Sterbende Medien: „News of the world“ sind von gestern

08 Jul

Große Buchstaben: News of the world

Das Murdoch-Blatt „News of the world“ wird künftig keine Neuigkeiten mehr verbreiten. Der sonntägliche Ableger des Boulevard-Blatts „Sun“ wird an diesem Wochenende seine letzte reguläre Ausgabe vertreiben. Gestolpert ist das die Zeitung nach 170 Jahren über einen Abhörskandal, dessen Ausmaße vermutlich noch nicht en detaille bekannt sind, der aber so viel schon verrät: Es muss, jedenfalls in Großbritannien, einen journalistisch-militärischen Komplex geben, bei dem auch der geheime Zugang zu Informationen wie zum Beispiel Handyverbindungen für riesige Medienkonzerne á la Murdoch kein Geheimnis bleiben. Wie die Financial Times Deutschland unter der Überschrift „Schock of the world“ mutmaßt, ist der Abhörskandal aber nur Auslöser und nicht der wahre Grund für die Einstellung des Blattes:

Am geringsten wog dabei der Verlust an Lesern und an Anzeigenkunden. Sie hatten es noch hingenommen, dass die Zeitung Mitglieder der Königsfamilie abgehört hatte. Doch dass nun auch das Handy einer entführten und später tot aufgefundenen Teenagerin ausspioniert wurde, ihre Angehörigen belogen und Beweise vernichtet wurden, war zu viel. Aber einen Einbruch des Umsatzes hätte der globale Medienkonzern verkraftet.
Gravierender ist wohl für Firmenpatriarch Rupert Murdoch gewesen, dass sein Big Deal, nämlich der Erwerb der Mehrheit am Pay-TV-Verbund BSkyB, politisch in Frage gestellt worden wäre, wenn er auf die enorme öffentliche Reaktion nicht mit drastischen Maßnahmen geantwortet hätte. Die FTD sieht übrigens noch einen Phasenunterschied zwischen britischer und deutscher Boulevardpresse und legt darum nahe, dass ein ähnlicher JOurnalismus-GAU in Deutschland nicht möglich wäre:
Der drastische Schritt geht aber auch weit über Murdochs Imperium hinaus. Er ist ein Eingeständnis, dass die kriminellen Recherchemethoden nicht länger als Fehltaten Einzelner abgetan werden können. Britische Boulevardjournalisten biegen – weit mehr noch als deutsche – die Wahrheit, plagiieren Mitbewerber und brechen Gesetze, um eine verkaufsträchtige Geschichte zu erhalten. Statt jedoch solches Fehlverhalten zu verurteilen, haben ihre Chefs die Reporter auch noch öffentlich verteidigt und sie so bestärkt – und sei es mit dem Argument, die Konkurrenz täte es doch auch.
Das allerdings wäre noch zu beweisen. Und gäbe es einen solchen militärisch-journalistischen Komplex in Deutschland, könnte es auch sein, dass deutsche Medienkonzerne einfach geschickter die Öffentlichkeit hintergehen.
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Die journalistische Notfallpraxis im Web von Hektor Haarkötter