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Presserabatte: Springer-Verlag als moralische Instanz?


30 Mrz

"Bild" als Sittenwächter

Die Redaktionen des Axel Springer-Verlags haben verkündet, dass ihre Redakteure künftig keine Presserabatte mehr annehmen wollen. In einer Hausmitteilung heißt es:

Nach breiter Diskussion und in Übereinstimmung mit ihren Redaktionen haben die Chefredakteure der Axel Springer AG vereinbart – wie bereits in einigen Redaktionen des Hauses seit mehreren Jahren praktiziert – dass ab sofort keine dem Berufsstand Journalist zu verdankenden Vergünstigungen mehr angenommen werden.

Schon der Mainzer Medienwissenschaftler Hans Mathias Kepplinger hatte die Bild-Zeitung als eine der wichtigsten moralischen Instanzen für die Bevölkerung bezeichnet. Aber die moralische Penibilität der Bildredaktion bezieht sich vor allem auf die Bevorzugung Penis-naher Themen (vgl. „Bild wieder mal auf Penis-Niveau„). Nun mit dem öffentlich inszenierten Verzicht auf die umstrittenen Presserabatte sich als Vorreiter in Sachen Berufsethos und journalistischem Anstand zu gerieren, entbehrt nicht einer gewissen Ironie. Eine Ironie, die den Springer-Redaktionen selbst offenbar nicht entgangen ist, denn man nimmt die eigene Ankündigung selbst nicht ganz so ernst:

Besuche von Kultur- oder Sport- Veranstaltungen und Kino- oder Theaterpremieren im redaktionellen Kontext sind hiervon ausgenommen,  sofern diese das übliche, bzw. notwendige Maß der beruflichen Tätigkeit nicht übersteigen. Nicht von der  Regelung betroffen sind außerdem Unternehmensrabatte, da es sich hierbei in erster Linie um Mengenrabatte handelt.

Der Axel Springer Verlag bringt fraglos auch solche Publikationen hervor, die man als journalistisch bezeichnen kann und die von KollegInnen mit weniger zweifelhaftem Ruf hergestellt werden. Doch das ändert nichts an der Tatsache, dass die Arbeitsmethoden und das Verhalten der Bild-Redaktion auf die anderen Redaktionen des Hauses abfärben und das Ansehen der gesamten Verlagsgruppe besudeln. Und die „Bild“-Zeitung als nicht-käuflich zu bezeichnen, ist ein Aberwitz: Erst lacht man, doch dann denkt man sich: „Aber …“. Weiter heißt es in der Hausmitteilung:

Wer zu Recht hohe ethische Maßstäbe an andere stellt, sollte auch sein eigenes Verhalten überprüfen und eine klare Haltung hinsichtlich der Annahme persönlicher Vorteile haben.

Welche ethischen Maßstäbe herrschen denn zwischen Schlagzeilen wie „Kniete sie vor ihm nieder und befriedigte ihn?“ und Anzeigentexten wie „Bin ich eine Schlampe weil ich immer heiß bin?“ Die Bildzeitung ist die Papier gewordene journalistische Prostitution, und daran ändert der Verzicht auf harmlose Presserabatte überhaupt nichts.

 

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Die journalistische Notfallpraxis im Web von Hektor Haarkötter