Riesen-Busen steht gutem Journalismus im Weg

14 Jul

Der Busen ist, neben dem Penis, das beliebteste Körperteil desjenigen Journalismus, dessen Hauptaugenmerk auf der Herabsenkung journalistischer Qualitätsmaßstäbe unter die Gürtellinie liegt. Es verwundert darum nicht, welche Geschichte uns die Münchner „tz“ da oberweit auftischen will:

Das internationale rumänische Nachrichtenportal romaniantimes.at berichtet, dass ihr großer Busen eine  Frau erst kürzlich vor dem Ertrinken bewahrte. Die junge Österreicherin war gerade auf dem Heimweg nach einer durchtanzten Nacht in der kroatischen Partylocation Pula. Nachdem sie etwas zu tief ins Glas geschaut hatte, beschloss die 30-Jährige, sich noch einmal abzukühlen. Sie entledigte sich ihres Bikinioberteils und hüpfte ins Meer. An und für sich wäre das ja keine schlechte Idee.

Keine schlechte Idee auch, die fehlende eigene journalistische Kragenweite durch anderer  Leute Oberweite auszudehnen. Aber lesen wir weiter:

 „Erst nachdem ich schon gesprungen war, habe ich bemerkt, dass ich eigentlich viel zu betrunken und müde zum Schwimmen bin. Ich war kaum noch in der Lage Arme und Beine zu bewegen, geschweige denn noch einmal aus dem Wasser herauszukommen.“ Durch einen Geniestreich hielt sie sich über Wasser. Sie drehte sich um und ließ sich bis zum nächsten Morgen von der Auftriebskraft ihrer Brüste die Küste entlang treiben. Tapfer hielt sie durch und wurde von verdutzten Beamten der Küstenwache geborgen. Auch diese gehen fest davon aus, dass ihre großen Brüste die junge Dame gerettet haben.

Oberwasser durch Oberweite? Auch wenn der Artikel — wie in einem Anflug verschärfter redaktioneller Transparenz unumwunden zugegeben wird — komplett aus der Rumanian Times abgeschrieben ist: Selbst Eigenrecherche hätte ihn nicht besser gemacht. Hier wäre eher etwas weniger Schulschwänzen zu Zeiten des Physikunterrichts ratsam gewesen. Denn dass ein Frauenkörper in Wasser nicht untergeht, hat nichts mit den Brüsten zu tun, sondern mit seinem spezifischen Gewicht. Da der Körper zu überwiegendem Teil aus Wasser besteht, aber durch seine Ausdehnung ein geringeres Verhältnis von Gewicht zu Volumen hat (die sog. Wichte), schwimmt er so oder so an der Wasseroberfläche. Im Meerwasser mit seinem hohen Salzanteil geht das sogar noch einfacher. Und Frauen schwimmen eher oben als Männer wegen ihres anteilig höheren Fettanteils. Ein Busen spielt nur in der Phantasie von Boulevardjournalisten, nicht aber in der Physik dabei eine übergeordnete Rolle.

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13 Responses

  1. Anna sagt:

    Und wie praktisch für den rumänischen Boulevardjournalismus ist doch dieser Funfact, dass „Pula“ (der Ort des Geschehens) im Rumänischen „Pimmel“ heißt. Wie lustig ist das denn? *müdekicher*

  2. hANNES wURST sagt:

    Möglicherweise spezielle Schwimmimpantate? Eine Nacht rücklings auf dem Wasser treiben, mit erlahmten Gliedern und hundemüde – dazu braucht man meiner Meinung nach tatsächlich eine Schwimmhilfe, Wichte hin oder her.

  3. VonFernSeher sagt:

    Wenn man dann aber so klug auf dem physikalischen Wissen rumreitet, sollte man auch an das biologische denken: In der Brust ist relativ viel mehr Fett als im Rest des Körpers. (Das ist das Gelbe {7} auf der von Ihnen übrigens nicht gekennzeichneten Abbildung aus der Wikipedia.) Es ist also recht wahrscheinlich, dass eine Frau mit größeren Brüste auch eine geringere durchschnittliche Dichte aufweist. Nicht dass das jemand bei der tz so bedacht haben wird.

