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Bild bringt mich in die Notaufnahme


01 Apr
Screenshot: bild.de

Screenshot: bild.de

Wenn Geschichten zu schön sind, um wahr zu sein, dann sind sie meistens auch nicht wahr. So auch im Falle jener Geschichte, die bild.de aus den USA, dem Land der unwahrscheinlichsten Stories, zu erzählen weiß:

Seattle (US-Bundesstaat Washington) – Die US-Amerikanerin Liz musste ins Krankenhaus – weil sie einen Orgasmus nach dem anderen hatte …

Amerika ist schließlich weit, die Story nachzuprüfen ist schwer, da fabuliert man doch einfach mal munter weiter:

Kaum zu glauben, was die beiden zu berichten hatten: Noch eine Stunde, nachdem sie sich geliebt hatten, erlebte Liz weitere Höhepunkte – während Eric ratlos daneben stand.
Was tun? Ein Rotwein vielleicht? Er goss ihr ein Glas ein – und Liz kippte ihn gierig runter: „Ich dachte, ich könnte meinen Körper so beruhigen.“ Doch nix da, die wohligen Schauer gingen munter weiter. Auch Hüpfen auf der Stelle half nicht.
Nach zwei Stunden war Liz fix und fertig, japste und stöhnte im Wechsel. Da war für Eric klar: „Baby, du musst in die Notaufnahme!“

Gesagt, getan — und geschrieben. Die Geschichte nimmt ihren, nach wie vor unwahrscheinlichen Verlauf:

Dort lag sie noch eine Stunde, dann beruhigte sich ihr Körper schließlich wieder. Erst nach insgesamt drei Stunden war der Höhenflug also vorbei. Eric litt derweil im Wartebereich der Klinik – aber mehr wegen der Blicke der anderen Patienten und ihrer Sprüche…

Aber so sehr die Story auch nach Räuberpistole klingt, so sehr gibt sich Bild doch Mühe, den Anschein wahrhaftiger Berichterstattung und intensiver Recherche aufrecht zu erhalten. Immerhin ist der Beitrag mit einer Ortsmarke versehen: „Seattle, US-Bundesstaat Washington“ — und diese Stadt gibt es schließlich wirklich. Und die Bild-Autoren werden auch nicht müde zu erwähnen, dass diese seltsame Geschichte mit den dazugehörigen Testimonials im US-amerikanischen Fernsehen zu sehen war, was nach Meinung der Springer-Redaktion offenbar ein Ausweis höherer Glaubwürdigkeit ist:

Die irre Sex-Geschichte wurde sogar für eine TV-Show („Sex sent me to the ER“, dt.: „Sex brachte mich in die Notaufnahme“) mit Schauspielern nachgestellt. Doch in der Episode kamen auch die echte Liz und ihr Partner Eric zu Wort.

Hier spätestens könnte der Bild-Leser allerdings auch stutzig werden. Denn bei der Formulierung „mit Schauspielern nachgestellt“ gehen die medienkritischen Alarmglocken an, und was das für eine eigenartige Sendung ist, lässt sich immerhin nachrecherchieren. Tatsächlich hat das TV-Format „Sex sent me to the ER“ in der US-amerikanischen Öffentlichkeit für einige Aufmerksamkeit gesorgt: Als neuerlicher Tiefpunkt der amerikanischen Fernsehunterhaltung. Es handelt sich um ein scripted reality-Format, wie man es aus dem deutschen Fernsehen aus RTL-Sendungen wie „Familien im Brennpunkt“ kennt. Real ist an diesen reality-Formaten gar nichts: Frei erfundene Geschichten werden von Schauspielern, die auch keine echten sind, in billiger Weise nachgespielt. „Lügenfernsehen“ hat das die ARD-Redaktion Panorama getauft.

