Wie man Fernsehen kritisieren kann – und wie nicht

16 Jun

Am letzten Samstag war es wieder so weit: das Fernsehgroßereignis, dass man so gerne vermissen würde, ging im Zweiten Deutschen Fernsehen wieder über die (Mallorca-) Bühne: “Wetten dass”.  Wie unterschiedlich man ein solches Format bewerten kann, zeigen am Montag die bundesdeutschen Printmedien. Für die Fernsehkritiker von dpa, abgedruckt in dutzenden von Tageszeitungen, deren Redakteure nicht mal mehr selbst fernsehen können, ist alles in Butter:

Für südländische Gefühle war auf der Urlaubsinsel jedenfalls gesorgt. Die Schweizer Entertainerin Michelle Hunziker ließ – obwohl sie ihre Wette gewonnen hatte – nach einiger Gegenwehr ihre Hüllen fallen und sprang im Schweizerkreuz-Badeanzug fidel in einen Pool.

Dass man eine Sendung, deren dummderbe Späße auf Pennälerniveau einen nicht vom Einpennen abhalten können, auch anders sehen kann, zeigen die Autoren zweier Zeitungen, die sonst für einen pubertären Spaß selbst gerne zu haben sind. Die eine ist der, sonst gerne gescholtene, Kölner Stadtanzeiger, der es ausnahmsweise folgendermaßen auf den Punkt bringt:

Inmitten öder Wetten (…) und öder Musikacts (…) zeigte Gottschalk ein weiteres Mal, welch begnadeter Zotenreißer er doch in Sachen Altherrenwitz ist, und als Wettkandidat Dominik mit Essstäbchen die BHs von 25 Frauen öffnete, kam dabei echtes Ballermann-Feeling auf.
Was von dieser „Wetten, dass . . ?“-Ausgabe bleibt, ist eine traurige Erkenntnis: „Fernsehgarten“-Niveau geht auch abends, auf Mallorca und ohne Andrea Kiewel.

Und die Süddeutsche Zeitung kümmert sich kritisch um die Talkgäste-Auswahl des ZDF-Formats, das sich als Katalysator verwelkender TV-Starlets geriert und im nachhinein jenes Harald Schmidt’sche Bonmot bestätigt, wonach jede trübe Tasse im Fernsehen noch die Rente durchbringen kann:

Die Sendung ist so etwas wie öffentlich-rechtliches Samariterfernsehen geworden. Während sich die Privaten in Casting-Shows als Geburtshelfer neuer Sternchen versuchen , kümmert sich das ZDF um anscheinend unverwelkliche, immer satte und jungbrunnigere Stars. Gottschalk lädt sie ein und gibt ihnen Bühne samt Publikum.

Fraglich bleibt nur eins: Warum die deutschen Gazetten sich nach jeder Ausstrahlung mit schnöder Regelmäßigkeit an einem TV-Format abarbeiten, dessen Existenzberichtigung auf einem von intelligenten Wesen bewohnten Planeten nachhaltig in Frage gestellt würde.

TV-Kritik: “Wetten, dass..?“ – Planschen mit Hunziker – TV-Kritiken – sueddeutsche.de

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