Aufruf zum Rassenhass ist in Deutschland strafbewehrt. Wie aber steht es eigentlich mit Aufwiegelung zum Klassenhass? Darunter versteht der „Duden“ den „Hass verschiedener sozialer Klassen gegeneinander“. Und irgendwie so etwas scheint die Münchener Redaktion der Bildzeitung im Sinne zu haben. Anders ist kaum zu erklären, wie prominent auf Seite 3 der gestrigen Ausgabe der Artikel unter der Uberschrift „Die miesen Maschen der Bettler in München“ mit nichtbelegten Behauptungen, haltlosen Verdächtigungen und unverhohlenem Ressentiment auf die Ärmsten der Armen eindrischt. Da heißt es zum Beispiel:
„So unverschämt versuchen organisierte Banden, den Münchnern das Geld aus der Tasche zu ziehen!“
Zu sehen ist auf den großformatigen Fotos der Bildzeitung aber nur das altbekannte Bild von einsam daknieenden und -sitzenden Leuten mit Pappbechern in Händen — ein mehr als schwacher Beleg für die gewagte Formulierung „aus der Tasche zu ziehen“, die einen sehr viel aktiveren Vorgang beschreibt und einen unwillkürlich an so etwas wie „Taschendiebstahl“ denken lässt. Ähnlich tendenziös geht der Beitrag weiter:
„Vorsicht vor den kriminellen Hausierern“: Was an den Bettlern „kriminell“ sein soll, dafür bleibt die Bildzeitung ebenfalls jeden Beleg schuldig. Zumal noch zu klären, ob die im Bild-Text erwähnten „Hausierer“ die gleichen Personen sein sollen wie die Bettler, denn Hausierer und Bettler sind schon zwei sehr unterschiedliche Dinge. Andere Menschen um Geld zu bitten verwehrt sich zwar einer kapitalistischen Verwertungslogik,derzufolge es nur Geld nur gegen Arbeit oder eine andere Gegenleistung gibt, es ist deswegen aber noch nicht verboten oder gar strafbar. Auch die Formulierung, die Bettler trieben „ihr Unwesen“, ist is wohl in der Wortwahl deutlich daneben gegriffen, denn unter einem „Unwesen“ stellt man sich doch explizitere kriminelle Aktivitäten vor als das ärmliche Dahinkauern der Almosenempfänger. Wer nun als Leser meint, nach dem Satz „Das sind die Maschen der Profi-Schnorrer“ würden Belege für die dick aufgetragenen Anschuldigungen kommen, sieht sich überrascht. Denn woraus bestehen die offenbar „kriminellen“ „Maschen“ der Bettler?
„Sie sprechen selten deutsch“.
Mangelnde Deutschkenntnisse sind zwar unter dem Bildungsaspekt ganz klar ein Malus, aber eben kein Verbrechen. Wären sie ein Verbrechen, könnte der Vorwurf im übrigen schnell auf den Autor dieses Beitrags zurückfallen. Welche „Masche“ wird als nächstes angeführt?
„Sie weisen Behinderungen oder Verstümmelungen auf oder täuschen diese vor“.
Auch Behinderungen sind in Deutschland bis dato noch nicht strafbar. Eine Behinderung vorzutäuschen, unter der man in Wahrheit gar nicht leidet, ist vielleicht eine gute schauspielerische Leistung, bringt einen so alleine für sich gesehen auch noch nicht mit dem Strafgesetzbuch in Konflikt. Und die Abbildungen in „Bild“ sprechen erneut eine andere Sprache: Denn der abgebildete Mann mit Beinprothese wird diesen Zustand wohl kaum spielen. Gezeigt werden noch einige andere Personen, jeweils vollständig identifizierbar Schließlich wird als „Beleg“ für die vermuteten kriminellen Machenschaften der Bettler erwähnt:
„Sie sind sehr aggressiv und aufdringlich, bedrängen ihre Opfer“.
Hier könnte das Strafgesetzbuch tatsächlich mal einschlägig sein, wenn nämlich die Aufdringlichkeit so weit ginge, dass der Tatbestand einer Nötigung vorläge. Aber das ist natürlich erstmal nur eine Behauptung, für die der Bildzeitungs-Autor wiederum jeden Beweis vermissen lässt. Die Wortwahl „Opfer“ für gutsituierte Münchner, die beim Shopping in der Fußgängerzone um 50 Cent oder einen Euro angehauen werden, deutet wiederum darauf hin, dass hier eine Personengruppe pauschal kriminalisiert werden soll.
Die Bildzeitung reiht also in dem Artikel über Bettler eine große Zahl äußerst pejorativer Begriffe aneinander, ohne irgend einen Beleg für die sehr weitgehenden Behauptungen zu liefern. Ein Armutszeugnis!