Kölner Stadt-Anzeiger erfindet den Jahrgangsroman

24 Aug

Dass gute Literatur etwas für die Feinschmecker unter den Lesern ist, hat sich in kulinarischen Kreisen ja herumgesprochen. Der Kölner Stadtanzeiger — eines der wenigen Qualitätsblätter, deren Qualität darin besteht, sich kein eigenes Feuilleton zu leisten und die Kulturberichterstattung auf die hinteren Seiten des Sportteils zu verbannen — hat nun den Jahrgangsroman erfunden. Anlässlich Philipp Meyers Debütroman „Rost“ vermeldet er:

In den USA wurde der Roman als einer der besten seines Jahrgangs gefeiert.

Wenn jetzt schon Romane einen Jahrgang haben, dann ist klar, dass die Gutenberg-Galaxie irgendwie in die Jahre gekommen ist.

Kölner Stadt-Anzeiger – ePaper

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Der Bürgerkrieg in unseren Handys

23 Aug

Es gibt unter den durch das Medienzeitalter ausgelösten Depressionen auch solche, für die ein rasches Antidot nicht leicht bei der Hand ist. Da gefriert einem doch das Blut in den Adern, wenn man liest wie am vergangenen Wochenende in der F.A.Z., dass wichtige Rohstoffe für unsere schöne neue Welt aus elektronischen Gadgets mit Bürgerkrieg etwa in Afrika bezahlt wird.

Neben Blei, Kadmium und ähnlich toxischen Stoffen enthalten unsere alltäglichen Begleiter wie Mobiltelefone, Kameras und Laptops auch Metalle, die an sich unbedenklich sind: Gold, Zinn, Wolfram und Tantal. Und doch sind gerade diese die ethisch bedenklichsten, ja blutigsten, nämlich sofern sie – was für einen großen Prozentsatz zutrifft – aus dem Osten der Demokratischen Republik Kongo stammen. Bewaffnete Gruppen, von denen es nach Schätzung des Botschafters der Demokratischen Republik Kongo in den Vereinigten Staaten, Faida Midifu, etwa fünfundzwanzig gibt, darunter ugandische, ruandische und burundische Rebellengruppen sowie korrupte nationale Armee-Einheiten, zwingen die Bevölkerung unter grauenhaften Bedingungen zum Abbau der Bodenschätze, welche dann zu Schleuderpreisen auf den Weltmarkt gelangen.

Von „Bluthandys“ sprechen bereits Nichtregierungsorganisationen wie das „EnoughProject“, „Human Rights Watch“ oder „Global Witness“. Hier muss Druck vonseiten der Verbraucher auf die Hersteller ausgeübt werden wie von jenem kritischen Geist, der Apple-Chef Steve Jobs eine Email schrieb und schon nach einer Stunde per SMS Antwort von Jobs persönlich erhielt, in der davon die Rede war, dass man die Lieferanten verpflichte, „conflict few materials“ zu liefern. Doch gebe es keine Garantie, und es sei chemisch noch nicht möglich, den Ursprung der Mineralien bis zur Mine zurückzuverfolgen. Intrikat ist schon Jobs‘ stillschweigende semantische Verschiebung von „conflict free“ in „conflict few“, für die er von der Netzgemeinde bereits gehörig Prügel einstecken musste. Aber auch die Behauptung der Nichtnachweisbarkeit ist so nicht aufrechtzuerhalten:

Den „Coltan-Fingerprint“, einen forensischen Nachweis, der die Herkunft der Tantalerzkonzentrate durch Abgleich mit einer riesigen Datenbank eindeutig zu lokalisieren vermag, hat die deutsche Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe im Auftrag des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) in dreijähriger Arbeit entwickelt. Ebendies wurde hierzulande vor einem halben Jahr als großer Durchbruch gefeiert. Doch erklärt der zuständige Forscher Frank Melcher im Gespräch mit dieser Zeitung, die Technik sei zwar prinzipiell einsatzbereit, werde aber nicht eingesetzt.

Den ganzen Artikel gibt es bei FAZ-online zu lesen:

Krieg in Kongo: Auf der dunklen Seite der digitalen Welt – Digitales Denken – Feuilleton – FAZ.NET

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Der Frosch: ein Medium?

