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Karneval im Fernsehen nicht mehr ganz echt


11 Nov

Eröffnung der Karnevals-Session am 11.11.2011 auf dem Kölner Altermarkt. Und das Fernsehen des WDR ist live dabei. Doch wie live ist eigentlich live? Wie echt ist Karneval im Fernsehen und auf den Bühnen? Um kurz vor Elf spielt die Erfolgsband „Höhner“. Aber ob sie wirklich spielen, ist fraglich, wenn man sich das Fernsehbild genau ansieht:

Die Bühne steht so voll mit Musikern und anderem Volk, dass man auf den ersten Blick gar nicht sieht, wer da alles zur Band gehört. Aber bei genauerem Hinsehen stellt man doch fest, dass einige Musikerpositionen doppelt besetzt sind, insbesondere das Schlagzeug:

Eine Live-Übertragung im Fernsehen sagt eben noch lange nichts darüber aus, ob alles wirklich „live“ ist. Gerade die „Höhner“ sind in Kölner Musikerkreisen bekannt dafür, bei ihren zahlreichen Sitzungsauftritten gerne mal Playback bzw. Halbplayback einzusetzen statt wirklich live zu musizieren, wie gut unterrichtete Kreise zu berichten wissen. Dass einzelne Instrumente gedoppelt werden, ist nur eine Möglichkeit, Musiker als Frontleute in Szene zu setzen, während andere die Kernerarbeit machen müssen (die von mir verehrten „Tower of Power“ haben es ebenso gemacht): Höhner-Schlagzeuger Janus Fröhlich hatte ein gesundheitlich äußerst schwieriges Jahr hinter sich, da sei es ihm gegönnt. Dass die so perfekt abgemischte Musik, die da aus dem Fernsehlautsprecher kommt, aber wirklich von den Erst- und Zweitmusikern auf der Kölner gemacht wird, ist nicht ausgemacht. Vielleicht wird auch nur großer Aufwand betrieben, um eine besonders große Illusion zu verbreiten. Denn davon lebt das Fernsehen.

 

 

Mobbing in der ARD


05 Jul

Verena Wiedemann, ehem. ARD-Generalsekretärin

Eine Insel der Glückseligen müsste die ARD eigentlich sein: 7,54 Milliarden Euro garantierte Einnahmen aus Rundfunkgebühren plus Werbe- und Sponsoreneinnahmen, Angestellte mit beamtenähnlichem und nahezu unkündbarem Beschäftigungsverhältnis, Redakteure mit knapp 6.500 Euro Tarifgehalt und dazu Möglichkeiten der Programmgestaltung diesseits vom Kulturauftrag  jenseits von Quotendruck  — genug Gründe, um jeden Tag mit einem Lächeln zur Arbeit und feierabends freudestrahlend wieder nach Hause zu gehen. Doch das Gegenteil ist der Fall: Die Stimmung ist schlecht in den Funkhäusern und Rundfunkanstalten.

ARD Generalsekretärin verklagt ihren Arbeitgeber wegen Mobbings

Jüngstes Beispiel ist ausgerechnet eine der obersten Repräsentantinnen der ARD: Die ARD-Generalsekretärin Verena Wiedemann verklagt ihren Arbeitgeber wegen „Mobbings“: Man habe sie „ausgegrenzt, diskriminiert und missachtet“, wie ihr Anwalt der Frankfurter Rundschau gegenüber erklärt. Die Übergriffe seien derart massiv gewesen, dass Verena Wiedemann infolgedessen psychisch erkrankt sei und sich in medizinischer Behandlung befinde. Von den Leitungsgremien sei sie ignoriert, in Entscheidungen sei sie nicht eingebunden worden. Und dann sollte sie auch noch aus ihren attraktiven Räumlichkeiten am Berliner Schiffsbauerdamm ins nüchterne Bürogebäude des Rundfunk Berlin-Brandenburg (rbb) umziehen. In eine „Besenkammer“, wie der Anwalt der Klägerin, Hans Georg Meier, behauptet. Zwei Referentenstellen seien ihr zuvor schon gestrichen worden. Mutmaßlich solle die erst vor fünf Jahren geschaffene Stelle in der ARD wieder abgeschafft werden. Da dadurch Frau Wiedemann aber Versorgungsansprüche gewönne, solle sie durch Mobbing zur Kündigung bewegt werden. Robin Meyer-Lucht vom Politblog Carta hat aber noch eine andere Interpretation:

