Unter der schönen und irgendwie auch treffenden Überschrift „Beklopptes Fernsehen“ ist bei YouTube dieser Zusammenschnitt deutschen Fernsehschaffens zu finden, der jedem Gruselkabinett zur Ehre gereichen würde:
Ekeljobs im Fernsehen
Ein Programmtipp heute beim Internet-Medienportal Meedia:
Auf Vox wird’s unappetitlich: Die „Stern TV-Reportage“ (22.15 Uhr) berichtet über Ekeljobs.
Hoffentlich wird da auch über den Arbeitsplatz von Markus Lanz beim ZDF berichtet.
Das Kreuz mit der Kirche
Wenn man doch zwischen den zeilen schreiben könnte! Neulich im Kölner Stadtanzeiger:
Der Kölner Kardinal Joachim Meisner hat zur Solidarität mit Papst Benedikt XVI. aufgerufen. Das anfängliche „Hosianna“ sei inzwischen einem weitgehenden „Kreuziget ihn!“ gewichen, …
Was denn sonst? Aber da wollte er doch immer hin!
… kritisierte er am Sonntag in seiner Predigt anlässlich der Papstwahl, die sich zum fünften Mal jährt. „Wir haben einen Papst unter dem Kreuz“, betonte der Erzbischof im Kölner Dom.
Das ist doch der richtige Aufenthaltsort, oder?
Eine kleine Lanz-Partie
Markus Lanz ist die Grinsekatze des Zweiten Deutschen Fernsehens (ZDF). Das bestangezogene Stück Seife des Strickjackensenders hat auch mit seiner gestrigen Sendung (15.04.) eindrucksvoll zur Show gestellt, dass er den Tiefgang des Wattenmeers besitzt und noch auf der eigenen Schleimspur ins Rutschen gerät.
Ich muss gestehen, vorher noch nie eine Folge dieser „Kerner“-Ersatzsendung im ZDF gesehen zu haben. Und diese spezielle Folge sah ich nur, weil ein Bekannter von mir ein kirchenkritisches Buch veröffentlicht hat und ursprünglich als Studiogast zum Thema „5 Jahre ‚Wir sind Papst'“ eingeladen war. Jedoch, erste Überraschung: Mitnichten fängt die Sendung wie angekündigt mit dem Papst und seinen Kritikern an. Fernsehzuschauern, die zu nachtschlafender Zeit vor der Flimmerkiste noch die Eier schaukeln, ist mit Altmänner-Vereinen und Jungfräulichkeitsgetue eben nicht beizukommen. Stattdessen geht es darum erstmal um das tragische Schicksal eines britischen Fotomodells:
Katie Piper war Model und Moderatorin in England. Auf einen Schlag wurde am 31. März 2008 ihr bisheriges Leben zerstört. Da war sie 24 Jahre alt. Sie wurde das Opfer eines Säure-Anschlags. Es war die grausame Rache ihres Ex-Freundes. Heute ist sie für ihr Leben entstellt und auf einem Auge blind. Bei Markus Lanz spricht sie darüber, wie sie ihr schönes Lachen zurückgewann und neuen Lebensmut fand.
Man sieht in einem, durchaus eindrücklichen, Einspielfilm Bilder Londoner Überwachungskameras, die das Säure-Attentat minutiös festgehalten haben. Man sieht eine trotz aller Chirurgie ziemlich entstellte junge Dame und hört eine sehr selbstbewusste charismatische Lady, die zu ihrem Schicksal steht. Vor allem aber erlebt man das totale ethische Versagen eines gut frisierten Journalisten-Darstellers, der es schafft, in einem 20-minütigen Gespräch auch nicht eine sinnvolle und angemessene Frage zu stellen. Stattdessen Entgleisungen wie diese (ich zitiere aus der Erinnerung): „Wir wollen nicht weiter über die Vergewaltigung sprechen! Wie lange waren Sie übrigens in der Gewalt des Täters?“ Und fällt dem Schmierentragödianten selbst auf diesem Niveau nichts Ekelerregendes mehr ein, zeigt er erneut die Videobilder von dem Attentat. Nicht einmal, nicht zweimal, nein dreimal muss der Zuschauer sich die entsetzliche Bildfolge anschauen. Für so etwas sollte der deutsche Presserat eigentlich journalistisches Vierteilen verhängen dürfen.
Da kann ein Gespräch über die katholische Kirche natürlich nicht gegen anstinken. Aber dass die einzige Sprache, die Lanz wirklich versteht, der Dresscode ist, hat er auch hier eindrucksvoll unter Beweis gestellt. Dass ein so präpotenter Lackel sich erlaubt, eine kirchenkritische Theologieprofessorin mit den Worten zu verabschieden: „Ich hatte Angst um Ihren Gesundheitszustand“, durften Damen in früheren Zeiten mit einer Ohrfeige quittieren. Natürlich hat Ute Ranke-Heinemann das nicht nötig, sie konterte: „Da ist mir der Ratzinger noch lieber, der kann wenigstens besseres Latein“. Markus Lanz ist mit dem Latein am Ende, bevor er jemals damit angefangen hat.
