Archive for Juni 12th, 2013

Griechenland: Erster öffentlich-rechtlicher Rundfunk wird geschlossen


12 Jun
Letzte Zuckungen des öffentlich-rechtlichen Rundfunks (Screenshot)

Letzte Zuckungen des öffentlich-rechtlichen Rundfunks (Screenshot)

Auch im EU-Staat Griechenland gab es einen öffentlich-rechtlichen Rundfunksender, der mit Gebühren finanziert war. Gab. Denn die griechische Regierung hat beschlossen, diese Rundfunkanstalt abzuschaffen, und sie hat auch sogleich Nägel mit Köpfen gemacht: Um 0:00 Uhr ließ sie Sendebetrieb des ERT (Ellenike Radiophonia Kai Teleorasi) einstellen, Polizei soll vor verschiedenen ERT-Gebäuden in Stellung gegangen sein, um Unruhen zu verhindern.

Ein in der europäischen Rundfunkgeschichte einmaliger Vorgang. Selbst zu Zeiten der griechischen Militärdiktatur Anfang der 1970er Jahre sendete der öffentliche Rundfunk weiter, wenn auch mit zweifelhaftem Programm, wie der Branchendienst DWDL kommentiert.

Regierungssprecher Simos Kedikoglou begründete die Abschaltung mit der „unglaublichen Verschwendung“ des Staatsrundfunks. Dabei hat der Sender einen relativ bescheidenen Etat von 300 Millionen Euro und schätzungsweise 2500 bis 2900 MitarbeiterInnen. Zum Vergleich: Der Westdeutsche Rundfunk Köln hat einen Etat von 1,7 Milliarden Euro sowie ca. 4.900 feste und 20.000 freie Mitarbeiter.

Mogens Blicher-Bjerregård, Präsident der European Federation of Journalist – des größten europäischen Journalistenverbands, sagt zur ERT-Schließung:

„Diese Pläne sind einfach absurd. Es wird ein schwerer Schlag für die Demokratie, den Pluralismus in den Medien und den Journalismus als öffentliches Gut in Griechenland sein, und damit den Bürgern ihres Rechts auf ehrliche, besonnene und unvoreingenommene Informationen berauben. Aber es bedeutet auch den Verlust von vielen Arbeitsplätze für Journalisten im ganzen Land“.

Aus Solidaritätsgründen hat auch der private Rundfunk in Griechenland gestern Abend für einige Stunden das Programm eingestellt. Der spanische Rundfunk hat ebenfalls zu Solidaritätszwecken einen eigenen Kanal zur griechischen Rundfunkkrise im Internet gestartet.

Die griechische Regierung will unter neuen Vorzeichen eine neue Rundfunkanstalt gründen, mit deutlich weniger Mitarbeiterinnen. Hierzu gibt es aber noch keine detaillierten Pläne. Hintergrund der Rundfunkschließung ist die Eurokrise in dem südeuropäischen Land. Die griechische Regierung hat sich vorgenommen, in diesem Jahr 4.000 Staatsbedienstete zu entlassen. Bis Ende 2014 sollen weitere 14.000 gehen.

Küppersbusch im „Tagesschaum“: Mehr Schaum als Traum


12 Jun

kueppersbusch tagesschaumDie Besenkammer der Produktionsfirma probono, deren Eigentümer Friedrich Küppersbusch ist, musste als Aufnahmestudio reichen für die mit viel Vorschusslorbeeren ausgestattete erste Ausstrahlung der WDR-Sendung „Tagesschaum“. Produzent und Moderator: Friedrich Küppersbusch. Eine nackte Neonröhre, eine nackte Wand, die lediglich mit ein paar Spickzetteln dürftig bekleidet ist, und ein „Sozialkundelehrer ohne Haare“, wie sich Küppersbusch selber nennt, müssen als Ausstattung reichen. Mehr Understatement geht nicht. Dass auch die Sportsendung „Zeiglers wunderbare Welt des Fußballs“ in ähnlichem Outfit daherkommt, lässt den „Tagesschaum“ nicht gerade sehr innovativ aussehen.

Und, wie war’s? Ging so. Zehn Minuten Monolog des merkwürdig heiseren Küppersbusch waren weniger als das, was selbst seine Fans erwartet haben dürften. Statt Einspielfilmen, einst die große Stärke des Küppersbusch-Formats „ZAK“, gab es Slideshows und Bilderstrecken, die ebenfalls ausschließlich vom Moderator aus dem Off besprochen wurden. Rubriken (z.B. „irgendwas mit Hitler“) wurden stereotyp mit der Redewendung „worauf Sie schon lange gewartet haben“ angekündigt, nur um zu merken, dass man nicht wirklich darauf gewartet hat. Was bleibt, war eine in Teilen kabarettistisch angehauchte journalistische Rede auf mittlerem Wortspielniveau. Auch das reicht, um Küppersbuschs „Tagesschaum“ im Einerlei des deutschen Fernsehens zum einem herausragenden Beispiel des Politjournalismus zu machen. Das sagt allerdings mehr über den Politjournalismus und das deutsche Fernsehen als über die Qualitäten dieser Sendung. Küppersbuschs größte Stärke konnte er aufgrund der Beschränkungen dieses Formats gar nicht ausspielen: Seine kongenialen Interviews. Bis zur Bundestagswahl im September will der WDR den „Tagesschaum“ weiter ausstrahlen. Es steht zu wünschen, dass man dem einsamen Moderator noch Gäste ins Studio geschafft werden, an denen er sich reiben und abarbeiten kann. Dann könnte diese Sendung wirklich ein Erfolg werden. Und noch ein letzter Tipp: Friedrich, trink‘ ein Glas heißen Tee vor der Aufzeichnung!

Anti-Medien-Blog

Die journalistische Notfallpraxis im Web von Hektor Haarkötter