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Spiegel: Schwindel an der Zentrifuge


29 Dez

Unter der Überschrift „Schwindel am Schmelzofen“ veröffentlichte das Nachrichtenmagazin Der Spiegel (47/2011) einen Artikel darüber, dass die berühmte „säugende Wölfin“, Wahrzeichen der Stadt Rom und eines der Prunkstücke der kapitolinischen Museen, nicht das 2.500 Jahre alte Werk eines etruskischen Bildhauers, sondern eine Imitation aus dem Mittelalter sein soll:

Doch nun zeigt sich: Das rund drei Zentner schwere Metall ist ein Imitat. Bereits im Jahr 2006 – nach einer umfassenden Restaurierung der Skulptur – hatte die italienische Kunstgeschichtlerin Anna Maria Carruba diesen Verdacht geäußert. Eine Prüfung des Archäologen Edilberto Formigli, der sich unter andereme auf eine C-14-Datierung stützt, bestätigt das Ergebnis nun: Die Lupa stammt aus dem Mittelalter.

An dem Artikel ist doch einiges verwunderlich: Offensichtlich handelt es sich um eine Geschichte, die selbst schon angegraut ist. Das gibt der Spiegel auch unumwunden zu („bereits im Jahr 2006“). Aktualität suggeriert er dadurch, dass es scheinbar neue Forschungsergebnisse gibt („… nun zeigt sich …“).  Was der Spiegel allerdings unterschlägt, ist der Umstand, dass auch diese Ergebnisse alles andere als neu sind. So hat die Tageszeitung Die Welt schon im Jahr 2007 darüber berichtet. Auch der Online-Dienst Shortnews und einige andere Quellen haben diese Geschichte schon vor Jahren publiziert.

Noch etwas anderes verwundert aber am Spiegel-Artikel (und übrigens auch am Beitrag in der Welt): Die wissenschaftliche Methode, mit der dieses Forschungsergebnis erzielt worden sein soll, nämlich die sog. C14-Methode. Die Altersbestimmung anhand des Kohlenstoff-Isotops 14 hat der US-amerikanischen Chemiker Willard Libby Anfang der 1950er Jahre entdeckt, was ihm den Nobelpreis einbrachte. Ein kleiner Beitrag auf den Internetseiten der Uni Paderborn beschreibt die Methode sehr gut:

Das radioaktive Datieren basiert darauf, dass einige Holz- oder Pflanzenüberbleibsel Rückstände von Kohlenstoff 14, einem radioaktiven Isotop des Kohlenstoffs, aufweisen. Dieses Isotop wird von der Pflanze während ihres Lebens gespeichert und beginnt mit ihrem Absterben zu zerfallen. Da die Halbwertszeit von Kohlenstoff 14 sehr groß ist (ungefähr 5568 Jahre), verbleiben messbare Mengen des Kohlenstoff 14 auch noch nach vielen tausend Jahren. Libby zeigte, dass es durch eine geeignete Labormessung möglich ist, den Anteil der verbleibenden Originalmenge des Kohlenstoff 14 akkurat zu bestimmen, selbst dann, wenn nur noch ein winziger Teil der Originalmenge vorhanden ist.

Die Bestimmung funktioniert ausschließlich an organischem Material, denn nur das speichert überhaupt Kohlenstoff. Bei anorganischen Materialien, beispielsweise Metall, funktioniert die Altersbestimmung nach der C14-Methode gerade nicht. Archäologen behelfen sich bei metallischen Funden (z.B. Grabbeigaben) damit, gleichzeitig aufgespürte organische Überbleibsel zu bestimmen und auf die metallischen Fundstücke rückzuschließen. Das funktioniert aber natürlich nicht immer einwandfrei.

Wie soll nun die C14-Methode auf die kapitolinische Wölfin angewandt worden sein? Sollte die Wissenschaft hier tatsächlich eine Weiterentwicklung der Methodik gelungen sein, um auch Metalle altersmäßig zu bestimmen, wäre das für die Archäologie ein echter Durchbruch und darum auch für Journalisten eine große Geschichte wert. Doch genau darüber schweigen sich die Autoren aus. So wird mit Halbwissen eine Halbgeschichte präsentiert, die nicht Hand und nicht Fuß hat. Auf dass Romulus und Remus noch ein paar Jahrhunderte weiter säugen dürfen!

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