Verena Wiedemann gilt nicht ohne Grund als „Stalinistin des öffentlich-rechtlichen Rundfunks“. Sie ist eine Fundamentalistin des Systems. Sie kennt nur den Modus “Totalverteidigung” für ihre Sendeanstalten. Sie zitiert gern das Verfassungsgericht und ist der Ansicht, dass das ARD-Wohl und das Allgemeinwohl identisch seien. Wiedemann wollte mit ihren Positionen viel in der ARD bewegen – und letztlich ist auch sie von den verkrusteten und vermachteten Strukturen der Anstalten gestoppt worden. Wiedemann dachte selbst hermetisch – und wurde von den noch hermetischeren Strukturen der ARD lahm gelegt. Am Ende zerschellten ihre Ansätze an jener fehlenden Kultur des offenen Dialogs in der ARD, für die auch sie selbst ein wenig stand.

Überdurchschnittlicher Krankenstand in der ARD

Frau Wiedemann ist nur das plakativste Beispiel eines weitreichenderen Umstands: Dass die ARD nämlich alles andere als die Insel der Glückseligen ist, was die Arbeitsbedingungen ihrer Beschäftigten angeht. Wie aus Kreisen der Redakteursvertretung des Westdeutschen Rundfunks (WDR) zu vernehmen ist, liegt der Krankenstand beispielsweise in der Kölner Sendeanstalt deutlich über dem Bundesdurchschnitt. Gründe dafür sehen Insider auch in „neo-autoritären Führungsstrukturen“, bei denen nur noch von oben nach unten delegiert und die Kreativität damit ausgeschlossen würde, wie bei einer Veranstaltung der Gewerkschaft Ver.di im Kölner DGB-Haus zu hören war. Und die Arbeitsbedingungen der unzähligen freien Mitarbeiter, die an die 90 Prozent des ARD-Programms herstellen, spotte jeder Beschreibung, wie die (anonymen) Autoren eines frechen Plagiats satirisch anprangerten, die kurzerhand die WDR-Hauspostille „wdr print“ nachgemacht hatten. „Die Hölle, das sind die Anderen“, schrieb Sartre in seinem Drama „Geschlossene Gesellschaft“. Vielleicht hätte es „geschlossene Anstalt“ heißen müssen.

Frau Wiedemann bekam übrigens kürzlich von der ARD das Angebot einer Vertragsverlängerung für die nächsten fünf Jahre. Grotesk angesichts eines, wie die Süddeutsche schreibt, völlig „zerrütteten Verhältnisses“.

Nachtrag:

Die ARD Pressestelle schrieb mir in diesem Betreff:

„Hallo Herr Haarkötter,
eine Anmerkung zu Ihrem Blogeintrag zu Frau Wiedemann. Sie schreiben: „Eine Insel der Glückseligen müsste die ARD eigentlich sein: 7,54 Milliarden Euro garantierte Einnahmen aus Rundfunkgebühren…“ Mit Zahlen sollte man immer vorsichtig sein: Die 7,54 Mrd. beziehen sich auf ARD UND ZDF UND Deutschlandradio. Die ARD selbst erhielt im Jahr 2010 5,52 Milliarden Euro Rundfunkgebühren, wovon sie wiederum 143 Millionen Euro an die Landesmedienanstalten abgetreten hat. Es wäre schön, wenn Sie dies korrigieren bzw. in Ihren weiteren Einträgen berücksichtigen könnten!
Beste Grüße aus Köln
Kristina Bausch / ARD-Pressestelle“

Frau Bausch hat natürlich recht. Die ARD hat also „nur“ 5,52 Mill. Euro im Jahr zur Verfügung. Ob sie deswegen weiterhin als „Insel der Glückseligkeit“ gelten müsste oder nicht, überlasse ich den geschätzten LeserInnen. Zu den Mobbing-Vorwürfen wollte Frau Bausch sich im übrigen offenbar nicht äußern. Dabei hätte ich die für viel gravierender gehalten. Aber was ist schon ein bekleidetes Mobbingopfer gegen nackte Zahlen!

Anti-Medien-Blog

Die journalistische Notfallpraxis im Web von Hektor Haarkötter