20 Aug

Zu den Aporien des Medienzeitalters gehört es, nicht so genau definieren zu können, was eigentlich ein Medium so genau sein soll. Stefan Münker und Alexander Roesler fassen die Diskussion in ihrem Suhrkamp-Buch Was ist ein Medium? zusammen:

Ein Stuhl, Rad, ein Spiegel (McLuhan), eine Schulklasse, ein Fußball, ein Wartezimmer (Flusser), das Wahlsystem, der Generalstreik, die Straße (Baudrillard), ein Pferd, das Dromedar, der Elefant (Virilio), Grammophon, Film, Typewriter (Kittler), Geld, Macht und Einfluss (Parsons), Kunst, Glaube und Liebe (Luhmann).

Kein Wunder, dass da selbst ein Frosch als Medium bezeichnet werden kann. Diesen interessanten Gedankengang verfolgt nämlich im selben Buch Medienforscher Stefan Rieger. Der Naturforscher Luigi Galvani experimentierte im 18. Jahrhundert als einer der ersten mit Elektrizität. Als er einst einen Frosch sezierte, soll die Spitze eines Skalpells eine Verbindung zur Elektrisiermaschine hergestellt haben, und siehe: Die Schenkel des toten Froschs erwachten zum Leben und zuckten. Galvani hatte die „animalische Elektrizität“ entdeckt und der Frosch galt fortan als Medium des Stroms:

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Den zugehörigen Vortrag Riegers kann man sich auch im Internet ansehen:

http://www.formatlabor.net/media/Rieger-Vortrag.mp4

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Wie darf man das Fernsehen kritisieren, Teil 2: Oliver Kalkofe

19 Aug

clip_image002 Ich gehöre nicht zu den größten Bewunderern des Oliver Kalkofe und finde nachhaltig, dass er seine beste Zeit einst beim Frühstyxxradio von Radio ffn in den frühen 90ern hatte. Manchmal gar scheint es mir, als ob gerade die über ihn und seine Medienverrisse am lautesten lachen, über die er sich gerade lustig macht. Das ist natürlich auch eine Kunst.

Neulich fiel mir sein Buch Geschafft! Wir sind blöd! Kalkofes letzte Worte in die Hände, eine Sammlung von Kolumnen, die er regelmäßig in einer Fernsehillustrierten veröffentlicht. Und ich muss sagen: Ich habe doch an einigen Stellen herzhaft gelacht. Dann wieder wurde ich aber auch nachdenklich. Im Einleitungstext nämlich schreibt Kalkofe:

Wer es sich inzwischen leisten kann, abzuschalten, der tut es. Wer genug Geld für Kino oder Videothek hat oder gar das so gern zitierte „gute Buch“ zu benutzen weiß, der hat sich längst von seinem alten Kumpel Fernsehen verabschiedet. Oder bestellt sich seeine DVDs aus dem Ausland, um erstaunt mitzuerleben, wie vor allem in Amerika und England in den letzten Jahren einige der fantastischsten TV-Produkte aller Zeiten entstanden sind.

Und dann folgt eine Liste, die wohl nach Meinung Kalkofes für das „gute Fernsehen“ stehen soll:

Die Sopranos, 24, Lost, Deadwood, Six Feet Under, Prison Break, Boston Legal, Heroes, Arrested Development, The Office, Doctor Who, Little Britain, Extras – die Liste ist endlos.

Mal davon abgesehen, dass der Großteil dieser Formate auch im Deutschen Fernsehen ausgestrahlt wurden und man eine Videothek deswegen nicht konsultieren gemusst hätte (außer natürlich man steht auf Filme in Originalsprache, aber das ist ein anderes Thema und so eine Videothek muss man auch erstmal finden — überhaupt muss man ja heute eine Videothek erstmal finden!): Ist doch irgendwie auffällig, dass Oliver Kalkofe beim Thema „Gutes Fernsehen“ ausschließlich Unterhaltungssendungen einfallen. Nachrichten, Features, Dokumentationen, politische Sendungen kommen im Kalkofe-Kosmos offensichtlich nicht vor. Obwohl gerade hier das deutsche Fernsehen, namentlich das öffentlich-rechtliche, unter Umständen gegen die internationale Konkurrenz gar nicht abfallen müsste. Jedenfalls ist die berühmte BBC-Dokumentation auch nicht mehr das, was sie einmal war. Re-Enactment, alberne Grusel-Ausleuchtung, sich selbst inszenierende Journalistendarsteller — das sind die Neuerungen, die wir in diesem Bereich der Insel zu verdanken haben. Und an bahnbrechende Fernsehdokumentationen aus den USA kann ich mich in den vergangenen 10 Jahren gar nicht erinnern. Auffälligerweise produziert etwas Michael Moore nur noch fürs Kino. Kalkofes These sollte er also vielleicht noch einmal überdenken.

