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"Geo" fälscht Artikel


09 Nov

Was der freie Autor Christian Jungblut mit der Redaktion der Zeitschrift „Geo“ erlebt hat, ist an und für sich schon ein Skandal. Die Redaktion hatte einen Artikel Jungbluts über den Deichbau in Holland so stark geändert, dass der Autor sich selbst und seine „Schreibe“ darin nicht mehr wiedererkannt und darum die Veröffentlichung untersagt hat. Doch „Geo“ und Chefredakteur Peter-Matthias Gaede interessierte das offenbar wenig, und man veröffentlichte den Beitrag unter dem Namen des Autors trotzdem. Der Autor klagte daraufhin vor dem Landgericht Hamburg und — bekam Recht.

Schon die Begründung für die Textänderungen ist haarsträubend, und Blogger Stefan Niggemeier fasst sie sarkastisch so zusammen:

Christian Jungblut hätte dankbar sein sollen, dass sein Text von der „Geo”-Redaktion überarbeitet und in so vielen Details geändert wurde, dass von seinem Schreibstil nichts übrig geblieben war. Der Anwalt von Gruner + Jahr teilte dem freien Journalisten mit, dass sein Manuskript von niemand geringerem als „einer Preisträgerin des 1. Preises beim Henri-Nannen-Preis 2008 — bekanntlich dem Nachfolger des Kisch-Preises — redigiert wurde”. Auch Peter-Matthias Gaede, der Chefredakteur von „Geo”, sei „als ein Preisträger des 1. Preises beim Kisch-Preis 1984 (…) sicherlich über jeden Zweifel erhaben”. Jungblut selbst hingegen hat nur einen 3. Platz beim Kisch-Preis 1986 vorzuweisen.

Doch was mit der Begründung der Hamburger Richter aktenkundig geworden ist, das ist noch ein anderer Umstand. Die Geo-Redaktion hat nämlich offensichtlich nicht nur den Artikel Jungbluts auf entstellende Weise umgedichtet, nein, man hat auch „Zitate geändert“:

Das Landgericht urteilte, dass der Verlag sein Bearbeitungsrecht überschritten hat. In der Begründung listet es akribisch die Veränderungen auf, die die Redaktion vorgenommen hat: „Kaum ein Satz des Klägers wurde wortwörtlich übernommen.” Auch Zitate von Personen und kleinste sprachliche Besonderheiten seien verändert worden. Ohne Zustimmung des Autoren hätte „Geo” diese Bearbeitung nicht veröffentlichen dürfen.

Das bedeutet doch wohl, dass in der betreffenden „Geo“-Ausgabe Menschen mit Worten zitiert wurden, die sie so nie gesagt haben. Und das bedeutet doch wohl, dass „Geo“ die Zitate gefälscht hat. Und das bedeutet doch wiederum, dass „Geo“ nicht nur ein Fall fürs Gericht, sondern auch für den Presserat ist. Und schließlich bedeutet das doch wohl, dass die Leser selbst darüber abstimmen sollten, wie sie das journalistische Verhalten von „Geo“ finden: Indem sie es nicht mehr kaufen und lesen.

Stefan Niggemeier

Anti-Medien-Blog

Die journalistische Notfallpraxis im Web von Hektor Haarkötter