Wie die New York Times zu berichten weiß, wird das neue Format von der Fa. GRB Entertainment produziert, die schon mit der Serie „Untold Stories of the ER“ (Nicht-erzählte Geschichten aus der Notaufnahme) und darin mit Folgen wie „Stuck in a toilet“ (im Klo eingeklemmt) für unrühmliches Aufsehen gesorgt habe. Doch selbst in diesem Lichte sei „Sex sent me to the ER“ ein  Tiefpunkt jenseits aller Vorstellungskraft  („But ‚Sex Sent Me to the ER‘ aims much lower than whatever lowest common denominator you were anticipating“). Abbie Stevens ruft über Yahoo Voices dazu auf, die Sendung komplett zu boykottieren („There is nothing „real“ about reality television“). Und wer unbedingt hätte recherchieren wollen, was es mit dem Wahrheitsgehalt von „Sex sent Me to the ER“ auf sich hatte, hätte auch die Einschätzung des amerikanischen Frauenarztes Dr. Manny Alvarez finden können, der die Ansicht vertritt, dass es dieses Fernsehformat selbst ist, das krank mache und einen bei regelmäßigem TV-Konsum in die Notaufnahme bringe („‚Sex Sent Me to the ER‘ TV show makes me sick“).

Die bild.de-Redaktion ficht das nicht an: Sie verkauft für bare Münze, was doch nur als Falschmünzerei im Fernsehen zu sehen war. Die einzige Rechercheleistung der Bild-Journalisten bestand darin, sich einen Webvideo anzusehen und als real zu verkaufen, was doch nur reality ist. Schlimmer ist der Begriff der Wirklichkeit noch nie beleidigt worden.

Aus für "Super Nanny":Katharina Saalfrank macht Schluss mit RTL


26 Nov

Die Protagonistin der umstrittenen RTL-Sendung “Super-Nanny” will nicht mehr. Wie Spiegel Online berichtet, wirft Katharina Saalfrank dem Privatsender vor, in ihre pädagogische Arbeit eingegriffen und das Format in Richtung “scripted reality” entwickelt zu haben:

"In meine Arbeit als Fachkraft in diesem Format wurde extrem … und teilweise sogar gegen pädagogische Interessen eingegriffen." Dies sei sicher der "Entwicklung des medialen Markts" hin zu "gescripteter", also inszenierter Realität geschuldet. Das komme für sie nicht mehr in Frage.

RTL: "Super Nanny" Katharina Saalfrank wirft hin – SPIEGEL ONLINE – Nachrichten – Kultur

Fernsehen lohnt sich nicht


26 Sep
Das Fernsehen zahlt schlecht

Die Bildzeitung hat mal recherchiert, und dabei ist herausgekommen, dass eine Mitwirkung im deutschen Fernsehen sich finanziell nicht wirklich lohnt:

  • Die „Mädchen“ bei „Germany’s next Topmodel“ bekommen gar keine Gage.
  • Beim „Perfekten Dinner“ (Vox) werden nur die Lebensmittel bezahlt.
  • Laiendarsteller und Statisten in TV-Soaps und Gerichtsshows erhalten eine Tagesgage von 55 Euro für 10 Drehstunden. Pro Überstunde 5 Euro mehr.
  • Bei „Scripted Reality“-Formaten wie „Mitten im Leben“ erhalten die Laiendarsteller 80 Euro pro Drehtag.
  • Peter Hahne (ZDF) zahlt seinen Gästen zwischen 200 und 400 Euro.
  • Gäste von Markus Lanz (ZDF) erhalten 500 Euro.
  • „Bauer sucht Frau“ (RTL) zahlt dem Landwirt immerhin 3000 Euro. Die Ehe-Bewerberinnen dagegen erhalten nur zwischen 700 und 1500 Euro.

Vielleicht also lieber doch einen ehrlichen Beruf als zum Fernsehen zu gehen …

Anti-Medien-Blog

Die journalistische Notfallpraxis im Web von Hektor Haarkötter