Kalter Kaffee beim Kölner Stadt-Anzeiger

25 Mai

Espressomaschine Dass von Journalisten man nichts geschenkt bekommt, außer man vergilt es ihnen durch eine Gegenleistung, ist eine so altbekannte Regel, dass es nicht anders sein kann, als dass sie auch für den Kölner Stadtanzeiger gelte. Der nämlich lässt durch seine Reporterin Susanne Hengesbach Kaffee an unschuldige Passanten verteilen, nur um an eine Story zu kommen:

Wie reagieren Menschen – was erzählen sie, wenn man sie auf der Straße anspricht und zum Kaffee einlädt?

Ja, was erzählen sie denn? Und vor allem: Was trinken sie denn? Die Einladung zu einem Kaffee, gerade in deutschen Großstädten, birgt so viele Fallstricke gerade auch sprachlicher Art, dass es an ein Wunder grenzte, wenn nicht ausgerechnet der Kölner Stadtanzeiger auch hinein tappen würde. Und siehe da:

Nachdem er seine Latte Macchiato bestellt hat, erzählt er mir, dass er momentan mit der Planung eines Studios beschäftigt ist.

Darauf sollte man doch als Reporterin gefasst sein: Die Leute lassen sich eben nicht mehr Filterkaffee in Kännchen servieren, sondern diesen ganzen neumodischen Kram — con letsche, Café Olé oder eben auch die berüchtigte Latte. So viel Recherche sollte darum einer Reporterin zuzutrauen sein, dass es korrekterweise „der Latte“ zu heißen habe. Denn dass im Italienischen die Milch („latte“) männlich konju- oder dekliniert wird, wäre, wenn es noch eines Beweises bedürfte, auch aus dem Adjektiv „macchiato“ mit seinem End-„o“ zu schließen, müsste eine weibliche Latte doch“macchiata“ sein, was auch Stadtanzeiger-Redakteurinnen mit rudimentären Latein-Kenntnissen sich zusammenreimen könnten, sofern das Erlernen kultivierter Sprachen noch zum Portfolio von Stadtanzeiger-Redakteuren gehörte. Sollte es sich, wie man allfällig mutmaßen könnte, um eine der berühmten Freud’schen Fehlleistungen handeln, die Leute bei der italienischen Kaffee-Spezialität an nichts als eine gute deutsche „Latte“ denken lässt, ist der Lapsus nicht kleiner, denn gerade diese, die Latte, sollte doch eigentlich männlichen Geschlechts sein, was ganz nebenbei die feministische Linguistik in große Schwulitäten bringt. Aber lassen wir fürderhin diese Quisquilien und beschäftigen wir uns weiter mit dem genannten Artikel im Kölner Stadtanzeiger. Was darin steht, hat ein eifriger Kommentator im Internet-Angebot des Kölner Stadtanzeigers sehr schön auf den Punkt gebracht und bedarf keiner Ergänzung:

24.05.2010 | 22.10 Uhr | RainerHohn
Das liest sich so flüssig und spannend wie der Aufsatz einer Fünftklässlerin zum Thema: „Was ich in den Sommerferien erlebt habe“.

Großvater Schulz lebt jetzt zufrieden – Kölner Stadt-Anzeiger

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2 Responses

  1. Axel Busch sagt:

    @ hektor
    Allein beim ersten Satz bekäme jeder Dozent einer Journalistenschule einen Schreianfall: dass … dass … dass; und bei „This entry was posted on Dienstag, Mai 25th, 2010“ bekomme ich fast einen. Die Kausalität in diesem ersten Satz ist sowieso falsch; es verhällt sich gerade andersherum.
    Egal.
    Wer sein Handwerkszeug nicht beherrscht, sollte noch kleinere Brötchen backen:
    – hineintappen schreibt man zusammen
    – der Duden erlaubt „der Latte macchiato“ und „die Latte macchiato“
    – ganz schmerzhaft: auch im Italienischen werden Nomen („latte“) dekliniert, nicht konjugiert

    Übrigens spricht Frau Hengesbach perfekt Italienisch, sie war mit einem Italiener verheiratet und hat einige Zeit in Italien gelebt.
    Also: Deutsch lernen, schreiben lernen, recherchieren lernen und danach erst weiterblödeln.

    • hektor sagt:

      Lieber Axel Busch, danke für Ihre warmen, wenn nicht heißen Worte. Was der Duden nicht so alles erlaubt! Neuerdings darf man ja auch „im nachhinein“ groß schreiben und statt „stories“ auch „storys“ schreiben. Freut mich, dass Frau H. so gut italienisch kann, dann darf sie auch eine Latte haben. Mit dem Konju- versus Dekli-nieren haben Sie recht. Dafür nehme ich den Preis Sprachpanscher des Jahres gerne entgegen. Aber ich gelobe Besserung. Den ersten Satz finde ich nach wie vor ganz niedlich. Was sagt denn der Duden dazu, wieviele „dasse“ man statthafterweise in einem Satz unterbringen darf? Das(s) ist ja das Schöne am Bloggen: Jeder darf sich selbst so lächerlich machen, wie er möchte. Und was Satire ist, das überlassen wir doch bittschön der Beurteilung durch die Bundeskanzlerin. Nix für ungut, Ihr H.H.

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