Copy&paste ist ja die neue Geißel der urheberrechtsschützenden Menschheit: Ob Doktorarbeiten oder Star-Interviews, ob „TV Total“ oder politische Parteiprogramme — Schreiben heißt heute Abschreiben. Eine eigene Spielart der copy&paste-Kultur entwickelt gerade die Wochenzeitung „Die Zeit“ (Nr.39/2012). Der Unlust, für sein Redakteursgehalt noch selbst die Feder zu schwingen, kommt man, zumal im Feuilleton dieses Blattes, mit einer phantasievollen Maßnahme entgegen:
Statt Bücher zu rezensieren oder zu kommentieren, hat man ein probates Mittel gefunden, die nachlassende Freude an der kritischen Auseinandersetzung, redaktionelle Sparmaßnahmen und ein gewisses Entgegenkommen gegenüber den Anzeigenkunden (und das sind in einem Feuilleton nun einmal Verlagshäuser) in Einklang zu bringen: Man druckt einfach Buchtexte nach, statt sie journalistisch zu würdigen. Das ist, wenn man so will, „Abschreiben 2.0“ (auch wenn diese ganzen „2.0“-Redeweisen ziemlich fade sind, also wiederum eigentlich recht gut zur genannten Wochenzeitung passen). Und bei diesem wortgetreuen Nachdruck belässt man es auch nicht wie weiland bei Vorabdrucken von Romanen bei einigen Zeilen oder ein paar kurzen Spalten „unterm Strich“. Nein, eine ganze große „Zeit“-Seite wird da dem Druckwerk aus dem S. Fischer-Verlag spendiert. Die Autorin des Buches, Nina Pauer, ist übrigens regelmäßige „Zeit“-Autorin, aber das macht die Sache nicht besser, sondern eigentlich noch schlimmer: Es lässt sich des Eindrucks nicht erwehren, dass hier die Publikation einer Mitarbeiterin promotet werden soll. Aber dann hätte man ehrlicherweise (und auch nach den juristischen Maßgaben des Medienrechts) diese Seite als „Werbung“ deklarieren sollen und müssen.
Schafft zwei, drei, viele Schleichwerbungen
Ist dies schon Tollheit, so hat es doch, nach William Shakespeare, Methode. Denn die „Zeit“ belässt es nicht bei dieser einen abgepausten Blaupause postmoderner Schleichwerberei. Im gleichen Zeitungsteil ausgerechnet unter der Rubrik „Glauben & Zweifeln“ wird wieder „Copy&paste“ betrieben:
„Gott ist wild und seltsam“ ist der, wiederum ganzseitige, Beitrag überschrieben, der ebenfalls wörtlich einer Buchpublikation der Autorin Esther Maria Magnis entnommen ist, die im Rowohlt Verlag erschienen ist. Wild und seltsam ist auch die Publikationspraxis der „Zeit“, an die man nicht mehr glauben kann, sondern verzweifeln muss. Vielleicht kehrt die „Zeit“ ja irgendwann vom Abschreiben wieder zum Schreiben zurück, aber das geschieht vermutlich erst nach der bevorstehenden Buchmesse — denn da gibt es einfach noch zu viele Verlagsinteressen zu befriedigen.