Archive for September, 2011

Tagesschau.de: Korruptionsvorwürfe gegen die deutsche Sprache


13 Sep

Es gibt diese unausrottbaren Sprachschnitzer, wie nicht nur, aber hauptsächlich Journalisten sie begehen. Einer davon betrifft das Wort “programmieren”. Wörtlich übersetzt heißt es “vor-schreiben”. Eine Vorschrift ist ja z.B. auch ein Computer-Programm, denn es sagt dem Computer, was er zu tun hat.

Nun schreibt die Nachrichtenredaktion von Tagesschau.de über einen millionenschweren Bestechungsskandal in Frankreich. Die traurige und nackte Wahrheit klingt so:

Robert Bourgi, ehemaliger Afrika-Berater von Jacques Chirac, hat ausgepackt: Im Auftrag von Chirac und Ex-Premier De Villepin habe er jahrelang Millionensummen nach Paris geschafft. Die Beschuldigten weisen die Vorwürfe zurück. Doch ein Polit-Skandal ist vorprogrammiert.

“Vor-programmieren”, das ist so viel wie “vor-vor-schreiben”, und damit mindestens ein “vor” zu viel. Pleonasmus nennen das die Sprachwissenschaftler. Ob hier das Wort “programmieren” (auch ohne das lästige “vor’” zu viel) die richtige Wortwahl war, steht noch auf einem ganz anderen Blatt. Aber so schreiben nun mal Journalisten.

Korruptionsvorwürfe gegen Chirac: Geldkoffer aus Afrika? | tagesschau.de

Noch nie online: In Deutschland jeder Sechste


05 Sep

Slimline_Keyboard_for_iPod_NanoOnlinehype? Jeder sechste Deutsche, nämlich 17 % der Bevölkerung, waren nach Angaben des Wiesbadener Statistischen Bundesamts noch nie im Internet. Die Datenautobahn ist für viele Menschen ein kleiner Flurbereinigungsweg.

In Deutschland haben 17 % der Bevölkerung zwischen 16 und 74 Jahren noch nie das Internet genutzt. Wie das Statistische Bundesamt (Destatis) in Wiesbaden mitteilt, haben vor allem ältere Menschen keine Interneterfahrung. In der Altersklasse von 55 bis 74 Jahren galt das für 42 %. In den jüngeren Altersklassen lag der Anteil hingegen jeweils unter 10 %.

Im europaweiten Vergleich liegt die Bundesrepublik damit immer noch in der oberen Hälfte, was die Internetnutzung angeht. In drei europäischen Ländern war mehr als die Hälfte der Bevölkerung noch nie online: Rumänien, Griechenland und Bulgarien. Aber auch in der Kulturnation Italien ist über 40 Prozent der Bevölkerung das Internet fremd. Obwohl, vielleicht ist es ja deswegen eine Kulturnation …

Statistisches Bundesamt Deutschland – Noch nie online: In Deutschland jeder Sechste, EU–Europäische Union-weit jeder Vierte

Tiefhängende Hose beschädigt Sprache


05 Sep
Baggy Pants (Foto: Wikimedia)

Baggy Pants (Foto: Wikimedia)

Schon dumm gelaufen. Nicht aber für den Sänger einer Punkband namens „Green Day“, sondern für die, die unbesehen dpa-Meldungen nachdrucken:

Rockstar Billie Joe Armstrong (39), Frontmann der Punkband Green Day („Boulevard of Broken Dreams“), ist aus einem Flugzeug verwiesen worden – weil er sich geweigert hatte, seine tief sitzende Hose hochzuziehen.
(Bild.de)

Wie immer man diese Mode findet — immerhin tragen sich für progressiv haltende (Berufs-) Jugendliche ihre Hosen schon so geraume Zeit auf Halbmast, das der traurige Anblick beinahe als konservativ zu bezeichnen ist: Man wird — Hose hin, Hose her — nicht „aus einem Flugzeug verwiesen„, sondern bestenfalls „eines Flugzeugs verwiesen“. Agentur-Meldungen, egal wie bunt sie auch klingen, sollten eben nicht leichtfertig übernommen werden. Auch Tickernachrichten darf man redigieren, wenn man sich noch eine Redaktion leistet und der deutschen Sprache die Ehre erweisen möchte, die sie verdient. So schreibt der Spiegel völlig korrekt über den Hosenmatz:

Der Green-Day-Frontmann Billie Joe Armstrong musste deswegen ein Flugzeug verlassen.