Mein Bekannter trat übrigens zum Glück in dieser Sendung nicht auf. Oder hat er nach dem Gespräch mit dem Ex-Model einfach das Studio verlassen? Das würde ich ihm zutrauen, und diese Sendung hätte auch nichts anderes verdient gehabt.
Tochter ersticht Mutter: Streit um Internet als Motiv
Wien – Das soziale Internetnetzwerk Facebook war der Auslöser für den Tod von Svetlana D., die Dienstagnachmittag von ihrer 14-jährigen Tochter erstochen wurde. Die 37-Jährige soll ihrem Kind die Nutzung des Computers verboten haben, worauf der tödliche Streit seinen Ausgang nahm. Das gestand die Jugendliche am Mittwoch im Polizeiverhör, ehe sie in Untersuchungshaft genommen wurde.
Tochter ersticht Mutter: Streit um Internet als Motiv – 5., Margareten – derStandard.at › Panorama
die ZEIT der Leser?
Jahrhunderte gibt es schon Zeitungen. Aber jetzt erst, erst jetzt ist eine auf die Idee gekommen, sie für ihre Leser zu machen! Wow! Autos für Autofahrer gibt es schließlich auch schon eine Weile, Lebensmittel für Fresssäcke, Luft für Atmer. Aber eine Zeitung für Leser, darauf muss man erst mal kommen! In unserem Fall war es Giovanni di Lorenzo, Chefredakteur der Wochenzeitung Die Zeit. Na gut, eigentlich meinte er keine „Zeit für Leser“, sondern eine „Zeit für Schreiber“, denn die zahlenden Leser sollen ihr Blatt nun selber füllen. Selbstredend nicht mit den Inhalten, die ihnen Spaß machen — soviel Zutrauen haben die Sachwalter der Zeit in ihre Leser denn auch nicht! — , sondern mit dem, was die Redakteure der Zeit von ihren Lesern gerne lesen möchten:
Leser bitten DIE ZEIT, einem Prominenten (Politiker, Star, Sportler…) schöne Grüße zu bestellen: Vom persönlichen Rat über die Stilkritik bis zum politischen Einspruch. Aber kurz, knapp, pointiert: Maximal 3 Sätze oder 500 Zeichen.
Ach so, Platz ist für die Leser der Zeit auch nicht: Maximal 500 Zeichen. Dann vielleicht doch lieber Zeichensprache?
ZEIT-Leser dichten gern. Auf der „ZEIT der Leser“ allerdings sind vor allem Haikus gefragt: Ein dreizeiliges Gedicht mit fünf, sieben und fünf Silben pro Zeile. Und unbedingt zu einem aktuellen Thema.(…)
Bei der Gerichtsverhandlung, in der Vorlesung, während des Telefonats, in der stinklangweiligen Konferenz: Gekritzelt wird immer. Wir bitten die Leser, uns ihre schönsten Kritzeleien zu zeigen und zu erzählen, wie und wann sie entstanden sind.
Stinklangweilige Konferenzen? Ja, so stellt man sich die Zeit vor. Besonders wenn einer der Herausgeber das Wort ergreift. Das Ganze verpackt in ein Layout, das wir zu Schülerzeitungszeiten kaum gruseliger hinbekommen hätten, so als ob der Einsatz von Schmuckschriften seit Etablierung von Desktop Publishing selbst in Vereinsblättchen nicht unter drei Tänzchen mit der Gattin des Vereinsvorsitzenden bestraft würde. Soll wohl lustig sein? Ach so, wirklich. O-Ton Chefredakteur:
Die Idee zu „Die Zeit der Leser“ ist noch älter und kommt aus den 80er Jahren. Ich hatte damals etwas Vergleichbares in einer italienischen Satire-Zeitschrift gesehen; das hat mich nachhaltig fasziniert. Die hatten auch eine Rubrik, die wir bei der Zeit natürlich nicht machen können: Sie haben das Protokoll eines abgehörten Telefongesprächs abgedruckt. Bei der Lektüre dieser Seite wurde mir klar, welch unfassbaren Reichtum es in der Welt der Leser gibt.
