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Vor 65 Jahren: Das erste Micky-Maus-Heftchen erscheint


31 Aug

mickeym02Zeitungsenten mal anders: Vor 65 Jahren, genau am 28. August 1951, erscheint in Deutschland das erste Micky-Maus-Heftchen. Die Meinungen darüber gingen von Beginn an weit auseinander. Die Berliner Tageszeitung Der Tagesspiegel schrieb:

„Mit den Bilderserien springt die Menschheit zurück in eine Urwelt der Bilder und Symbole. Es ist der Sprung über die Aufklärung hinweg in ein wollüstiges Analphabetentum. Kann man die zwar harmlosen, aber unendlich hingedehnten und aufgeschwollenen Micky-Maus-Hefte überhaupt ansehen ohne zu erschrecken über die Banalität der Texte in ihrem infantilen Pidgin-Englisch und über die Rückerziehung zum Primitiven?“

Im WDR Zeitzeichen dagegen äußert sich der Literaturkritiker Dennis Scheck eher hymnisch:

„Sie hat diese Geschichten in das Stahlbad der deutschen Klassik getaucht und eine Sprache dafür gewählt, die deutlich geprägt war von Hölderlin, von Schiller. Sie hat im Grunde eine Möglichkeit eröffnet, wie man als Kind schon und als kindlicher Leser einen Sprachkosmos betreten kann, der an Komplexität nichts zu wünschen übrig lässt“.

Immerhin sind die häufigen Interjektionen als typisches Merkmal der Comic-Sprechblasen („würg“, „grübel grübel“ etc.) auch zu sprachwissenschaftlichen Ehren gekommen und werden nach der deutschen Micky-Maus-Übersetzerin Erika Fuchs auch „Erikative“ genannt.

Im gleichen Zeitzeichen sind auch interessante Details zu erfahren, zum Beispiel das Entenhausen nur in Deutschland so heißt oder dass der stellvertretende Kulturchef der F.A.Z. bekennender „Donaldist“ ist. Etwas trübt den schönen Eindruck dieses Minifeatures, dass es deutliche und nicht ausgewiesene Anleihen bei einem Beitrag zum gleichen Thema genommen hat, das vor fünf Jahren im Deutschlandfunk gelaufen ist.

 

Die schlechten Bücher des F. Schirrmacher


18 Feb

F.A.Z.-Herausgeber Frank Schirrmacher (Foto: Wikimedia)

Frank Schirrmacher ist nicht nur Herausgeber der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (F.A.Z.), sondern auch Bestseller-Autor. Mit populären Sachbüchern wie „Der Methusalem-Komplex“ oder „Payback“ hat Schirrmacher hohe Auflagen und einige Übersetzungen erzielt. Nun schlägt das Geistesimperium zurück. Seinem neuen Titel „Ego“ attestiert der Feuilleton-Chef der „Welt“, Cornelius Tittel, “ Logik-Löcher und Anschlussfehler“ und resümiert:

So schwer es jedem denkenden Menschen fallen dürfte, „Ego“ zu Ende zu lesen – schwerer wiegt nur die Last, sich ernsthaft mit Schirrmachers Thesen auseinandersetzen zu müssen. (…) Wo man auch bohrt, es sind denkbar dünne Bretter, aus denen Schirrmacher sein windschiefes Gedankengebäude zimmert

Ähnlich kritisch geht Joachim Rohloff in einer Rezension von Schirrmachers letztem Buch „Payback“ in der Zeitschrift „Merkur“ mit dem Autor und seinem Verlag ins Gericht.

Hier muss ein Komma, dort ein Wort eingefügt oder gestrichen werden, hier muss man den Numerus, dort das Tempus oder den Modus eines Verbs korrigieren, bis man meint, man habe es nicht mit dem Kulturkopf der FAZ zu tun, sondern mit einem Praktikanten von Kicker online. Viele Sätze muss man zwei- oder dreimal lesen, bevor man den Fehler entdeckt und beheben kann. Dann erst stellt ein Sinn sich ein, von dem man aber nie mit Gewissheit annehmen darf, er treffe das, was der Autor sagen wollte. Das Internet fresse unsere Zeit und unsere Aufmerksamkeit, behauptet Schirrmacher. Bei der Lektüre seines Buches denkt man eher, es sei die Verkommenheit der hiesigen Verlagsbranche.

Man muss dazu sagen, dass der Bereich „populäre Sachbücher“ im Buchmarkt ein schwieriges und umkämpftes Gebiet ist. Ständig hat man mit Lektoren und Buchmanagern zu tun (wobei moderne Lektoren nichts anderes mehr sind als Buchmanager), die es noch etwas plakativer und noch etwas simpler gestrickt haben möchten. Aber gerade deswegen hat ein Autor die Pflicht, im Zweifel sich auch einmal gegen einen Lektor durchzusetzen und ein wenig Qualität im Buch zu belassen. Vor allem, wenn er Frank Schirrmacher heißt. Wie sagt die F.A.Z.-Werbung: „Dahinter steckt immer ein kluger Kopf“. Es wäre zu wünschen, dass er sich manchmal auch hervortraut, der Kopf.