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Telefon: Noch ein sterbendes Medium?

12 Aug

Telefonieren scheint irgendwie out zu sein. Zwar gibt es mittlerweile fast so viele Handys wie Menschen auf der Erde, nämlich 5 Milliarden, aber telefoniert wird damit offenbar eher seltener. Dies ist das Ergebnis einer neuen Nielsen-Studie. Statt der Telefonie wird das Mobilgerät wohl eher für Textnachrichten, mobiles Internet oder fürs Spielen verwendet.

Schon 2008 [extern] stellte Nielsen fest, dass die Handybenutzer weit mehr SMS erhalten oder versendet, als sie telefoniert haben. Und erwartungsgemäß drehte sich das Verhältnis mit zunehmendem Alter um. Bei den 35- bis 44-Jährigen hielten sich Telefonieren und SMS etwa die Waage, ab 45 Jahren überwog das Telefonieren, während vor allem die 13- bis 17-Jährigen achtmal so viele SMS empfangen oder verschicken als sie telefonieren.

Stirbt das Telefon aus?

TP: Telefonieren? Nur, wenn es unbedingt sein muss

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Wie darf man das öffentlich-rechtliche Fernsehen kritisieren?

11 Aug

Dass zum Jubiläumsjahr der ARD, die vor 50 Jahren aus der medialen Taufe gehoben wurde, auch kritische Nachfragen zum Programm evoziert wurden, dürfte eigentlich kaum überraschen. Die Reaktionen der angesprochenen Sender im ARD-Verbund waren zum Teil nervös. Auftakt machte die Bildzeitung mit ihrem „großen ARD-Report„. Untertitel: Skandale, Vetternwirtschaft, Gebühren-Verschwendung. Allerdings war diese Darstellung in dem Boulevardblatt durchaus prätentiös oder, wie Michael Ridder auf epd.medien schrieb:

Es wäre müßig, auf diesen unappetitlichen Mix aus Ressentiments, Halbwahrheiten und aufgewärmten Alt-Skandalen näher einzugehen.

Warum eigentlich nicht näher darauf eingehen? Auch der WDR als größte Sendeanstalt der ARD ging in seinen Stellungnahmen zu der Serie nur auf wirklich strafwürdige Vorwürfe ein. Aber dass Skandale zurückliegen, bedeutet nicht, dass sie nicht Skandale sind. Dass Vorwürfe schon länger im Raume stehen, bedeutet nicht, dass sie ausgeräumt sind. Hier sind öffentlich-rechtliche Sender als öffentliche Unternehmen in einer anderen Pflicht als private, denn die Öffentlichkeit hat ein berechtigtes Interesse. Darum ist es schon verwunderlich, wenn beispielsweise die WDR-Intendantin Monika Piel aus dem Umstand, dass der WDR neben Gebühren- ja auch Werbeeinnahmen habe, schließt, es handle sich bei der von ihr geführten Anstalt quasi um ein privates Unternehmen:

Der WDR ist nicht aus Steuermitteln finanziert – wie die Bundesregierung, sondern ein Medienunternehmen, das zum Teil aus Gebühren und zum Teil aus Werbeeinnahmen finanziert wird. Bei anderen Unternehmen – wie etwa bei BILD – werden die Gehälter der Chefs auch künftig nicht öffentlich bekannt sein.

Die Bezüge nicht zu veröffentlichen, war wohl erwogen, wie man inzwischen weiß, da der WDR die Bezüge seiner leitenden Angestellten auf gesetzlichen Druck hin veröffentlichen musste. Und dass diese Bezüge exorbitant sind, während gleichzeitig die Freien Mitarbeiter des WDR, die über 90 % des Programms herstellen, seit Jahren und Jahrzehnten Reallohneinbußen hinnehmen müssen, ist sehr wohl erklärungsbedürftig. Und was als „Geschäftsbericht 2009“ im Internet veröffentlicht wurde, ist kein ebensolcher, sondern vielmehr eine reichbebilderte Werbe-Selbstdarstellung, die auch nicht die elementaren Informationsbedürfnisse einer interessierten Öffentlichkeit abdeckt. Dass die Produktionsbedingungen bei ARD-Produktionen, die von Freiberuflern und privaten Produktionsfirmen durchgeführt werden, häufig jenseits aller Tarif- und Arbeitsschutzbedingungen sind und hier ein Manchesterismus durchexerziert wird, wie er einem öffentlichen Unternehmen als allerletztes frommt, ist durchaus fragwürdig und wartet noch auf Antwort. Auch die Anfrage der Bildzeitung, warum eigentlich zu den Olympischen Spielen in China neben dem NDR-Intendanten auch zwei Programmdirektoren sowie ein Produktionsdirektor gereist ist, wiewohl doch keiner von ihnen von den Spielen berichtet hat, ist luzide und wartet auf echte Erklärung.

