Schlechtester Text seit immer

06 Okt

„Schlechtester Text seit immer“, so überschreibt Dirk Gieselmann von der Fußballzeitung 11 Freunde seinen Text, in dem er sich mit der unscheinbaren Präposition „seit“ beschäftigt. Denn das Wort „seit“ sei der „Knüppel der Fußball-Reporter“.

Weil in den Neunziger Jahren fuchsige Informatikstudenten die »ran«-Datenbank aufgebaut haben, weiß man heute über jedes Ereignis, seit wann es nicht mehr eingetreten ist. Reporter schleppen Leitz-Ordner voller »Seit«-Statistiken in ihre Kabinen und feuern sie in Salven ab: Das war der kürzeste Einwurf seit zweieinhalb Tagen! Schon seit einer Minute kein Tor mehr! Ding seit Bums! Bla seit Bla!  

Die harmlose Präposition hat eigentlich den schlichten Zweck, Zustände in ihrer zeitlichen Abfolge darzustellen. Im Sportjournalismus, aber nicht nur da, wird das Wort indes dazu mißbraucht, unbotmäßig Parallelen und Schlußfolgerungen zu ziehen. Hier wird eine Stochastik bemüht, die lediglich im Trüben stochert, ist doch der Aussagewert von Feststellungen wie „seit 52 Spielen torlos“ oder „bester Zustand seit Jahren“ gering. Womöglich sollte dem „Immermehrismus“ und dem „Abzuwartismus“ eine weitere Kategorie hjinzugefügt werden, der „Seitismus“.

11 FREUNDE – Bundesligen – Wie Statistiken nerven – Schlechtester Text seit immer

Weiterflüstern ...Share on FacebookTweet about this on TwitterShare on Google+Share on TumblrEmail this to someonePrint this page

Krankenkassen zahlen wegen Computerfehler

05 Okt

Falscher Code = richtiges Plus: Wegen eines Programmfehlers einer unter Kassenärzten weit verbreiteten Software  sollen die Krankenkassen enorme Geldsummen zu viel angewiesen haben.

Nach SPIEGEL-Informationen habe eine unter Augenärzten weitverbreitete Praxis-Software vielen Patienten gleichsam automatisch eine Kodierziffer angehängt, die auf eine Ansteckung mit dem AIDS-Virus HIV hinweise. Auf Grundlage dieser falschen Codierung bekämen die zuständigen Krankenkassen dann Extra-Zuschüsse aus dem Gesundheitsfonds – etwa 10.000 Euro pro Patient und Jahr …

Aufgefallen sei der Fehler, weil die scheinbar Neuinfizierten zum Großteil bereits die 65 Jahr-Grenze überschritten hätten. Nach Schätzungen der Hanseatischen Krankenkasse handle es sich um einen Fehlbetrag von 160 Millionen Euro.

Falsche Codierung beschert Krankenkassen Extra-Zuschüsse aus dem Gesundheitsfonds – datensicherheit.de Informationen zu Datenschutz und Datensicherheit

Weiterflüstern ...Share on FacebookTweet about this on TwitterShare on Google+Share on TumblrEmail this to someonePrint this page

Die "Zeit" und die beste aller Welten

30 Sep

Es war einmal in einer Zeit, als das Wünschen noch geholfen hat, da lasen alle Menschen die „Zeit“ und glaubten jedes Wort, das da geschrieben stand. Und die „Zeit“ wiederum glaubte auch etwas. Sie glaubte nämlich, dass eine Zeit, in der die „Zeit“ erschien, die beste aller Zeiten sein müsste. Darum war in der „Zeit“ über unsere Zeit zu lesen:

Zu welcher Zeit in der deutschen Geschichte ging es, in welchem anderen Land der Erde geht es Menschen besser als in dieser Bundesrepublik?

Und der Chefredakteur der „Zeit“ äußert in ähnlichem Ton von der „beste[n] Demokratie, die es in Deutschland je gab“. Das mag ja alles für „Zeit“-Redakteure zutreffen, die über Tarif bezahlt werden und ihren gesellschaftlichen Einfluss im Zweifel bei den Machthabern persönlich geltend machen können. Jedoch, einerseits die „schwerste Wirtschaftskrise aller Zeiten“ zu paraphrasieren und andererseits das größte Wohlergehen aller Zeiten zu konstatieren, das geht nicht recht zusammen. Und die Zeiten sind noch nicht so lange her, dass die Lebenden daran sich nicht erinnern könnten, da gab es in diesem Land Vollbeschäftigung, wurden Schulen und Hochschulen ausgebaut und neugegründet, wurde nicht jede soziale Leistung mit Lohn-Nullrunden konterkariert. Und der Zustand einer Demokratie, die sich ihre Willensbildung von Frank Plasberg und Stefan Raab besorgen lässt, kann nur als erbärmlich beschrieben werden, weswegen seriöse Wissenschaftler bereits von „Post-Demokratie“ sprechen.