Lanz: Tiefpunkt des Journalismus?


29 Feb

Markus Lanz ist ein Fernsehmoderator, der sich gerne vor Publikum bekochen lässt („Lanz kocht“) und eine nicht weiter beachtenswerte Talksendung im Zweiten Deutschen Fernsehen (ZDF) moderiert („Markus Lanz“). In der jüngsten Ausgabe dieser Sendung trat der bundesdeutsche Wirtschaftsminister auf, um aus seiner Sicht zu erzählen, wie es zur Nominierung von Joachim Gauck zum Bundespräsidentenkandidaten kam. Dem Medienkritiker der F.A.Z., Michael Hanfeld, hat das überhaupt nicht gefallen, und er hat dazu grimmige Worte gefunden:

Gemeinsam ziehen sie eine Show ab, die den „tiefsten Tiefpunkt“ (Rudi Völler) des deutschen Journalismus und den Marianengraben politischer Wahrhaftigkeit markiert. Es ist ein sagenhaftes Theater, Rösler gibt den Parzival, der den Gral endlich gefunden hat, ins Narrenkleid ist derweil der steigbügelhaltende Moderator Lanz gerückt.

Denn bei ihm wird das Machtkalkül zum gespielten Witz. Er redet so süß über „die Angela“ und „den Philipp“, dass einem schlecht wird. Erst fasst Rösler Lanz am Arm, wie Gauck es mit ihm gemacht habe, dann Lanz „den Philipp“. „Jetzt mal ehrlich,“ sagt der Markus dann, „die Angela“, die „ham Sie doch über den Tisch gezogen.“ Über den Tisch gezogen werden an diesem Abend aber alle, die diese Sendung sehen. Denn es wird ihnen eine Heldengeschichte erzählt, die von vorn bis hinten nicht stimmt. Hintergründe und Handlungsmaximen werden hier in ihr Gegenteil verkehrt.

Die süffisante Analyse ist vermutlich zutreffend, aber eine Frage stellt sich doch: Wenn Hanfeld die Talkshow „Markus Lanz“ — oder jedenfalls diese spezielle Ausgabe — als „Ende des Journalismus“ und, Rudi Völler zitierend, als „tiefsten Tiefpunkt“ bezeichnet, geht er davon aus, dass es sich überhaupt um Journalismus handle. Und dem wäre vielleicht zu widersprechen.

Ist Markus Lanz überhaupt ein Journalist? Er hat seit 1992 ein zweijähriges Volontariat bei Radio Hamburg absolviert, also eine journalistische Ausbildung genossen. Danach wechselte er aber umgehend ins Moderatorenfach, ursprünglich als Nachrichtenmoderator bei RTL Nord. Diesen Job verdankte er aber vermutlich nicht so sehr seiner journalistischen Qualifikation, sondern seiner anderen hervorstechenden Eigenschaft: Markus Lanz sieht aus, wie er aussieht — eine Mischung aus beliebter Schwiegersohn und Gebrauchtwarenhändler, der ideale Kleiderständer für nicht allzu überteuerte Herrenmode, kurz: ein Robert Redford für Wenigerbetuchte. Gegen diese Eigenschaft des Fernsehprodukts Lanz ist im Prinzip nichts einzuwenden, immerhin ist Fernsehen ein visuelles Medium. Und sie brachte Lanz das ein, was im betreffenden Wikipedia-Artikel als sein „Durchbruch“ angesehen wird, obwohl es eigentlich schon der „tiefste Tiefpunkt“ ist: Er wird Moderator der RTL-Sendung „Explosiv“. Den Journalismus hat er da längst verlassen, auch wenn die Bezeichnung „Redaktionsleiter“ fälscherlicherweise auf eine journalistische Tätigkeit hindeutet. Sendungen wie „Explosiv“ sind Unterhaltungsware, deren Informationswert gegenüber dem Unterhaltungsanspruch vernachlässigenswert ist. Aus diesem Grund wurde Lanz dann auch im Jahr 2008 vom ZDF abgeworben: Ein völlig entpolitisiertes Stück Seife, das in den Auswürfen des Boulevards sattelfest ist. In diesem Beritt hat das öffentlich-rechtliche Fernsehen eben trotz aller nachhaltigen Bemühungen noch nicht genug eigene Kavallerie hervorgebracht und muss sich in den Niederungen des Privatfernsehens mit Reitlehrern wie Markus Lanz versorgen. Wie praktisch alle anderen öffentlich-rechtlichen Talkshows auch ist die Sendung „Markus Lanz“ ein Politiksurrogat, eine Journalismus-Simulation, die darüber hinwegtäuschen soll, dass auch die öffentlich-rechtlichen Sender das nicht mehr zu bieten haben, wofür sie bezahlt werden: meinungsstarken, recherchetiefen und mutigen Politjournalismus.

Es wäre Michael Hanfeld von der F.A.Z. also doch zu widersprechen: Lanz ist nicht das „Ende des Journalismus“, sondern dessen Ersatzhandlung. Aber das ist vielleicht noch schlimmer.

Anti-Medien-Blog

Die journalistische Notfallpraxis im Web von Hektor Haarkötter