Die Zeit intimrasiert

12 Jul

Hätte man bis zirka letzte Woche jemanden gefragt, welches im deutschen Blätterwald die schamhafteste Zeitung wäre, die Antwort hätte an Eindeutigkeit nicht zu wünschen übrig gelassen: Spröder und g’schamiger als Die Zeit, das war eigentlich unvorstellbar. Ihre Moralität Marion Gräfin Dönhoff oder die stets so verbissen dreinschauende wie schreibende Iris Radisch vom Feuilleton waren der mageres Fleisch-gewordene Appell für Biederkeit und gegen lose journalistische Sitten. Nu ist aus der Schamhaftigkeit eine Schamhaarigkeit geworden. Das Wissens-Ressort (warum eigentlich „Wissen“?) macht mit einer doppelseitigen Geschichte über Intimrasur auf, garniert mit dem halbseitigen Foto einer intimrasierten Vulva.  Nota bene: In der Internet-Ausgabe desselben Artikel hat man sich dieses Foto gespart. Man wollte wohl der unreifen Internetklientel jene Vorlage vorenthalten, der der reife Zeit-Leser offenbar so dringend bedarf.

„Schönheit unter der Gürtellinie“ ist der Artikel überschrieben: Aber schön ist das nicht …

Intimrasur – Schönheit unter der Gürtellinie | ZEIT ONLINE

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Kriegsspiele

12 Jul

Was der Krieg aus Menschen macht, führt Spiegel Online vor:

Der Feind lauert überall, hinter Büschen, Mauern, am Rand der staubigen Piste.

Hier will jemand mit tumber Kriegsprosa den Beweis nicht schuldig bleiben, dass im Kriege erst der Soldat und dann die Sprache stirbt und neben die Kriegsversehrten schnell die Sprachversehrten treten. Und wenn Feinde „überall“ lauern, dann sollten deutsche Soldaten auch „überall“ dabei sein. Schützenhilfe leisten die Heckenschützen des deutschen Journalismus. Zum Totlachen …

Spiegel Online: „Krieg im Kleingedruckten“

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Deutschlands letzte Daily-Talkerin

10 Jul

Britt Hagedorn lässt sich als „Deutschlands letzte Daily-Talkerin“ bezeichnen. Sie hat mehr als 1.500 Sendungen eines Formats bestritten, dass täglich den Beweis antritt, dass die Regionen unter der Gürtellinie die am weitesten vom Gehirn entfernten sind. Auch die Mediengeschichte kommt da schon mal etwas durcheinander. Sie sieht nämlich Castingsendungen, Talkshows etc. in einer bereits jahrhunderte währenden Traditionslinie:

Ein Bedürfnis nach zwischenmenschlichen Geschichten gibt es immer. Der Kern – bei dem es auch in Casting-Shows und anderen Sendungen geht – ist immer der gleiche, nur der mediale Transfer hat sich im Laufe der Jahrhunderte verändert.

Dass für sie und ihre Sendung das Motto gelten könnte: „Der letzte macht das Licht aus“, findet Britt übrigens „lässig“. Das nennt man dann wohl „unverkrampften Umgang mit der Geschichte“.

DWDL.de – Britt Hagedorn, Deutschlands letzte Daily-Talkerin

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sterbende Medien: CompuServe

08 Jul

logo_cs40 Nicht mit einem Knall, sondern mit einem „Wimmern“ trete der Klassiker unter den Onlinediensten, nämlich Compuserve, ab, schreibt der amerikanische Kolumnist Robert S. Anthony. Schnöde ist auch die Mitteilung, die AOL, der heutige Besitzer des ältesten Online-Dienstes der Welt, an die Nutzer herausgibt:

As mentioned in our email notifications, as of June 30, 2009 the CompuServe Classic service will no longer operate as an Internet Service Provider.

