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„Slow TV“ aus Norwegen kommt nach Deutschland


12 Jan
Foto: Hesse1309

Foto: Hesse1309

Fernsehen ohne Ereignis: In Norwegen feiert „Slow TV“ große Erfolge, und das zur besten Sendezeit.

Keine Schießerei, kein Drama, keine Dialoge. Langsam zieht die norwegische Fjordlandschaft vorbei. Eine Kuh läuft drei Schritte, eine Flagge weht im Wind. 134 Stunden, 42 Minuten und 45 Sekunden lang war das alles, was beim Norwegischen Rundfunk (NRK) über den Bildschirm flimmerte.

„Slow TV“ ist Fernsehen in Echtzeit, das Fernsehgucken soll einem Blick aus dem Fenster gleichen. Der Projektmanager des öffentlich-rechtlichen Senders NRK, Thomas Helium, sagt dazu: „Man muss das Gefühl bekommen, wirklich da zu sein“. Es gibt keine gescriptete Geschichte, keine dramaturgischen Eingriffe und keine Höhepunkte — Fernsehen als langsamer ruhiger Fluss.

Die Anregung zu „Slow TV“ haben die norwegischen Fernsehmacher aus zwei verschiedenen Quellen bezogen: Zum einen die „Slow Food“-Bewegung, die gegen den Fastfood-Trend ankocht und auf bewussten Konsum von Lebensmitteln setzt. Zum anderen ausgerechnet das deutsche Fernsehen der 1990er Jahre. Im Nachtprogramm von ORB und Bayerischem Rundfunk liefen statt des Testbilds TV-Bilder von Aquarien oder Weltraumaufnahmen, die populäre „Space Night“. Es folgten die „schönsten Bahnstrecken Deutschlands“ in der ARD und „Rave around the world“ auf VOX. Die als „Bildschirmschoner“ gedachten Meditationsfilme waren teilweise quotenmäßig erfolgreicher als das zur ausgestrahlte Programm.

Die Norweger trauten sich, das meditative Format ins Hauptfernsehprogramm zu hieven. Der Erfolg ist ohne Worte: Von den fünf Millionen Norwegern schauten 3,2 Millionen einer Schiffspassage der Hurtigruten zu. „Wir sind das so angegangen, als würden wir zu den Olympischen Spielen fahren: hochprofessionell“, sagt Hellum.

Der Bildungskanal ARD-alpha (das ehemalige BR alpha) plant nun das erste Slow TV-Format zur besten Sendezeit in der Karwoche 2015 ab 20:15 Uhr. „Während auf anderen Kanälen in Talkshows gestritten, in Spielshows gerätselt oder in Spielfilmen geschossen wird“, will Daniel Schrenker,  Initiator des „Mora“ genannten Projekts, einen Kontrapunkt setzen. Es sollen Menschen bei der Arbeit gezeigt werden. Das lateinische Wort „Mora“ steht für „Aufenthalt“ oder „Verzögerung“.

Attentate in Norwegen: Wo bleiben die Islamisten?


25 Jul

Was ist nur mit den islamistischen Terroristen los? Jetzt überlassen sie das Feld schon nordischen Rechtsextremisten. Dabei hätten sie doch nur auf die deutsche Presse und das deutsche Fernsehen hören müssen, dann hätten sie gewusst, was zu tun ist. Der Branchendienst Meedia kommentiert:

Da können Journalisten noch so häufig über die Notwendigkeit der sorgfältigen Recherche sprechen – wenn es schnell gehen muss oder soll, brechen oft alle Dämme. Am vergangenen Freitagabend war es wieder so weit. In den ersten Stunden nach den Anschlägen in Oslo dominierten Experten und Kommentatoren die mediale Öffentlichkeit, die Panik vor einem islamistischen Anschlag schürten. Vorn mit dabei war auch die Nachrichtenagentur dapd.

Medienjournalist Stefan Niggemeier in seinem Beitrag „Wer solche Experten kennt, braucht keine Laien“ für die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung spricht von „offensivem Nichtwissertum“ und fügt an:

Eine Explosion und ihre Interpreten: Die Fernsehberichterstattung
erwies sich einmal mehr als verheerende Kombination aus dem Zwang,
Inhalte zu produzieren, und dem Wunsch des Publikums nach unmittelbaren
Antworten.

Die Fuldaer Zeitung schrieb gar in einem Kommentar über „feiges Terrorpack“ und stellte den Beitrag später offline. Die Entschuldigung, die das Blatt dann nachschob, machte es allerdings nicht besser, sondern noch schlimmer:

Lange Zeit hat am Freitagabend Vieles darauf hingedeutet, dass die
beiden Anschläge in Norwegen von islamistischen Terrorristen begangen
worden sein könnten.

Nein, nichts hat auf „Anschläge in Norwegen von islamistischen Terrorristen“ (sic!) hingewiesen. Außer man meint, dass jede Herbeiführung von Sprengstoffexplosionen automatisch auf islamistische Terroristen hinweist. Dann möchte man aber wissen, was die Fuldaer Zeitung nach der kommenden Sylvesternacht schreiben wird.

Anti-Medien-Blog

Die journalistische Notfallpraxis im Web von Hektor Haarkötter