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Welt: Kinder mit Philosophie gequält


06 Apr

Das ist nun aber doch unerhört, was die Tageszeitung Die Welt da aus den Bildungsuntiefen des nordrhein-westfälischen Dumping-Schulwesens zu berichten hat: Kinder, Grundschulkinder  gar, sollen zum Philosophie-Unterricht genötigt werden:

Geht es nach den Grünen in NRW, sollen sich schon Grundschulkinder demnächst mit Kant, Platon & Co. beschäftigen. Die Partei verweist auf die vielen konfessionslosen Kinder, die in dieser Zeit Freistunden haben.

Sei’s drum, dass dieser Teaser nahezu unverständlich bleibt, weil der Hinweis an den sonst bei konfessionell besser ausgestatteten Schulkindern verpflichtenden Religionsunterricht erst später im Artikel ausgebreitet wird: Dass die armen Kleinen in so zartem Alter schon mit „Kant, Platon & Co.“ gequält werden sollen, das geht nun wirklich zu weit, meint die Welt.

Bildschirmfoto 3

Dabei ist der Vorschlag vielleicht gar nicht so schlecht. Selbst die Welt kann da nur zitieren, und so doof klingt es doch gar nicht:

„Es ist wichtig, allen Kindern ein Angebot zu machen, das sich mit Sinn- und Wertefragen beschäftigt“, sagte die schulpolitische Sprecherin der Grünen-Landtagsfraktion, Sigrid Beer. Für das Fach, das den Arbeitstitel „Philosophieren mit Kindern“ trägt, hat der Münsteraner Philosophieprofessor Klaus Blesenkemper einen Lehrplan entworfen.

Auch verschweigt die Welt, dass es auch heute schon an vielen Grundschulen in NRW Ethik-Unterricht als Ersatz für den Religionsunterricht gibt. Und Ethik ist nichts anderes als „praktische Philosophie“.

Für die Welt-Redaktion dagegen rangiert der Vorschlag, mit Kindern zu philosophieren, ungefähr auf einer Ebene mit dem legendären Veggie-Day, den die Grünen vor vier Jahren einführen wollten:

Es ist nicht das erste Mal, dass die Grünen mit einem ungewöhnlichen Vorschlag Aufsehen erregen. Bereits vor vier Jahren wollte die Partei einen verpflichtenden Veggie-Day in öffentlichen NRW-Kantinen einführen …

Dafür habe es damals viel „Hohn und Spott“ gegeben, so die Welt. Offenbar hält die Redaktion aus dem Hause Springer auch den jetzigen Vorschlag für verspottenswert. Wie sagt da der Lateiner: Si tacuisses, philosophus mansisses – Wenn du geschwiegen hättest, wärest du Philosoph geblieben.

„Lauchschmerzen“ bei der Welt


06 Mai
Quelle: Wikimedia

Quelle: Wikimedia

Die Gurke und der Porée: Sie sind zum Synonym für Überbürokratisierung und Regelungswut in der EU geworden. Stefan Niggemeier hat nun im Bildblog den Mythos des Porées in Europa anhand eines Artikels in der Tageszeitung Die Welt unter die Lupe genommen auf die Waage gelegt. In der Welt heißt es:

Noch viel bizarrer als die mittlerweile revidierten Vorschriften zum Krümmungsgrad von Gurken sind die Vermarktungsnormen für Porree/Lauch: Die Färbung des Naturprodukts ist genauestens vorgeschrieben.

In der Verordnung der Brüsseler Beamten heißt es: „Mindestens ein Drittel der Gesamtlänge oder die Hälfte des umhüllten Teils muss von weißer bis grünlich-weißer Färbung sein. Jedoch muss bei Frühlauch/Frühporree der weiße oder grünlich-weiße Teil mindestens ein Viertel der Gesamtlänge oder ein Drittel des umhüllten Teils ausmachen.“

Niggemeier dazu:

Nun ist es natürlich keineswegs so, dass Porree anderer Färbung nicht als Porree gilt — er darf nur nicht als „Klasse I“ vermarktet werden. Warum es „absurd“ sein soll, für unterschiedliche Handelsklassen bestimmte Qualitäts-Merkmale vorzuschreiben, lässt die „Welt“ offen.

Vor allem aber: Die Norm gibt es gar nicht mehr. Sie wurde im Sommer 2009 aufgehoben, um dem Wunsch nach weniger Regeln und weniger Bürokratie nachzukommen. Und zwar gleichzeitig — mit den Krümmungsregeln für Gurken.

Journalistische „Lauchschmerzen“: Da hilft vielleicht mal eine kleine Mediendiät.

 

 

Anti-Medien-Blog

Die journalistische Notfallpraxis im Web von Hektor Haarkötter