Archive for Januar, 2011

Sterbende Medien: Nachruf auf MTV


07 Jan

MTV ist von uns gegangen. Der Musikspartensender, der immer irgendwie mehr sein wollte, als nur das, verdrückt sich aus dem frei empfangbaren Fernsehprogramm, und niemand verdrückt ob dieses Ereignisses eine Träne. Es ist ein stiller Abgang, was für einen lärmigen Musiksender doch auch bemerkenswert ist. Umso verwirrender ist die Eloge, die auf Zeit Online über das Ableben des Zappelkanals zu lesen ist:

Die Marke MTV ist eng verbunden mit dem Aufstieg der „kreativen Klasse„, in der Ökonom Richard Florida heute die treibende Kraft der Gesellschaft sieht: Musiker, Künstler, Designer, Programmierer. Der Popsender war ihr Leitmedium, inspirierend, stimulierend und irgendwie auch politisch richtig. Wer in den Achtzigern und Neunzigern den Nachmittag mit MTV verbrachte, trat hinterher auf die Straße und fühlte sich großartig, angefüllt mit den Nachzuckungen jenes Kribbelns, das die Halbstarken in den Fünfzigern spürten, der Kitzel der Veränderung. MTV zapfte den Geist von Trendsportarten und Street Art an und bediente sich junger Talente, die mit günstig hergestellten Animationsclips die Identität des Senders prägten.

Nein, so war es denn entschieden doch nicht. Rebellion war doch wohl nie die Synapse, auf der sich eine zum Megaplayer aufgeblähte Musikindustrie und eine völlig entpolitisierte Jugend trafen. Der reine kommerzielle Mainstream war es, und wer irgendwie einen eigenen Musikgeschmack entwickelt hat, der ließ MTV immer schon links liegen. Was MTV in der Gesellschaft bewirkt und womöglich auch eine Zeit lang durchgesetzt hat, das waren höchst fragwürdige New-Wave-Frisuren, bescheuert anmutende Leggings (in der Öffentlichkeit!) und der nicht ganz unbeachtliche Umstand, dass hinter all dem Exhibitionismus, der Inszenierung und dem Rumgehopse zu akrobatisch anmutenden „Tanz“-Schritten das Eigentliche, nämlich die Musik, völlig in den Hintergrund geriet. Der gesamte Rest war Marketing und Selbstapotheose, bis hin zur angeblich genuinen Videoästhetik, mit der man die Fernsehlandschaft befruchtet habe. Nein, nein, und nochmals nein: Living Camera, 360-Grad-Schwenks und wilde Schnitte, die auf filmischen Anschluss verzichteten, gab es schon lange vor MTV, bei Michael Ballhaus und bei vielen anderen. Was MTV daraus gemacht hat, war lediglich Kinderprogramm unter Kostendruck, bei dem die Ästhetik dadurch bestimmt war, dass man kein Geld für einen richtigen Kameramann hatte. Das setzte sich später bei VIVA fort und endete schließlich im Horror der Anrufsendungen und Klingeltönemassaker. Die Zeit schreibt:

Doch in den letzten Jahren waren auf Druck der Aktionäre nach und nach die Nischensendungen aus dem Programm verschwunden, der Sender degenerierte zu einer endlosen Aneinanderreihung von lärmenden Ankündigungen, Klingeltönen und Billigserien.

Die schlechtesten Musikvideos aller Zeiten

Die Website Inthe00s.com hat in der Zwischenzeit die Internetcommunity abstimmen lassen und die 25 schlechtesten Musikvideos ermittelt, die je auf MTV gezeigt wurden. Hier sind sie:

25. Spin Doctors „Two Princes“ (1993)
24. Hammer „Too Legit To Quit“ (1991)
23. Wilson Phillips „Hold On“ (1990)
22. Chumbawamba „Tubthumping“ (1998)
21. Billy Squier „Rock Me Tonight“ (1984)
20. 4 Non Blondes „What’s Up“ (1993)
19. Motley Crue „Without You“ (1989)
18. Snow „Informer“ (1993)
17. Paula Abdul „Rush Rush“ (1991)
16. Warrant „Heaven“ (1989) Good song, bad video
15. Crash Test Dummies „Mmm Mmm Mmm Mmm“ (1994) good song, OK video
14. Aqua „Barbie Girl“ (1997)
13. Journey „Separate Ways“ (1983)
12. Winger „Seventeen“ (1988) OK song, cheesy video
11. Wham! „Wake Me Up Before You Go Go“ (1984) OK song, bad video
10. Debbie Gibson „Electric Youth“ (1989)
9. Vanilla Ice „Ice, Ice, Baby“ (1990)
8. Milli Vanilli „Girl You Know It’s True“ (1989)
7. Gerardo „Rico Suave“ (1991)
6. Daryl Hall & John Oates „Maneater“ (1982) good song, OK video
5. Los Del Rio „Macarena“ (1996)
4. Nelson „After The Rain“ (1990)
3. Eddie Murphy featuring Michael Jackson „Whatzupwitu“ (1993)
2. Chunky A „Owww!“ (1993)
1. Don Johnson „Heartbeat“ (1986)

Nein, ich werde MTV nicht vermissen.