Was hier waltet, ist das Ressentiment des Wohllebens, ist repressiver Wohlfühljournalismus: Wem’s nicht gut geht, der macht sich automatisch verdächtig. Voltaire beschrieb schon im 18. Jahrhundert als Satire auf die Leibniz’sche Theorie von der „besten aller Welten“ die Denkfigur, die heute die „Zeit“-Redakteure teilen. Der traurige Held dieser Geschichte hieß Candide. Es war ein Narr.

ZEIT ONLINE | Nachrichten, Hintergründe und Debatten

Weiterflüstern ...Share on FacebookTweet about this on TwitterShare on Google+Share on TumblrEmail this to someonePrint this page

Immermehrismus im Schambereich

30 Sep

Immer mehr, immer öfter, immer schneller: Der Immermehrismus hat jetzt auch den Schambereich erreicht. Jedenfalls, wenn es nach dem öffentlichen Spezialisten für Schamgrenzen geht, also der Bilderzeitung:

Immer mehr Frauen lassen sich den Intimbereich chirurgisch verändern. Verengung der Vagina, G-Punkt-Vergrößerung, Schamlippenverkleinerung. In BamS erklären fünf Frauen den Schnitt unter der Gürtellinie.

Immer mehr Frauen, die sich verengen lassen, das ist ja eigentlich, nach einfacher Masserechnung, immer weniger Frau. Und wenn sie es immer häufiger tun, werden bald immer weniger Frauen in Deutschland anzutreffen sein. Das ist schlecht, vor allem für die Bildzeitung. Denn ohne weiblichen Intimbereich hat es diese Zeitung verdammt schwer.

G-Punkt-Vergrößerung, Schamlippenverkleinerung, Vagina-Verengung: Intim-Operationen versprechen mehr Lust im Bett und besseren Sex – Ratgeber – Bild.de

Weiterflüstern ...Share on FacebookTweet about this on TwitterShare on Google+Share on TumblrEmail this to someonePrint this page

Computer Crash

29 Sep

Technik stößt nicht nur auf Begeisterung. Das sieht man an diesem Youtube-Video aus dem Jahr 1995:

Weiterflüstern ...Share on FacebookTweet about this on TwitterShare on Google+Share on TumblrEmail this to someonePrint this page

Endlich mal ein unabhängiger Deutscher Fernsehpreis

28 Sep

Am Samstag hofierte sich die deutsche Fernsehszene wieder einmal auf Gegenseitigkeit auf einem Abrissgelände, das nur Verwegene für ein TV-Studio halten, und gab sich selbst einen Preis: Den deutschen Fernsehpreis. Im letzten Jahr noch erreichte diese Veranstaltung einen seltenen Moment von Wahrheit, als Preisträger Reich-Ranicki dankend ablehnte. Eine ganz andere Wahrheit verrät die Preisträgerliste dieses Jahres. Der von ARD, ZDF, RTL und Sat1 gestiftete Preis geht nämlich ausschließlich — an Produktionen von ARD, ZDF, RTL und Sat1. In der kühlen Mathematik der Fernsehpreis-Jury:

Im Vergleich der 9 Werkkategorien führt das ZDF mit 4 Preisen, RTL und ARD folgen mit je 2, Sat.1 mit einem Preis. Addiert man die ausgezeichneten Personen und Einzelleistungen, so gehen insgesamt 10 Preise an das ZDF, 8 an die ARD, 3 an Sat.1, 2 an RTL, 1er an 3sat.

Anders ausgedrückt: Man stiftet sich selbst einen Preis, den man auch nur an sich selbst vergibt, um sich selbst zu attestieren, dass man selbst die eigene Arbeit dufte findet. Ob das wirklich nötig ist?

Deutscher Fernsehpreis: Gottschalk gewinnt vor Raab und Barth – alle Preisträger | medienhandbuch.de

Weiterflüstern ...Share on FacebookTweet about this on TwitterShare on Google+Share on TumblrEmail this to someonePrint this page

Grass rügt Medien wegen Zynismus

25 Sep

Grass Unbequem In einem Interview mit der Zeitung Weserkurier zieht Literaturnobelpreisträger Günter Grass über den deutschen Journalismus her:

„Es ist ein 08/15-Zynismus, ohne jegliches Format. Das geht schon mittlerweile bis zu unseren Tagesschau-Sprecherinnen, wenn sie mokant die Mundwinkel verziehen über etwas oder dämchenhaft die Nase rümpfen.“ Das sei ein Philistertum neuester Spielart, „mit einer zynischen Mundharmonika gespielt“.

Weiter befindet Grass: „Ich finde es grauenhaft. Wir haben nicht den Journalismus, den wir verdienen.“

Grass rügt Medien wegen Zynismus | medienhandbuch.de

Weiterflüstern ...Share on FacebookTweet about this on TwitterShare on Google+Share on TumblrEmail this to someonePrint this page

Zukunft der Ballerspiele: Win/Win oder Lose/Lose?