 

FAZ-Streit um öffentlich-rechtliches Internet-Angebot

Auch die Frankfurter Allgemeine Zeitung hat kritische Notate bezüglich ARD. Anlass ist ein Gutachten, das der frühere Verfassungsrichter Papier erstellt, in welchem er die Frage beantworten sollte, ob die Onlineangebote von ARD und ZDF „presseähnlich“ seien oder nicht. Papiers Urteil war schon recht überraschend, er stellte nämlich fest, dass vielmehr die Presse im Internet ihm sehr rundfunkähnlich erscheine. Das war freilich gar nicht die Frage, die sich stellte, aber sei’s drum. Auch ein solches Gutachten darf kritisiert werden. Und es ist nicht hilfreich, die Kritik, wie ARD-Vorsitzender Peter Boudgoust es getan hat, mit dem Hinweis abzutun, Zeitungen hätten ja „verlegerische Interessen“, die ihrem, „Bemühen um journalistische Wahrhaftigkeit“ im Wege stünden. Ein Totschlagargument: Kein Printmedium dürfte demnach künftig noch das Gebahren öffentlich-rechtlicher Sender kritisieren, da „verlegerische Interessen“ immer im Spiel sein könnten. Aber selbst wenn dem so wäre, bleibt die Kritik bestehen. Denn aus welchen (womöglich unlauteren) Gründen eine Kritik auch geäußert wird, ändern doch diese Gründe nichts am Inhalt der Kritik.

 

Die Zeit: Verblödung durchs Fernsehen

In der Wochenzeitung Die Zeit trumpfte Jens Jessen auf. Der öffentlich-rechtliche Rundfunk leiste nicht, wofür er Gebühren bekomme, ist die These Jessens, der in Kollegenkreisen schon als „schlechtester Feuilletonchef seit 30 Jahren“ bezeichnet wurde. Tatsächlich steht in seinem Beitrag viel Unsinn und vieles, was mehr auf die Einbildung als die Bildung dieses Autors schließen lässt.

Es ist absurd genug, dass überhaupt die Quote von Nachrichtensendungen gemessen wird.

Was ist daran absurd? Das Fernsehen ist ein Massenmedium, es rechtfertigt seine Existenz ausschließlich dadurch, dass es ein massenhaftes Interesse bespielsweise nach Nachrichteninformation gibt. Eine Nachrichtensendung für eine Minorität ist, jedenfalls auf diesem Kanal, barer Unsinn. Auch einem anderen weitverbreiteten Missverständnis ist herr Jessen aufgesessen, nämlich dass an der Misere des öffentlich-rechtlichen Programms das Privatfernsehen schuld sei.

Wenn es eine Ursache gibt, dann liegt sie in der Konkurrenz der privaten Sender, die den Quotendruck hergestellt hat, der als Mutter aller Missstände gelten kann.

Oh nein, die Tendenzen, die heute bemängelt werden, hat es schon lange gegeben, bevor ein erster Privatsender in Deutschland an den Start ging. Die Privatisierung der öffentlich-rechtlichen Produktionsmethoden, die schleichende Boulevardisierung des Hauptprogramms, die Verschiebung anspruchsvoller Sendungen auf die hinteren Plätze des Programmschemas zugunsten eines reinen Unterhaltungsprogramms: Das alles sind Maßnahmen, die schon in den 70er Jahren abgeschlossen waren. Sehr schön ist das in einem älteren Spiegel-Artikel aus dem Jahr 1980 nachzulesen.