Bezahlsender MTV: Fast Forward im Zeitgeistarchiv | Kultur | ZEIT ONLINE

Sex-Software: Internet schafft sich ab


04 Jan

thrixxx_3dsexvillaWährend Thilo Sarrazin noch murrt, dass Deutschland sich abschaffe, weil die volksdeutsche Geburtenrate nicht mit den Vermehrungsraten minderwertigen, sprich: ausländischen Genmaterials mithalte, ist, von der Öffentlichkeit unbemerkt, die gerade erst so jugendfroh gestartete Internet-Community dabei, sich selbst wieder abzuschaffen. Den Schluss jedenfalls muss nötigenfalls ziehen, wer die prognostizierbare Geburtenrate der Internetjunkies, Nerds und Web 2.0-Süchtigen mit der Tatsache über den Kamm schert, dass Sex im Internet sich nicht mehr mit Spermatausch und Befruchtung abgibt, sondern sich in die Eindimensionalität einer 3-D-Applikation verflüchtigt:

Die beiden Games 3D Luder und der Nachfolger 3D Sexvilla dürften so ziemlich die besten interaktiven Sexspiele überhaupt sein – die realistischen Grafiken werden Dich verblüffen ! Die geilen Luder sind zu allem bereit und stehen Dir jederzeit zur Verfügung – erlebe virtuellen Sex wie nie zuvor!

Wozu noch fummeln, wenn man applizieren kann. Wozu noch Betten in Kornfeldern, wo es doch Pixel und Polygone gibt, mit denen man es sich gemütlich machen kann. Gesünder ist es auch: Die Luder wollen keine Zigarette danach!

Du kannst mit der 3D Sexvilla Software heiße Girls in 3D verführen. Und zwar in allen erdenklichen Positionen und Sexualpraktiken ! Mit der Software hast Du die Möglichkeit, es den virtuellen 3D Girls so richtig zu besorgen: Die Frauen reagieren in Echtzeit auf jede Stimulation, die Du machst – unglaublich realitätsnah !

Der Freier, der jetzt User heißt, muss nicht mal mehr Computermäuse oder andere Hilfsmittel zur Hand nehmen, um sich digital zu befriedigen. Es reicht eine Technologie namens „Kinect“, die Softwaregigant Microsoft entwickelt hat:

Spieler können damit anstatt mittels herkömmlicher Gamepads allein durch Körperbewegungen die Software bedienen.

Die Spielekritiker des Fachblatts Chip sehen die Softwareentwicklung offenbar ziemlich unkritisch. Jedenfalls versprechen sie auf ihrer Website zum Thema „aufregende Screenshots aus der 3D Sexvilla“. Aufregend ist allerdings maximal die schlechte Qualität der graphischen Abbildungen. Aber schon Thilo Sarrazin verwies ja auf den Zusammenhang von zügellosem Geschlechtsleben und mangelndem Intelligenzquotienten. Wer seine intellektuellen Bedürfnisse so heruntergeschraubt hat, der wird auch seine Ansprüche an künstlerische Gestaltung nicht zu hoch hängen.

Sex-Spiele für Kinect: 3D-Sexvilla-Macher sind dran – News – CHIP Online

Anschläge in Ägypten: Papst ist gegen Feigheit


03 Jan

In Alexandria in Ägypten ist ein Anschlag auf eine koptische Kirche verübt worden. Im medialen Nachhall dieses Ereignisses zitiert der Kölner Stadtanzeiger auch das Oberhaupt der katholischen Kirche:

Das Attentat hat auch weltweit Bestürzung und Empörung ausgelöst. Papst Benedikt XVI. verurteilte den Anschlag als „feige Geste des Todes“.

Wie sehr man sich auch eine Nachfrage wünscht: Journalisten, die des Kölner Stadtanzeigers zumal, tun einem nicht den Gefallen. Denn was ist eigentlich mit einer „feigen Geste“ gemeint? Wäre der Anschlag eher gerechtfertigt gewesen, wenn er mutig ausgeführt worden wäre? Darf man, nach Ansicht des christlichen Führers aus Rom, Menschen in den Tod schicken, solange es nicht feige, sondern extravagant, offensichtlich, öffentlich und beherzt geschieht? Was hier spricht, ist nicht die christliche Stimme der Moral, sondern der Lanzer der 2. Weltkriegs, der alles rechtfertigt, solange nur die eigene Landserehre nicht verletzt wird. Moralisch denkenden Menschen wird da eher schwindlig.

Kopten fürchten Anschläge – Kölner Stadt-Anzeiger

iPhone 4 verschläft das neue Jahr


01 Jan

Wem das “Prosit Neujahr”-Getue und das Absingen sentimentaler Weltschmerzlieder an Sylvester eh ein Grauen ist, der konnte dem zum Jahreswechsel 2011 als Besitzer eines IPhone der Firma Apple auf bequeme Art entgehen: Das Gewese um das Apple-Handy konnte einem ohnehin gehörig auf den Wecker gehen, da ist es doch eine gute Nachricht, dass der Wecker dieses Geräts aus Softwaregründen ausgerechnet zum Jahreswechsel den Dienst versagte:

Der Wecker des Apple-Handys iPhone hat das neue Jahr verschlafen: Im Support-Forum des Herstellers häufen sich die Beschwerden von iPhone-Nutzern, bei denen heute Morgen die Weckfunktion des Handys versagte. Auch über den Kurzmitteilungsdienst Twitter berichteten etliche Nutzer von der ausgefallenen Weckfunktion des Handys.

Die Abhilfe, die gewiefte Nerds bereit hielten, scheint dabei wenig tröstlich:

Stumm blieben die Geräte nur dann, wenn die Nutzer im Menü des iPhone einen einmaligen Weckton eingestellt hatten. Wer dagegen die gewünschte Weckzeit mit dem Zusatz "an einem anderen Wochentag wiederholen" versehen hatte, wurde von seinem Handy pünktlich aus dem Schlaf geholt.

Wie man, bitte, Sylvester an einem anderen Wochtentag wiederholen könne, kann einem wohl nur die entsprechende IPhone-App schlüssig erklären.

iPhone 4 verschläft durch Wecker-Fehler das neue Jahr – teltarif.de News

Anti-Medien-Blog

Die journalistische Notfallpraxis im Web von Hektor Haarkötter