock noch posthum den Magen herumdreht. “Vieles davon ist reiner Trash”, schreibt darum auch die Süddeutsche Zeitung. Ganz speziell wird es, wenn die Redaktion ein “Spezial” ankündigt wie im aktuellen Beispiel:

Hat die 500-Kilofrau ihren Neffen getötet? Die ganze Geschichte exklusiv als AKTE-Spezial.

Kaum verwunderlich, dass größter Anteilseigner der Produktionsfirma Meta Productions heute die Fa. Endemol ist, hinter der wiederum Silvio Berlusconis Mediaset steht und die größter Hersteller von biederer Fernsehunterhaltung und allerlei TV-Trash ist.

Medien: Ulrich Meyer: 20 Jahre Sat.1 – kein Ende in Sicht – Diverses – FOCUS Online – Nachrichten

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Presserabatte: Springer-Verlag als moralische Instanz?

30 Mrz

"Bild" als Sittenwächter

Die Redaktionen des Axel Springer-Verlags haben verkündet, dass ihre Redakteure künftig keine Presserabatte mehr annehmen wollen. In einer Hausmitteilung heißt es:

Nach breiter Diskussion und in Übereinstimmung mit ihren Redaktionen haben die Chefredakteure der Axel Springer AG vereinbart – wie bereits in einigen Redaktionen des Hauses seit mehreren Jahren praktiziert – dass ab sofort keine dem Berufsstand Journalist zu verdankenden Vergünstigungen mehr angenommen werden.

Schon der Mainzer Medienwissenschaftler Hans Mathias Kepplinger hatte die Bild-Zeitung als eine der wichtigsten moralischen Instanzen für die Bevölkerung bezeichnet. Aber die moralische Penibilität der Bildredaktion bezieht sich vor allem auf die Bevorzugung Penis-naher Themen (vgl. „Bild wieder mal auf Penis-Niveau„). Nun mit dem öffentlich inszenierten Verzicht auf die umstrittenen Presserabatte sich als Vorreiter in Sachen Berufsethos und journalistischem Anstand zu gerieren, entbehrt nicht einer gewissen Ironie. Eine Ironie, die den Springer-Redaktionen selbst offenbar nicht entgangen ist, denn man nimmt die eigene Ankündigung selbst nicht ganz so ernst:

Besuche von Kultur- oder Sport- Veranstaltungen und Kino- oder Theaterpremieren im redaktionellen Kontext sind hiervon ausgenommen,  sofern diese das übliche, bzw. notwendige Maß der beruflichen Tätigkeit nicht übersteigen. Nicht von der  Regelung betroffen sind außerdem Unternehmensrabatte, da es sich hierbei in erster Linie um Mengenrabatte handelt.

Der Axel Springer Verlag bringt fraglos auch solche Publikationen hervor, die man als journalistisch bezeichnen kann und die von KollegInnen mit weniger zweifelhaftem Ruf hergestellt werden. Doch das ändert nichts an der Tatsache, dass die Arbeitsmethoden und das Verhalten der Bild-Redaktion auf die anderen Redaktionen des Hauses abfärben und das Ansehen der gesamten Verlagsgruppe besudeln. Und die „Bild“-Zeitung als nicht-käuflich zu bezeichnen, ist ein Aberwitz: Erst lacht man, doch dann denkt man sich: „Aber …“. Weiter heißt es in der Hausmitteilung:

Wer zu Recht hohe ethische Maßstäbe an andere stellt, sollte auch sein eigenes Verhalten überprüfen und eine klare Haltung hinsichtlich der Annahme persönlicher Vorteile haben.

Welche ethischen Maßstäbe herrschen denn zwischen Schlagzeilen wie „Kniete sie vor ihm nieder und befriedigte ihn?“ und Anzeigentexten wie „Bin ich eine Schlampe weil ich immer heiß bin?“ Die Bildzeitung ist die Papier gewordene journalistische Prostitution, und daran ändert der Verzicht auf harmlose Presserabatte überhaupt nichts.

 

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Strauss-Kahn: Angeklagt werden oder nicht?

27 Mrz

Strauss-Kahn,_Dominique_(official_portrait_2008)So ist es heute auf der Online-Seite des Kölner Stadtanzeigers zu lesen:

Strauss-Kahn wird angeklagt

Der ehemalige IWF-Chef Dominique Strauss-Kahn wurde wegen seiner Beteiligung an illegalen Sex-Partys in Lille erneut vernommen und muss mit einer Anklage rechnen. Neben DSK stehen auch ranghohe Polizisten Geschäftsleute im Visier der Justiz.

Aber wie ist es nun: Wird er angeklagt,wie es in der Überschrift heißt? Oder muss er “mit einer Anklage rechnen”, was etwas ganz anderes ist? Hier nimmt die Überschrift den Vorgang vorweg, der im Artikel dann wieder relativiert wird. Der Presse wirft man ja gerne Vorverurteilungen vor. Hier haben wir den Fall einer Vor-Anklage, aber das ist auch nicht viel besser.

Strauss-Kahn wird angeklagt – Kölner Stadt-Anzeiger

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Über Facebook singen: Nein!

21 Mrz

Ralph Siegel hat’s wieder getan: Der Veteran des “European Song Contest”, vulgo: Schlager Grand Prix will erneut mit einem von ihm komponierten Song an den Start des Wettbewerbs gehen. Aber nicht für Deutschland, sondern für den italienischen Zwergstaat San Marino ist der Schlagerkomponist in diesem Jahr tätig geworden. Für die Interpretin Valentina Monetta schrieb er den Song “Facebook Uh Oh Oh”. Doch nun droht Ungemach: Das zuständige Schlager-Gremium verbot das Social Media-Liedchen, weil es gegen die Wettbewerbsregeln verstoße und Werbung für das Soziale Netzwerk beinhalte.

Ralph Siegel kontert öffentlich, das Lied enthalte “keinerlei kommerzielle Botschaften” und sei “reine Satire”. „Irgendwelchen Dummköpfen in Deutschland passt nicht mehr, was ich mache,“ wettert der Komponist. Dennoch will der Schlagerveteran den Text entsprechend umdichten, um doch noch wettbewerbsfähig zu bleiben. Schon in der Vergangenheit hat Siegel sich immer wieder drängender gesellschaftlicher Probleme in seinen Songtexten angenommen: So der kritischen Aspekte der Völkerwanderung (“Dschinghis Khan”), der Klimakatastrophe (“Lass die Sonne in dein Herz”) und des Weltfriedens (“Ein bisschen Frieden”).

Meedia: Zu viel Werbung: Siegel muss Song für Baku umtexten

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Anti-Medien-Blog

Die journalistische Notfallpraxis im Web von Hektor Haarkötter