Ein Jahr, bevor Google überhaupt startete, bezeichnete Spiegel Online Compuserve bereits als „Online-Oldie“. 30 Jahre, nachdem der erste eMail-Dienst des Internets startete, klemmt AOL nun den Service ab. Lange bevor es überhaupt das WWW gab, bot Compuserve bereits Live-Chats, Bahnauskunft, Foren und Dateitransfer. Das Grafikformat gif ist eine proprietäre Compuserve-Erfindung. 1994 war Compuserve mit 1,7 Mio. Nutzern der größte Onlinedienst überhaupt. Entstanden ist der Vorläufer des Online-Dienstes 1969 als Tochterfirma der US-Versicherung Golden United Life. Das Unternehmen arbeitete als IT-Dienstleister für die Mutter, betrieb die PDP-Großrechner, vermietete Rechenzeit an diesen Anlagen auch an andere Firmen. Im Laufe der 90er Jahre, mit dem Aufkommen des WWW, ging es mit Compuserve abwärts: Die Nutzer wollten keine geschlossene Onlinewelt mehr, sondern einfach nur Zugang zum Internet. Schon im vergangenen Jahr wurde der deutsche eMail-Dienst compuserve.de abgeschaltet. Seit heute ist Compuserve Classic offline.

CompuServe Announcement

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Im philologischen Härtetest

07 Jul

„im philologischen Härtetest“, überschreibt die Wochenzeitung Die Zeit einen Artikel, in der ein leibhaftiger „emeritierter Professor für Germanistik“, nämlich Klaus Kanzog, den Siegertext des diesjährigen Bachmann-Wettbewerbs einer „literaturwissenschaftlichen Analyse“ unterziehen darf. Ob der abgedruckte Text wirklich alle Kriterien einer solchen erfüllt, sei dahingestellt. Allerdings verwundert doch, wenn ausgerechnet der Germanistikprofessor von einer „psychiatrischen Diskurspraktik“ spricht. Denn das richtige Substantiv wäre an der Stelle doch „Praxis“ gewesen. Jedoch ist mitunter eine psychiatrische Praxis auch wieder mißverständlich, und der Diskurs kann diese Sinnverstellung schwerlich heilen. Dem Erfinder der Diskurstheorie wiederum, Michel Foucault, würde die psychiatrische Praxis der Diskurse bestimmt sehr gut gefallen.

Bachmann-Preis – Im philologischen Härtetest | ZEIT ONLINE

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Spiegel contra ProSieben: Eingeschmiert, angeschmiert, abgeschmiert

05 Jul

Gut dass im Internet auch noch andere Schönheitsideale herrschen Peinlichkeitsgrenzen schamlos zu unterschreiten, ist im deutschen Fernsehen eine der leichteren Übungen. Dass der Privatsender Prosieben mit seiner Reihe “Sommermädchen 2009” eine neue Preisklasse im Sommerschlussverkauf des schlechten Geschmacks eingeteuert hat, darauf weist Spiegel Online mit deutlichen Worten hin:

Deutschland hat sich eine weitere Dimension des Demütigungsfernsehens erschlossen. "Sommermädchen 2009" heißt das Format, das sogar Til Schweigers glitschige Altherrenphantasie "Mission Hollywood" auf RTL unterbietet, die man bislang für den Tiefpunkt des Unterhaltungsfernsehens hielt und die gerechterweise wegen Erfolglosigkeit auf den Samstagnachmittag verbannt wurde. Schwitzend und stotternd lässt Schweiger darin seine Casting-Opfer Übungen absolvieren, für die er in einem Rotlicht-Etablissement bezahlen müsste.

Aber immerhin verfügt Schweiger tatsächlich über Beziehungen nach Hollywood, mögen die auch noch so bescheiden sein. Das ist bei ProSieben anders: In "Sommermädchen 2009" lassen sich die Kandidatinnen von einem Niemand erniedrigen – sie geben sich ohne Hoffnung auf den Einstieg in den Entertainmentbetrieb der Lächerlichkeit preis.

Dass der Anglizismus “Casting-Show” im Deutschen korrekterweise mit “Kasteiungs-Show” übersetzt werden sollte, belegt Prosieben mit diesem Format ebenso wie die Tatsache, dass die leiblichen Erniedrigungen in dieser Art von “Demütigungsfernsehen” nach dem Spielende beileibe nicht zu Ende sind: Der Preis für die Selbstentleibung besteht in einem Fotoshooting für ein sogenanntes Herrenmagazin, was weder dem Begriff Foto noch dem Begriff Herr weiters zu Ehre gereicht. Wenn Spiegel Online dies “unsubtil” nennt, muss doch der dezente Hinweis erlaubt sein, dass die vom Spiegel angefügte Fotostrecke genau jenes Gelüst befriedigt, dass zuvor mit deutlichen Worten kritisiert wurde. Die schärfsten Kritiker der Elche, bleiben eben selber welche …

P.S.: Das abgebildete Foto ist kein Beispielfoto aus der genannten Fernsehserie!