    • hektor sagt:

      @vonfernseher.de: Klugheit ist ja ein relativer Begriff, was der tz-Artikel einmal mehr zeigt. Die ganze Brust-Theorie „fußt“ ja wohl auf der Annahme, dass die Dame in „Brust“-Lage im Wasser trieb, sonst hätte das Brust-Volumen (oder die „Wichte“) eh keinen Einfluss auf die Schwimmfähigkeit. Dann aber hätte die Frau die ganze Nacht den Kopf unnatürlich über der Wasseroberfläche halten müssen — was sicherlich anstrengender gewesen wäre, als mit sachten Schwimmbewegungen sich in Rückenlage über Wasser zu halten.
      P.S.: Wenn Sie mit der Maus ebenso sachte über die Abb. fahren, sehen Sie im Popup korrekt „Wikimedia“ angegeben.

      • VonFernSeher sagt:

        Nein, warum? Wenn die Dame durch einen höheren Fettanteil einfach ein besseres spezifisches Gewicht hat, treibt sie – wenn sie denn treibt – etwas höher als die Durchschnittsdame, hat also etwas höhere Chancen, dass sie sich halten kann. Da die Brüste wohl kaum so schwer sind, dass der Schwerpunkt in ihnen läge, geht es sowieso nur auf dem Rücken.
        [Ich kann nicht glauben, dass ich das hier gerade diskutiere.]

  4. Oma Chantal sagt:

    Wichtig ist, dass die Mund- und/oder Nasenöffnung meist über der Wasseroberfläche bleibt. Erscheint mir mit oder ohne Implantat sehr unwahrscheinlich. Ansonsten würden sicher viele Urlauber im Süden die Hotelkosten sparen und einfach immer auf dem Meer treibend schlafen (evtl. zur Sicherheit an einer Seebrücke angeleint, um nicht morgens auf offener See aufzuwachen).

    • hektor sagt:

      @Oma: Sehr wahr. Nur in „Brust“-Schwimmlage würde diese Geschichte überhaupt irgend einen Sinn ergeben. Aber dann hätte die Dame die ganze Nacht den Kopf in den Nacken strecken müssen. Sehr anstrengend, und darum sehr unwahrscheinlich …

  5. Toronto sagt:

    Ich möchte den Menschen erleben, der zu „müde“ und „betrunken“ ist, sich in einer Gefahrensituation in Küstennähe nicht aus dem Wasser zu befreien… Unser Körper ist zu einigem mehr fähig als das, die Geschichte klingt doch eher nach einer kompletten Ente.

  6. Max Wurst sagt:

    Müssten die Brüste denn nicht mit Helium gefüllt sein, damit sie aus dem Wasser ragen und so der Frau das atmen ermöglichen? Ich kenn mich mit so Dingen ja nicht wirklich aus, aber wären es alleine die Brüste gewesen, dann würden die knapp unter der Wasserlinie schwimmen und der Kopf noch ein Stück tiefer – zu tief zum erfolgreichen Luftholen nach meinem Dafürhalten.

  7. Rickyjose sagt:

    @Max Wurst
    Der durchschnittliche Mensch kann ja etwa 1 % des benötigten Sauerstoffs per Hautatmung aufnehmen. In diesem aussergewöhnlichen Fall der Riesenbrüste konnte vermutlich Aufgrund der viel grösseren Hautoberfläche der entsprechende Hautatmungsanteil soweit angehoben werden, dass die glückliche Dame bis zum nächsten Morgen durchhielt. Busenatmung sozusagen.

  8. DummerJan sagt:

    Was hier noch gar nicht erwähnt wurde: Gehen wir von 4 Stunden unbekleidet im Wasser aus (war ja schon spät – resperktive früh – als sie reinsprang), bei einer Wassertemperatur von 25°C (Schwarzes Meer, zur Zeit), so sollte bei akutem Bewegungsmangel („Ich konnte meine Arme und Beine kaum bewegen.“) eine Unterkühlung in Erwägung gezogen werden. Bedenkt man nun, dass bei alkoholisierten Zustand die Hautdurchblutung verstärkt ist, so dass der Körper noch schneller auskühlt, und die ersten ernsteren Folgen von Unterkühlung in Krämpfen der Gliedmaßen bestehen, erstaunt mich die Schwimmfähigkeit der guten Frau doch sehr.
    Geht man von einem längeren Aufenthalt im Meer aus (6 oder gar 8 Stunden), würde die Unterkühlung nur heftiger.
    Oder wurde der mehrtätige anschließende Krankenhausaufenthalt einfach zu erwähnen vergessen? Wer einmal Surfen ohne Neoprenanzug war, weiß, was ich meine….

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