24 Sep

 computerspiel112_v-banner3x1

Lose/Lose nennt sich ein Weltraumballerspiel, dass in 80er Jahre-Arkade-Optik daherkommt und für den fanatischen Medien- oder Computerhasser genau das richtige sein sollte: Der Spieler schießt auf heranfliegende Raumschiffe und Aliens, doch mit jedem zerstörten Objekt wird auch eine reale Datei auf der eigenen Festplatte zerstört. Das Spiel ist nur auf der Website der Entwickler zu haben und will nicht so sehr Spielspaß bieten, als moralische Fragen aufwerfen.

Und genau auf diesen Punkt möchten die Entwickler in Lose/Lose hinweisen, die ihr Werk eher als Kunst und nicht als Spiel ansehen. Die Aliens selbst ballern nämlich gar nicht zurück und verhalten sich damit eigentlich friedlich. „Das stellt die Mission des Spielers in Frage“, so die Entwickler, die auch darauf hinweisen, das nirgendwo geschrieben steht, dass der Spieler die Aliens abschießen muss. „Ist der Spieler bestimmt zum Aggressor? Oder ist er ein Beobachter, der durch gefährliches Gebiet reist?“, lautet die moralische Frage.

Kein Scherz: Ballerspiel Lose/Lose zerstört reale Dateien – PC-WELT

Weiterflüstern ...Share on FacebookTweet about this on TwitterShare on Google+Share on TumblrEmail this to someonePrint this page

Schleichwerbung: Verdacht bei Sportsendung im SWR

22 Sep

Schleichwerbung beim SWR, also einer öffentlich-rechtlichen Anstalt? Nicht doch. Das muss man sich erstmal genauer ansehen, findet auch der SWR-Intendant Boudgoust, der gleichzeitig ARD-Intendant ist. Schließlich ist die Beweislage ja doch ziemlich dürftig. Es geht um ein Golfturnier, das von einem Bonner Süßwarenhersteller gesponsort worden war. Die Nennung dieses Sponsors im SWR-Beitrag erfolgte schließlich nicht über Gebühr:

In dem Beitrag sei dem „Spiegel“ zu Folge 20 Mal der Markenname im Bild zu sehen gewesen und wurde insgesamt viermal genannt oder gesungen. Darüber hinaus wurde das Maskottchen des Unternehmens – der Goldbär – beim Golfspielen gezeigt. Mit Gummibären wurden zudem Fußballspiele nachgestellt. Darüber hinaus wurde ein alter Werbespot des Unternehmens in den Beitrag eingebaut.

Naja, SWR-Sportchef Klaus-Dieter Gerke befielen dann doch leise Zweifel. Aber letztlich hielt er den Beitrag dann doch für ausstrahlenswert. Schließlich:

Er habe den Beitrag schließlich senden lassen, damit die Sendung kein Loch bekomme.

Nein, nein, ein Loch im Programm, das muss man natürlich stopfen. Und wenn’s mit Süßwaren ist.

DWDL.de – Schleichwerbung: Verdacht bei Sportsendung im SWR

Weiterflüstern ...Share on FacebookTweet about this on TwitterShare on Google+Share on TumblrEmail this to someonePrint this page

“Berliner Runde” – Fernsehleute beleidigt

21 Sep

Nach Bundeskanzlerin Merkel hat auch der SPD-Spitzenkandidat Steinmeier seine Teilnahme an der ZDF-Fernsehsendung “Berliner Runde” abgesagt. Der ZDF-Chefredakteur Nikolaus Brender reagierte mit Empörung, aber warum eigentlich?

"Neben dem TV-Duell zwischen Kanzlerin und Herausforderer ist die Berliner Runde aller Spitzenkandidaten für mich das wichtigste Diskussionsformat vor den Bundestagswahlen. Die Verweigerung von Kanzlerin und Kanzlerkandidat beschädigt die demokratische Kultur."

Die Behauptung, ausgerechnet das Zweite Deutsche Fernsehen sei ein Garant der Kultur, und sei es der demokratischen, ist schon keck. Der Empörungsgestus der Brender’schen Wortmeldung ist selbst empörend. Denn um Kultur geht es hier wohl weniger als um Einschaltquoten, die natürlich geringer ausfallen, wenn die wichtigsten Spitzenkandidaten in einer Fernsehsendung fehlen. Da strahlt man doch besser auf diesem Termin die x-te Wiederholung einer Rosamunde Pilcher-Verfilmung aus, das bringt im Zweifel mehr Quote. Und wer weiß, vielleicht dient Pilcher ja   auch der “demokratischen Kultur”.

Keine "Berliner Runde" im ZDF – heute.de Nachrichten

Weiterflüstern ...Share on FacebookTweet about this on TwitterShare on Google+Share on TumblrEmail this to someonePrint this page

Anti-Medien-Blog

Die journalistische Notfallpraxis im Web von Hektor Haarkötter