Auch die Frage nach der Verblödung durch das Fernsehen sollte endlich einmal kontrovers diskutiert werden. Wer belegt eigentlich, dass der Zuschauer nur durch den Konsum blöder Sendungen selbst blöde wird? Was bedeutet das eigentlich: „Verblöden“? Schrumpfendes Gehirnvolumen, abnehmende Synapsenzahl, Rückgang logischer oder mathematischer Fähigkeiten, sinkende Ergebnisse bei Intelligenztests? Ich halte das alles für sehr unwahrscheinlich.  Und auch Jessens intrikater Vorwurf, nur die „Ungebildeten“ würden sich das seichte Programm des Fernsehens ansehen, während die „Bildungsbürger“ nach Theateraufzeichnungen und Kulturfernsehen lechzen, ist weder statistisch, noch mit meiner eigenen privaten Erfahrung in Deckung zu bringen. Ich kenne genug sehr gebildete Leute, die sich im Fernsehen unwahrscheinlich seichte Sachen ansehen, promovierte GZSZ-Fans, Ingenieure mit Trash-Neigungen. Why not?

Andere Bemerkungen Jessens sind durchaus erhellend. Insbesondere diese hat mir gut gefallen:

Vulgär ist eine Volksmusikshow, in der die Volksmusik nicht Volksmusik bleiben darf, sondern zu Schlagern werden muss, mit Sängern, die zu Stars werden, also gerade nicht mehr Volk sind.

Und auch Jessens Hinweis, wie in Nachrichtensendungen Sachprobleme personalisiert werden, ist bedenkenswert. Letztlich krankt seine Darstellung aber an der fehlenden Konkretion. Dass Jessen praktisch kein einziges Beispiel für seine Urteile hat, könnte sie auch als Vor-Urteile demaskieren. Vorurteile sind zwar, laut Gadamer, fürs Weltverständnis unerlässlich. Aber deswegen sind sie noch nicht mitteilenswert.

Öffentlich-Rechtliche Sender: Vom Volk bezahlte Verblödung | Gesellschaft | ZEIT ONLINE

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“No Email Day” bei Intel

10 Aug

Ausgerechnet der größte Computerchip-Hersteller der Welt, die Fa. Intel, hat sich schon vor einiger Zeit dazu durchgerungen, einen Arbeitstag in der Woche als komplett Email-frei zu deklarieren: Freitags ist seitdem „No Email Day“ beim Chiphersteller. Das Problem, das mit dieser ungewöhnlichen Maßnahme gelöst werden soll, ist vom Intel-Geschäftsführer Paul Otellini  in einem Interview mit der Financial Times dargestellt worden. Er kritisierte

“the fact that engineers two cubicles apart send an e-mail rather than get up and talk. The whole nature of sitting down and hashing out ideas and collaborating is a bit stymied by the construct of the cubicles”.

(… den Umstand, dass zwei Ingenieure, die nur zwei Arbeitszellen auseinander sitzen, sich eher eine Email schreiben, als aufzustehen und miteinander zu reden. Das ganze Wesen der Kreativität und der Zusammenarbeit ist ein bisschen aufgeweicht worden durch diese Arbeitszellen).

Die Lösung sieht laut Intel so aus:

In our new pilot, we encourage the members of an organic group to focus each Friday on direct conversation – face to face or by telephone – for interpersonal communication within the group.

(In unserem Pilotversuch ermutigen wir die Mitglieder einer Arbeitsgruppe, jeden Freitag auf direkte Konversation zu setzen, entweder von Angesicht zu Angesicht oder per Telefon, um innerhalb der Gruppe miteinander ins Gespräch zu kommen)

Auch freitags dürfen bei Intel übrigens weiterhin Emails geschrieben und auch gelesen werden, nur nicht in der eigenen Arbeitsgruppe oder mit Kollegen in Rufweite.

IT@Intel · “Quiet Time” on track – “No Email Day” is next!

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Kölner Stadt-Anzeiger stolpert über Theo Albrechts Mercedes

06 Aug

Ein Mercedes steht zum Verkauf: Es ist die Limousine des kürzlich verstorbenen Aldi-Gründers Theo Albrecht. Der Verstorbene muss panische Angst vor einer neuerlichen Entführung gehabt haben, nachdem er 1971 ganze sechszehn Tage lang in der Hand von Kidnappern war. Das Fahrzeug bietet Sicherheitsstandards der Präsidentenklasse. Der Fahrbericht im Kölner Stadtanzeiger liest sich indes so:

Trotz seiner 3,5 Tonnen ist die gepanzerte Limousine mit ihrem 4,2-Liter-Motor mit 278 PS fast eine lahme Ente.