Welch unfassbarer Reichtum in der Welt der Leser: Ihre Abhörprotokolle direkt im Anschluss an die zweite neue Rubrik „Glauben und Zweifeln“! Fehlt nur noch das „Aufstöhnen der Woche“, „Meine schönsten Popel“ und „Briefe über Deutschland“. Halt, nein, die gibt es natürlich: Ein 68-jähriger Friedrich Engels oder Engelke oder so darf seinem Stiefsohn Julian, 30 („Umweltberater aus Montreal“) im „wöchentlichen Wechsel“ schreiben. Ein Wechsel war früher ein Schuldschein, und entsprechend dürftig ist, was der gute Engels oder Engelke zu schreiben hat. Naja, über Deutschland, an den Umweltberater, in Montreal, wen wundert’s? Schon Marx und Engels warnten ja vor Leuten, die andere Leute als „Mommy“ bezeichneten und selbst ihre Briefe mit „Dein Rich“ unterschrieben. Ganz ehrlich, man möchte vom Zweifeln abfallen.
Was ist die ZEIT der Leser? « ZEIT der Leser « ZEIT ONLINE Blogs
Tagesschau-Teilchen und Urknall-Simulation
Bei Teilchen denken die meisten Leser, jedenfalls die aus dem Rheinland, an süßes Hefegebäck. Was Hefegebäck mit Astrophysik zu tun hat, das vermochte keiner der Journalisten aufzuklären, die in den letzten Tagen begeistert von den Experimenten am Genfer CERN berichtet haben. Beispielhaft dafür die Internetseite der Tagesschau. Da wird über einen “Teilchenbeschleuniger” berichtet, als würde geradewegs aus der Backstube reportiert, da werden “Urknallmaschinen” in Gang gesetzt und für Reparaturen Ringe “auf minus 271 Grad” abgekühlt. Und als hätte einer der gewöhnlichen Tagesschau-Gucker oder –Leser irgendetwas von der (dunklen?) Materie verstanden, heißt es dann:
Zwei Protonenstrahlen können mit beinahe Lichtgeschwindigkeit in entgegengesetzter Richtung durch den Ring gejagt werden und sollen dann zusammenstoßen. "Bei diesen Kollisionen simuliert man einen winzig-kleinen Ausschnitt aus dem Universum", erklärt CERN-Physiker Rolf Landua.
Wie jetzt? Werden nun “Teilchen” beschleunigt oder “Strahlen”? Und was genau sind eigentlich diese Protonen? Ach, diese Zuschauer und Leser verstehen doch sowieso nichts von diesen komplizierten Dingern, wird sich der Redakteur gedacht haben, da fange ich doch gar nicht erst an, irgend etwas davon zu erklären. Ums Erklären ging es schließlich dem Tagesschauteam auch gar nicht. Es geht um “gefühlten Journalismus” und die einzig noch interessante, wenn auch nicht wissenschaftliche Frage, wie die Welt sich eigentlich anfühlt. Darum wird ans Ende dieses Artikels, der mehr verklärt als erklärt, eine Umfrage gerückt:
Haben Sie Angst vor einem Schwarzen Loch?
Im Teilchenbeschleuniger LHC in Genf sind Protonenstrahlen mit bislang unerreichter Energie aufeinandergeprallt. Physiker wollen mit dem Experiment einen kleinen Ausschnitt aus dem Universum simulieren. Kritiker fürchten die Entstehung winziger Schwarzer Löcher. Haben Sie davor Angst?
Ja
Nein
Ich habe dazu keine Meinung
Nicht um Wissenschaft geht es also, sondern um Ängste! Und wenn es der Urknall ist, wird es wohl um Urängste gehen. Ins Lexikon dummdreister Fragen, die so dämlich sind, dass jeder sich schämen sollte, der zu antworten versucht, sollte dieses “Haben Sie Angst vor einem Schwarzen Loch?” unbedingt aufgenommen werden. Und wer seinen Grips nicht vor dem Physikum verloren hat, der wird künftig vor allem vor einem Angst haben: Nämlich vor den Schwarzen Löchern in der Tagesschau-Redaktion.
Teilchenbeschleuniger LHC startet Urknall-Simulation | tagesschau.de
Junk Food macht abhängig: Schlechte Nachrichten auch
Also wie nun: Die Meldung ging wie auf einer geschmeidigen Puddingspur einmal durch die Gazetten unseres Globus. Junk food macht also süchtig. Das Internetportal „nachrichten.de“ brachte die Meldung direkt unter dem Rubrum „Junkfood, Heroin, Pommes frites“, und zitierte munter drauf los:
Wer sich hemmungslos mit fetter Wurst, Fritten oder auch Kuchen mit Sahne vollstopft, kann nach Erkenntnis von US-Forschern genauso abhängig werden wie ein Drogen-Junkie. Das Hirn spielt Fettleibigen, die den Konsum von kalorienreichem, ungesundem Essen nicht lassen können, den gleichen Streich wie Rauchern, Sex-, Heroin- und Kokainsüchtigen, berichten Paul J. Kenny und Paul M. Johnson im Fachjournal „Nature Neuroscience“.