Wer dpa-Meldungen nachdruckt und nicht verfälscht, wird mit Sprachkritik nicht unter zwei Duden bestraft. N-TV-Nachrichten greifen ebenfalls korrigierend in den Tatbestand ein:

US-Rocker Billie Joe Armstrong, Frontman der Punkband Green Day, ist im Streit um tief hängende Hosen von Bord eines Flugzeugs gewiesen worden.

Beim Kölner Stadtanzeiger dagegen ist „gut gemeint“ wieder mal nicht „gut gemacht“. Im Online-Artikel wird (anders als in der Printausgabe) korrekterweise aus „verwiesen“ ein „gewiesen“. Doch ach! die Überschrift lautet:

Hängende Hosen: Green Day-Rocker von Flugzeug verwiesen

Für so etwas gab es früher einen Verweis! Wenn einer sich elegant ausdrücken will und dabei stolpert, muss es eben nicht an der Hose liegen.

Kein Buch schreiben und damit berühmt werden


02 Sep

Kaum zurück aus dem Urlaub, muss man als Leser des Kölner Stadtanzeigers Folgendes um die Augen geschlagen bekommen:

„Auf dem Cover des zusammen mit dem Autor und Comedian Till Hoheneder geschriebenen Buchs sieht man eine angereifte Frau mit dickem blonden Haarschopf, die sich ganz offensichtlich des Lebens freut“.

Es geht um ein offenbar demnächst erscheinendes Buch der Kölner Komödiantin Gaby Köster. Interessant ist an dem zitierten Absatz so Einiges. Zu allererst mal die (vielleicht etwas triviale, aber dennoch bemerkenswerte) Feststellung, dass Buchautoren ihre Bücher heutzutage nicht mehr selber schreiben. Wenn es schon heißt „geschrieben zusammen mit“, kann man getrost davon ausgehen, dass vermutlich keine einzige Zeile von der (prominenten?) Person stammt, die werbewirksam auf dem Buchcover abgebildet ist. Schlimm für den armen echten Autoren ist aber nicht nur, dass eine andere die Meriten für diese vermutete literarische Großtat einheimst, sondern auch, als „Autor und Comedian“ bezeichnet zu werden. Wer sich so nennen lassen muss, ist doch ein ganz armes Würstchen.

Nicht nur Gaby Köster kann offenkundig nicht schreiben. Auch die Autorin des Kölner Stadtanzeigers hat ihre liebe Not mit der deutschen Sprache. Wie auch immer Gaby Köster auf dem Buchcover aussieht: „angereift“ ist sie mit Sicherheit nicht. Warum nicht? Weil es dieses Wort in der deutschen Sprache nicht gibt. Da ist dann auch schon egal, dass im Kölner Stadtanzeiger jemand über Bücher schreiben darf, die er selbst nicht gelesen hat. Das ist mir auch schon am eigenen Leibe (bzw. Buche) passiert. Denn das Buch ist nicht nur noch gar nicht erschienen. Auch der avisierte Verlag (Scherz) weiß auf seiner eigenen Website nichts von diesem Werk. Auch Amazon kennt diesen Buchtitel noch nicht. Folgerichtig hat der Stadtanzeiger als Abbildung aus einem Verlagsprospekt eine Seite abfotografiert. Fassen wir zusammen: Gaby Köster hat ein Buch nicht (selbst) geschrieben, das auch nicht veröffentlicht wurde, und der Kölner Stadtanzeiger hat damit mehr als eine halbe Seite gefüllt. Das ist schon eine Kunst.

Anti-Medien-Blog

Die journalistische Notfallpraxis im Web von Hektor Haarkötter