Müsste es nicht eigentlich heißen: „Trotz ihrem 4,2 Liter-Motor mit 278 PS ist die gepanzerte Limousine mit ihren 3,5 Tonnen eine lahme Ente“? Naja, bei so viel Zahlen kann man schon mal durcheinander kommen.

Theo Albrechts Mercedes wird verkauft – Kölner Stadt-Anzeiger

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Wir bizarr ist die Welt? Manipulation der Medien

04 Aug

Eine private Internetseite, die wie Die_Welt_ist_bizarr ein krudes Panoptikum aus Verschwörungstheorie, moderner Physik und Medienkritik sammelsurisiert, ist vermutlich genau das, was allgemein unter einer privaten Website verstanden wird und womöglich wirklich einen guten Teil des Internets ausmacht. Und auch der unter dem Stichwort “Manipulation der Medien” dargebotene Artikel eines Dr. Tim O’Shea ist an Kruditäten nicht arm, die ihn für besagte Website passend machen. Aber innerhalb dieses Artikels gibt es doch eine sehr schöne Stelle, an der der Autor Reflexionen über die beschädigte Intelligenz im Medienzeitalter einstreut.

Die Skalen der "SAT" (Scholastic Aptitude Tests, die Aussagen über die allgemeinen schulischen Leistungen aller Schüler ermöglichen sollen) würden, so O’Shea, willkürlich immer weiter herabgesetzt, um zu vertuschen, wie dumm und dümmer Kinder von Jahr zu Jahr würden. Als bestätigendes Experiment schlägt der Autor vor, einem beliebigen Abschlussstudenten ein Buch von Dumas oder Jane Austen zu reichen und ihn zu bitten, von einer zufällig aufgeschlagenen Seite nur einen Absatz laut vorzulesen. Das radebrechende Ergebnis erklärt O’Shea mit dem intellektuellen Niveau der Medienerzeugnisse, das in auffälliger Weise mit demjenigen ihrer Nutzer korreliere:

Beobachten sie die Entwicklung des intellektuellen Niveaus des durchschnittlichen Kinofilms (der dieser Tage nur mehr ein bis zwei Wochen im Kino zu sehen ist, vor allem wenn er nicht ausreichend Explosionen, Verfolgungsjagden, Silikon, angeblichen Kampfsport und schwachsinnige Dialoge hat).
Radio? Bedenken Sie die geringe geistige Qualifikation der gekünstelt bewegten üblichen Affen, die als DJ`s eingestellt werden – es wirkt, als ob man ihnen nur 50 verschiedene Gedanken erlaubt habe, die sie einfach zufällig wiederholen.
Und zu welchem Zeitpunkt ließ die Popmusik von der Anforderung des Studiums eines Musikinstruments oder der Theorie an sich ab, von Lyrik ganz zu schweigen? Vielleicht verstehen wir bloß diese aufkommende Form von Kunst nicht, oder? "Darwinismus" ä la MTV: der Affe stammt vom Menschen ab.
Ist Ihnen je aufgefallen, dass alle Hochglanzmagazine wirken, als ob sie vom selben Typen geschrieben seien?
Und als ob dieser Schreiber gerade die Grundschule hinter sich gebracht habe? Und doch hat der Kerl all die korrekten Meinungen über soziale Angelegenheiten wiedergegeben. Keine originellen Ideen zwar, dafür aber jene flache, selbstgefällige und homogenisierte Allwissenheit, uns zu versichern, dass alles in Ordnung ist. Ja, alles ist in Ordnung.

die.welt-ist.biz/arr – Manipulation der Medien

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Constanze Rick: Die Dame mit Unterleib

03 Aug

Foto: VOX/Bernd-Michael Maurer/glamtouch Damen ohne Unterleib waren eine Zeitlang in Zirkusshows eine Volksbelustigung, wobei zu fragen wäre, ob eine Dame, die des Unterleibs und damit wesentlicher Geschlechtsmerkmale entbehrt, überhaupt als Dame bezeichnet werden darf. Constanze Rick ist selbsterklärtermaßen Fernsehmoderatorin. Einen Unterleib hat sie, aber obenrum scheint etwas zu fehlen.

Charmant und augenzwinkernd berichtet Constanze Rick über die Neuigkeiten der Promi-Welt immer montags bis freitags sowie sonntags bei VOX.