Ähnliches bis Gleichlautendes fand sich, stellvertretend, auch hier:
http://www.heute.de/ZDFheute/inhalt/18/0,3672,8060050,00.html
http://www.spiegel.de/wissenschaft/medizin/0,1518,686101,00.html
… und viele mehr. Auch, was unter Junkfood eigentlich so genau zu verstehen ist, wird aufgeklärt:
Wissenschaftler sagen auch, dass Junk Food, also Chips, Hamburger, Würstchen oder Kuchen, also alles, was viel Salz, Zucker oder Fett enthält, süchtig macht.
Einiges wird bei dieser Meldung allerdings auch unter den Esstisch fallen gelassen. Zum Beispiel, dass Fett und Zucker (sprich: Kohlenhydrate) zu den Hauptbestandteilen der Ernährung gehören. Zusammen mit Eiweiß machen sie den Großteil unserer Ernährung aus und sind schlicht unverzichtbar. Zu sagen, man sei süchtig nach Fett, Kohlenhydraten und Eiweiß ist also nichts anderes als zu sagen, man möchte nicht gerne verhungern. Auch wird in den meisten Meldungen verschwiegen (außer im Kölner Stadtanzeiger, der an dieser Stelle endlich einmal zu loben ist), dass die Experimente mit Ratten, um die es geht, sich nicht auf den Menschen übertragen lassen.
Aber keine Sorge, davon dass Pommes oder Käsekuchen per se süchtig machen, kann keine Rede sein. Es geht um einen Versuch mit Ratten, die aber ohnehin dazu neigen, mit dem Fressen nicht mehr aufzuhören. Erst recht, wenn es ihnen gut schmeckt. Forscher vom Scripps Research Institute im US-Bundesstaat Florida haben eine Gruppe von männlichen Nagern regelrecht gemästet.
Der journalistische Reflex, „fast food“ generell als „ungesund“ darzustellen und damit auf eine breite Zustimmungsbasis beim Lesepublikum zu treffen, ist dennoch fahrlässig, weil schon seit Jahrjahrzehnten widerlegt. So hat ein normales „BigMäc“-Menü nicht mehr Kalorien als ein gutbürgerliches Mittagessen und hält sich auch im durchschnittlichen täglichen Kalorienbedarf mit jenem die Waage. Darauf hat schon vor 10 Jahren Walter Krämers „Lexikon der populären Irrtümer“ hingewiesen. Unter dieser Adresse kann sich jeder die Kalorienzahl gängiger Fastfood-Menüs selbst ausrechnen und zum eigenen Verbrauch in Beziehung setzen. Umgekehrt ist es auch im Journalismus opinio communis, welcher Typ von Ernährung der richtige, „gesunde“ sei. Dass hierbei stets Askese-Überlegungen mitschwingen, die eher christlichen als ökotrophologischen Ursprungs sind, ist kaum von der Hand zu weisen, wenn man etwa einmal Udo Pollmers Buch „Krank durch gesunde Ernährung“ konsultiert. Doch das würde ja alles Recherche bedeuten, und die ist bei Journalisten verhasst wie nichts sonst. Alles in allem also eine ziemlich fette Fehlinformation. Prost Mahlzeit!
Enthüllungen im Kölner Stadtanzeiger
Was ist ein Turm, der von einem Baugerüst vollständig verhüllt ist? Landläufig würde man annehmen, er sei nicht mehr zu sehen. Nicht so im Kölner Stadtanzeiger. Da ist der Turm weithin sichtbar:
Weithin sichtbar ist der Kirchturm von St. Severin eingerüstet …
Naja, es ist ja der Kirchturm mit dem Clown im Fenster, da darf man sich so einen Scherz vielleicht erlauben. Andererseits findet man im Kölner Stadtanzeiger ja auch erfreuliche sprachliche Petitessen. Zum Beispiel diese:
Nein, es ist sehr gut möglich, dass der klassische Musikbetrieb über kurz oder lang auf dem Aussterbeetat steht.
Auf dem Aussterbeetat stehen? Oder liegen? Nein wirklich, die Formulierung habe ich vorher noch nicht gehört. Aber muss ja nichts heißen …
Journalist unter Fälschungsverdacht
Mindestens drei Redaktionen in Deutschland haben offenbar Artikel veröffentlicht, in denen Zitate frei erfunden waren.
Nach Recherchen des Medienmagazins journalist und von MDR Sputnik hat der freie Autor Sebastian Wieschowski u.a. an Spiegel Online, den Südkurier und an Welt Online Texte verkauft, in denen sich ein Experte äußert, der womöglich gar nicht existiert, sondern vom Autor erfunden wurde. Der 25-Jährige bestreitet die Vorwürfe. Inzwischen beschäftigt der Fall die Staatsanwaltschaft.