Der Artikel auf Spiegel Online

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Im WDR ist Streit entbrannt

30 Jun

In der Süddeutschen Zeitung war zu lesen:

„Am Mittwoch startet im WDR Das Schlagzeilenquiz. Mitarbeiter des Senders haben das Ratespiel intensiv vorbereitet, produzieren darf es aber die Hamburger Firma White Balance, deren Geschäftsführer Jörg Pilawa ist. Das erbost den WDR-Personalrat sehr, in seinem Infoblatt titelt er: „Hilfe für armen Moderator: WDR subventioniert Pilawa“. Das Angebot des Produzenten sei um etwa 40 000 Euro teurer; zudem werde in privaten Studios aufgezeichnet. Eine Begründung habe es senderintern nicht gegeben. Es kursiere das Gerücht, man tue im WDR derzeit alles, um den Moderator zu halten, der mit ARD und ZDF um die Zukunft pokere…“

Artikel in der SZ

Mehr Informationen über den angesprochenen Hintergrund unter:

Meedia.de-Artikel

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Nochmal: Nebeneinkünfte bei ARD und ZDF

28 Jun

Kaum ist irgendwo ein Skandal, schon muss irgendwer reagieren: In unserem Fall ist es der ZDF Intendant Markus Schächter. Er möchte ein „ohnehin mehrstufiges Genehmigungsverfahren“ weiter verschärfen“, um die Interessen des ZDF“ zu schützen. Im gleichen Atemzug erwähnt der ZDF-Mann, dass öffentliche Auftritte seiner Moderatoren oder Journalisten ja auch das Profil des Senders schärfen würden. Also wie nun? Und was er ganz unerwähnt lässt, ist die Tatsache, dass er freien Mitarbeitern, die die Mehrzahl seiner Moderatoren und Journalisten ausmachen wird, überhaupt nichts verbieten kann. Also müssen die sich auch nichts genehmigen lassen. Der SWR-Sportchef Michael Antwerpes, der u.a. wegen hoher Nebeneinkünfte durch öffentliche PR-Auftritte aufgefallen war, erklärte derweil, er sei trotzdem „nicht käuflich“, und er möchte gerne eine „Ehrenerklärung“ abgeben. Es könnte sich dabei allerdings um jene Art von „Ehrenwort“ handeln, die einer kritischen Öffentlichkeit nur zu bekannt ist. Besser sein lassen …

Nebenverdienste: ZDF will Regeln verschärfen
SWR Sportchef: Bin nicht käuflich

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Michael Jackson Medienopfer

26 Jun

Die heutigen „Topmeldungen“ von Spiegel Online, gleichzeitig und untereinander:

Popstar: Michael Jackson liegt im Koma
Poplegende: Michael Jackson ist tot
Michael Jackson: Eine tragische Karriere
Reaktionen zum Tod Michael Jacksons
Tod eines Weltstars
Michael Jackson ist tot

So bleibt einer ein Medienopfer, und das nicht nur „sein Leben lang“.

Michael Jackson tot: Das monströse Genie – SPIEGEL ONLINE – Nachrichten – Panorama

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Spickmich toppt Krieg

24 Jun

Wenn das mal kein Kollateralschaden ist: Der Internetdienst Spickmich.de toppt den Krieg in Afghanistan, bei dem gestern drei deutsche Soldaten ums Leben gekommen sind. Zumindest auf den Seiten des Kölner Stadtanzeigers. Da ist ein spick-freundliches Urteil des Bundesgerichtshofs heute als Aufmacher auf die Titelseite gekommen und hat weniger weltgeschichtliche Ereignisse wie Kriege, Tote und Politik des Feldes verwiesen.

Kölner Stadt-Anzeiger

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Anti-Medien-Blog

Die journalistische Notfallpraxis im Web von Hektor Haarkötter