Sie muss auch einen Unterleib haben, wie sollte sie sonst in der Sendung „prominent!“ über all die Unterleibs- und Magensthemen berichten, die ihr offensichtlich so wenig Unterleibsschmerzen machen? Aber oben! Was ist oben mit ihr los? Die Frau ist eine Moderatorin, die nicht moderiert. Denn sprechen, ja sprechen darf Constanze Rick nicht, wie auch Medienblogger Stefan Niggemeier schon vor Zeiten festgestellt hat:

Hätte Miss Piggy eine Rubrik gehabt, in der sie von ihren Begegnungen mit den anderen Reichen und Schönen berichtete, sie hätte sie genau so inszeniert: Sie hätte sich auf dem Designersofa genau so affektiert die Haare hinter die Ohren geklemmt, wichtig telefoniert, sinnierend die Hand an den Mund gelegt, beinahe etwas ins Laptop getippt, aber dann doch wieder zum Handy gegriffen.

Aber das hier ist nicht Miss Piggy, sondern Constanze Rick, langjährige Reporterin des RTL-Starmagazins „Exclusiv”, und die meint das ernst mit den affigen Posen einer „TV-Kolumnistin”.

Constanze Rick darf nicht sprechen. Zwar wird behauptet, die Off-Kommentare der beispiellos hirnverbrannten Einspielfilme würden von Frau Rick selbst kommentiert. Zumeist handelt es sich allerdings um Zweit- und Dritt-Verwertungen der RTL-Schwestersendung „Exklusiv“, bei der Frau Rick einst als Praktikantin ihre stummes Staunen erregende Karriere begonnen hat. Aber warum darf die Rick dann nie die Lippen bewegen? Und wie soll so wenig Inhalt mit so vielen Worten aus nur einem wohlfrisierten Kopf kommen? Die Hermeneutiker unter den Fernsehkritikern, hier insbesondere der Webdienst Cineastentreff.de, messen ihr zwar beinahe literarischen Rang zu:

Das Konzept der Sendung erscheint originell: Rick wird meist aus einer Alltagssituation heraus (etwa: „Beim Friseur in der Gala blätternd“) das Promi-Geschehen kommentieren. Und das geradezu „literarisch“ – aus dem Off heraus in einer Art Tagebuchform.

Aber mal ehrlich: Was die Ricks dieser Welt da produzieren, ist nicht originell und nicht Boulevardliteratur, sondern Unterleibsprosa. Und wenn Frau Ricks Unterleib besondere Fähigkeiten hat, dann die, bauchzureden, wie auch im FAZ-Fernsehblog festgestellt wurde:

Seit über drei Jahren sitzt die Promi- und Klatschexpertin Constanze Rick im Vox-Magazin „Prominent!“ herum und tippt irgendetwas in ihren Mac bevor sie aus dem Off den nächsten Beitrag ankündigt, ohne im Bild die Lippen zu bewegen, was sehr irritierend sein kann.

Für Vox-Chef Frank Hoffmann  ist Ricks erstaunliches Schweigen Ausdruck ihrer Distanz zu den eigenen Themen, die er einst als Anspruch formulierte: „Wir wollen über den Boulevard berichten, ohne ihn selbst zu betreten.“ Aber wie soll das gehen? Das wäre wie Waschen ohne Wasser. Oder wie Autofahren ohne Straße: So was kann man machen, nämlich in einer Verkehrssimulation. Und vielleicht ist Ricks „prominent!“ ja einfach eine Journalistensimulation und Constanze Rick so virtuell wie ein Avatar in „Real Life“.

Aber auch, wenn Frau Rick (was womöglich begrüßenswert ist) nicht reden darf, zu Wort meldet sie sich schon: Nämlich auf ihrer Facebook-Seite. Und hier spricht sie frank und frei aus, wozu all die Stars- und Sternchen-Formate in Fernsehen und Printmedien dienen: Zur Vermarktung nämlich. Da wirbt Frau Rick ungeschminkt für ihren Nagellack („Uslu Airlines“) oder ihren schicken Schal („Faliero Sarti“). Da hat Frau Rick ja noch ganz andere Perspektiven, gerade was den Unterleib angeht …

Constanze Rick | Facebook

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Anti-Medien-Blog

Die journalistische Notfallpraxis im Web von Hektor Haarkötter