Nachlese 2: Das Lamento des Alfred Neven-Dumont

05 Jan

Und dann war da noch was: In seiner eigenen Zeitung, dem Kölner Stadtanzeiger,  durfte Alfred Neven-Dumont einen Artikel veröffentlichen, in dem er über die angebliche Zeitungskrise jammern durfte und einen beinahe genialen Plan zur Rettung verarmter Verlagshäuser und heruntergekommener Tageszeitungen vorlegte:

Frankreich macht sich darüber hinaus Sorgen und subventioniert für mehrere 100 Millionen Euro Frei-Abonnements insbesondere für junge Menschen und andere Bereiche. Weitere acht Nationen in Europa geben im Jahr bis zu 60 Millionen Euro für Pressesubventionen aus. Es ist zu fordern, dass die deutsche Politik nicht länger abseits steht und zielstrebig ein eigenes Programm auflegt.

Es ist ja nicht so, dass Alfred Neven-Dumont in den letzten Jahren nicht genug Geld verdient hätte. Immerhin so viel, dass er sich durch die Übernahme der Kölnischen Rundschau ein lokales Zeitungsmonopol schaffen konnte, um hinfort durch Übernahme erst der Frankfurter Rundschau und jüngst der Berliner Zeitung nebst diverser Beiboote sich ein bundesweites Presse-Imperium zusammenzuklauben. Wenn so jemand Staatssubventionen fordert, ist absehbar, wo sie landen werden: Im eigenen Geldbeutel, um weiter Acquisitionen zu finanzieren. Kein Wunder, dass der ärgste Feind des Alfred N.-D. das Kartellamt ist:

Aber die Politik hatte sich längst ein Instrument erdacht, das die ungeliebten Tageszeitungen in Grenzen hält: das Kartellamt. Hier wachen entschlossene Juristen, die mit Eifer und geradezu mit Fanatismus den Auftrag der Politik erfüllen und das Wachstum der Verlage in und an ihren Grenzen von vornherein unmöglich machen.

Was Geld doch aus Menschen machen kann! In diesem Fall einen Mann, der jedes Augenmaß verloren hat und seinen (wirtschaftlichen) Eigeninteressen auch seine eigene journalistische Reputation zu opfern bereit ist. Die Idee, eine unabhängige Presse auch durch Staatshilfen zu finanzieren, hat natürlich einen gewissen Charme. Aber dann sollte sie eben auch unabhängig sein. Tagespresse in Bürgerhand, Zeitungen zu Genossenschaften, dann könnte vielleicht ein Pressewesen wieder auflblühen, das (auch) durch eigene Schuld vor die Hunde gekommen ist. Aber Selbstkritik ist die Sache von Alfred Neven-Dumont nicht. Schuld sind immer die anderen:

Die zum Teil dramatische Zeitungskrise in der westlichen Welt (…) wurde hervorgerufen durch die Jugend, die sich der Elektronik zugewandt hat und sich vom gedruckten Wort abwendet.

Das kann natürlich auch am gedruckten Wort selbst liegen …

Nachdem die Anstalten des öffentlichen Rechts gebändigt sind, ist – bis auf gelegentliche Ausrutscher der Wochenzeitungen – nur noch von den Tageszeitungen eine ernsthafte kritische Haltung zu befürchten.

Der Kölner Stadtanzeiger als moralische Instanz, die als einzige noch eine „ernsthafte kritische Haltung“ an den Tag legt? Mit Verlaub, Ihro Gnaden, „kritische Haltung“ ist in Ihren Blättern etwas, weswegen man seine Stelle verliert. Sir, geben Sie Gedankenfreiheit, dann können wir auch wieder über „kritische Haltung“ reden. Ansonsten ist der Kölner Stadtanzeiger eher kritische Masse und der SuperGau, den sie auslösen kann, ist hausgemacht.

Wer erinnert sich noch an die Zeit, wo man sehnsüchtig der Sendung „Panorama“ in der ARD entgegenfieberte, genauso wie dem nächsten „Spiegel“ mit den neuesten Enthüllungen! Tempi passati.

Hat eigentlich jemals irgendein Leser dem Erscheinen einer neuen Ausgabe des Kölner Stadtanzeigers entgegengefiebert? Ich meine mit Ausnahme der Mitglieder der Herausgeberfamilie selbst, die ihre Zeitung für das willkommene Organ ihrer Selbstdarstellung in Wort und Bild halten, oder der Corpsmitglieder irgendwelcher Kölner Karnevalsgesellschaften, über die zu berichten dem Kölner Stadtanzeiger mehr Herzensangelegenheit ist als dem Londoner Guardian die Hofberichterstattung?

Das Kulturgut Zeitung ist in Gefahr – Kölner Stadt-Anzeiger

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